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Oster-
marsch
2004


vom:
13.04.2004


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Ostermärsche und -aktionen 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede bei der Gedenkkundgebung, Mahnmal in der Bittermark, 09. April 2004

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Piat,
verehrte Anwesende,
liebe FreundInnen


Gisa Marschefski (Dortmund)

59 Jahre sind es nun her, seit feige Mörder - im Solde des HitlerSystems stehend - hier in diesen Wäldern ihre grausame Tat begingen.

Über 300 Frauen und Männer aus 7 europäischen Ländern wurden hierher geschleppt, durch Genickschüsse getötet und in Bombentrichtern verscharrt.

Es waren Gegner des Hitlerregimes, Menschen, die nichts sehnlichster wünschten als Frieden auf Erden und möglichst rasche Beendigung des mörderischen 2. Weltkrieges.

Es waren Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus den von der Deutschen Wehrmacht besetzten Ländern Europas.

Unter den Ermordeten befanden sich solche Menschen, die allein wegen ihres Glaubens und ihrer Abstammung den tödlichen Hass der Hitler-Barbaren auf sich gezogen hatten.

Ihnen allen gilt unser ehrfurchtsvolles Gedenken.

Der Philosoph Theodor Adorno hat einmal im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über das Nazisystem gesagt:

"Wer nicht weiß, was gewesen ist, kann auch nicht sagen, was werden kann"

Auch aus dieser Feststellung Adornos ergibt sich für das IRPK die Aufgabe, sowohl bei den jährlich stattfindenden Gedenkkundgebungen hier an diesem eindrucksvollen Mahnmal, als auch im Alltagsleben unserer Stadt immer und immer wieder deutlich zu machen, was in der Zeit von 1933 bis 1945 gewesen ist.

 Was geschah um den Karfreitag 1945 in den Wäldern der Bittermark und des Rombergparks?

 Was geschah im Haus der Nazi-Gestapo in der Benninghofer Straße in Hörde?

 Was tat sich in den letzten Monaten und Tagen vor dem Ende des Hitler-Krieges in dem sogenannten "Auffanglager" der Gestapo in einem Kellerraum auf dem Stahlwerksgelände des Werkes "Phönix" in Dortmund?

 Was spielte sich ab im Außenlager des KZ Buchenwald auf dem Stahlwerksgelände des Werkes "Union" in Dortmund?

 Warum und unter welchen Bedingungen mußten Tausende von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in dutzenden Lagern in Dortmund leiden und sterben und in den Dortmunder Betrieben und Zechen Fronarbeit leisten?

 Mehr als 5.000, ich wiederhole: mehr als 5.000, von ihnen allein aus der Sowjetunion liegen in Massengräbern auf dem Ausländerfriedhof am Rennweg in Dortmund-Brackel begraben.

Allein die Aufzählung solcher Stätten menschlichen Leidens in unserer Stadt würde Seiten füllen.

Und noch sind die Verbrechen der Nazis längst nicht alle aufgearbeitet, obwohl von Historikern und städtischen Stellen dankeswerterweise Beachtliches geleistet wurde, sind die Schicksale zahlreicher Opfer von Verbrechen des Naziregimes und Orte des Verbrechens weitgehend unbekannt.

Unter uns befindet sich Tatjana Schkolenko aus Kiew.

Als Kind wurde sie mit ihrer Mutter von der Wehrmacht nach Dortmund verschleppt und vegetierte in einem Lager in der Nähe des Sunderweges, während ihre Mutter Zwangsarbeit leisten musste.

Unter uns ist Valentina Sustschenko.

Sie wurde aus Taganrog verschleppt, kam in ein Lager und mußte für Hoesch Zwangsarbeit leisten.

Ich möchte an dieser Stelle an zwei jüdische Frauen aus Essen erinnern.

Für sie war das schon erwähnter Auffanglager auf dem Phönixgelände die letzte Station ihres geschundenen Lebens, bevor sie mit vielen anderen ermordet wurden.

Es darf nicht sein, das die Erinnerung an dieses Verbrechen in dem geplanten Phönixsee versinken wird. Die Erinnerung an das, was gewesen ist, ist darum besonders wichtig, weil Antisemitismus, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus von Jahr zu Jahr zunehmen.

Dass etwa die NPD in Bochum offen gegen den Neubau der Synagoge auftritt unter der Parole:

"Stoppt den Synagogenbau - 4 Millionen für das Volk"

oder die sogenannte "Kameradschaft Dortmund" unter der Parole

"Nein zu Multi - Kulti "

für den 19.06.04 zu einer Demonstration gegen den Bau einer Moschee in Hörde aufruft, sind nur Spitzen eines erschreckend hoch aufgetürmten Berges von rechter Intoleranz und schlimmster Reaktion.

Durch einen bemerkenswerten Appell von 24 Richterinnen und Richtern des Bochumer Land- und Amtsgerichtes an den Polizeipräsidenten, verbunden mit dem engagierten Auftreten tausender Bochumer Bürgerinnen und Bürger, konnte die völkerverhetzende Demonstration der NPD verhindert werden. Mit ähnlichen Maßnahmen könnte auch die sogenannte "Kameradschaft Dortmund", könnten alle antisemitischen und ausländerfeindlichen Aktivitäten gestoppt werden.

Wenn alle Menschen in unserem Land, wenn alle verantwortlichen Kräfte der Exekutive und Legislative die bitteren Erfahrungen

 von Auschwitz und Maidanek

 vom Auffanglager Phönix

 dem Gestapokeller Hörde

 und von Rombergpark und Bittermark

in ihrer Arbeit beherzigen, kann der braune Spuk in unserer Stadt, in unserem Land beendet werden.

Damit alle Bürger dieser Stadt, vom Polizeipräsidenten bis zum Streifenbeamten, vom Oberstaatsanwalt zum Verwaltungsrichter, damit besonders unsere jungen Menschen erfahren, was von 1933 bis 1945 und insbesondere um den Karfreitag 1945 in diesem schönen Erholungsgebiet geschah, ist noch viel zu tun.

Als die Tochter eines ermordeten Antifaschisten meine ich das Recht, ja sogar die Pflicht zu haben, mahnend und warnend meine Stimme zu erheben. Das Vermächtnis meines Vaters, meines Onkels und das ihrer Kameradinnen und Kameraden aus 7 europäischen Ländern kommt in dem Schwur der befreiten Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald zum Ausdruck:

"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung - der Aufbau einer neuen Welt des Friedens ist unser Ziel"

Daran lassen Sie uns alle gemeinsam arbeiten!

Es ist höchste Zeit!


Gisa Marschefski ist Generalsekretärin des Internationales Rombergparkkomitee


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