Netzwerk Friedenskooperative



Oster-
marsch
2004


vom:
13.04.2004


 vorheriger

 nächster
 Artikel

Ostermärsche und -aktionen 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede beim Ostermarsch in Hannover, 10. April 2004

"Ich habe keinen Feind am Hindukusch, gegen den ich dort präventiv verteidigt werden müßte"

Eckart Spoo (Hannover)

Vor fünf Jahren begann der Bombenkrieg der USA und der NATO gegen Jugoslawien. Vor zweieinhalb Jahren begann der Krieg der sogenannten zivilisierten Welt in Afghanistan. Vor einem Jahr begann der Krieg der USA und ihrer "Koalition der Willigen" in Irak. Nicht genug mit diesen immer neuen Kriegen fand vor einigen Wochen ein offenkundig von den USA initiierter Militärputsch in Haiti statt, denn die Politik des gewählten haitianischen Präsidenten Aristide widersprach den Bedingungen, unter denen die USA ihm nach einem ersten Putsch erlaubt hatten, sein Amt auszuüben - solchen Bedingungen wie: Lohnstop, Zollsenkungen, Privatisierungen. Kurz nach dem neuen Putsch in Haiti wurde dieser Tage auch ein Putsch in Äquatorial-Guinea versucht, einem afrikanischen Land mit Ölquellen. Spuren lassen sich wiederum in die USA zurückverfolgen, sehr deutlich auch beim permanenten Putschversuch im erdölreichen Venezuela. Derweil geht der Krieg in Tschetschenien weiter, und solche Attentate wie unlängst in Madrid sind zweifellos ebenfalls eine Form von Kriegführung - wenngleich wir über die Täter wenig wissen. Relativ viel erfahren wir über den Krieg im sogenannten Heiligen Land: Jeden Morgen zum Frühstück serviert uns das Radio Meldungen über Tote und Verletzte, darunter meistens auch Kinder. Wird der Krieg zum Dauerzustand? Zum Normalzustand? Gewöhnen wir uns allmählich daran? Finden wir uns damit ab?

Ich fürchte, daß wirklich ein Normalisierungsprozeß, ein Gewöhnungsprozeß im Gange ist, nicht nur in fernen Ländern - da weniger, da wehren sich viele Menschen dagegen -, sondern gerade hier bei uns in Deutschland, wo wir von Bomben verschont sind.

Die Bundeswehr ist gegenwärtig in etlichen europäischen, afrikanischen und asiatischen Ländern im Einsatz. Wer hätte sich das noch vor einer halben Generation vorstellen können? Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre schien es undenkbar, daß jemals ein deutscher Verteidigungsminister die Parole ausgeben würde, Einsatzgebiet der Bundeswehr sei die ganze Erde, nein: die ganze Welt, wie es Minister Struck, ein niedersächsischer Sozialdemokrat, jetzt mit größter Selbstverständlichkeit zwischen zwei Zügen aus seiner Pfeife gesagt hat.

 zum Anfang


Oster-
marsch
2004
Ebenso wenig hätte damals irgendwer gewagt, bewaffnete Einsätze der Bundeswehr gegen irgendwelche Feinde im Inneren ins Gespräch zu bringen; aber jetzt schwelgen nicht nur Stammtisch-Strategen in kühnen Vorstellungen, wie der überall in der Nachbarschaft lauernde Terrorismus militärisch zu vernichten sei, sondern inzwischen sind auch schon amtliche Planungen für Inlandseinsätze im Gange, wie z.B. das neue Luftsicherheitsgesetz und auch die Verteidigungspolitischen Richtlinien 2003 zeigen. Die CDU/CSU verlangt eine entsprechende Grundgesetzänderung. Tatsächlich ist das, was Struck vorhat, mit der geltenden Verfassung schwerlich zu vereinbaren.

Damals, als die Blockkonfrontation des Kalten Krieges endete, indem der eine der beiden Blöcke sich auflöste, verhießen uns namhafte Politiker die "Friedensdividende": Nicht mehr erforderliche Gelder für militärische Zwecke könnten dazu dienen, den allgemeinen Wohlstand zu heben, hörten wir damals. Doch jetzt beschließen die Politiker ein neues Rüstungsprojekt nach dem anderen, jedes noch teurer als das vorige, und der allgemeine Wohlstand sinkt.

Damals beschworen deutsche Politiker aus allen Lagern, vom vereinten Deutschland werde nie wieder Krieg ausgehen. Aber noch keine zehn Jahre später, im März, April, Mai, Juni 1999, war Deutschland maßgeblich an dem verbrecherischen Angriffskrieg gegen Jugoslawien beteiligt - ein krasser Verstoß gegen das Grundgesetz, das jeden Angriffskrieg ächtet. Wie schon im Ersten und Zweiten Weltkrieg, also zum dritten Mal innerhalb eines Jahrhunderts, war vor allem Serbien das Opfer, es wurde entsetzlich zerbombt, die Bundesrepublik Jugoslawien wurde zerschlagen, auch der serbische Staat wird zerteilt - all das im Widerspruch zu den Bestimmungen der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Helsinki 1975), wo sich die europäischen Staaten verpflichtet hatten, die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der anderen zu achten, sich nicht in deren innere Angelegenheiten einzumischen.

Am Tage des Kriegsbeginns vor fünf Jahren log Bundeskanzler Schröder in seiner Ansprache: "Wir führen keinen Krieg." Jeder Militäreinsatz wird offiziell zur "friedenssichernden" oder "friedenschaffenden Maßnahme" oder zum "humanitären Engagement" verhübscht. Und angeblich gibt es nie eine Alternative. Von Opfern ist möglichst nicht die Rede.

Jedesmal hören wir, die Militäreinsätze seien quantitativ und temporär begrenzt: Die Bundeswehrsoldaten würden rasch für Ordnung sorgen und dann schnellstens zurückkehren. Aber in der serbischen Provinz Kosovo steht die Bundeswehr nun schon bald fünf Jahre lang. Zeitweilig sagte Minister Struck, der Einsatz werde bis 2006 dauern. Kürzlich kündigte er an, die Bundeswehr werde "deutlich länger als bis 2006" dort bleiben. Und diese Truppe wird nicht etwa nach und nach verkleinert, sondern gerade in diesen Wochen noch um 600 auf 3800 Mann verstärkt. Ebenfalls verstärkt wird die Bundeswehrpräsenz in Afghanistan. Dort werde "ein zusätzlicher Schub an Entschlossenheit" gebraucht, forderte dieser Tage ein Einpeitscher der Berliner Militärpolitik (Rolf Paasch in der FR). Keine Rede mehr davon, daß die Bundeswehr-Einheiten in absehbarer Zeit von dort oder aus Kenia, Makedonien und anderen Ländern abziehen.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sah zunächst überhaupt keine Streitkräfte vor. Noch eindeutiger zog Japan nach dem Zweiten Weltkrieg den Schlußstrich. In der dortigen Verfassung heißt es: "Im aufrichtigen Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten. Um das Ziel des vorhergehenden Satzes zu erreichen, werden keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel unterhalten. Ein Recht des Staates zur Kriegsführung wird nicht anerkannt." Doch die eng mit den USA kooperierende konservative Regierung versucht, diese verfassungsrechtliche Errungenschaft zu kippen, und hat dem US-Präsidenten Bush für seinen Krieg in Irak 700 Mann einer Truppe, die es gar nicht geben dürfte, zur Verfügung gestellt (s. Ossietzky 7/04). In Deutschland lief die Entwicklung anders als in Japan, aber in die gleiche Richtung und viel rasanter. Schon 1950 bot Konrad Adenauer hinter dem Rücken von Volk, Parlament und Kabinett den USA eine starke deutsche Militärmacht an. In engem Einvernehmen mit den USA wurden die 1945 im Potsdamer Abkommen errichteten antimilitaristischen Barrieren eine nach der anderen niedergemacht. Im jüngsten Irak-Krieg hat Deutschland, ohne Soldaten zu entsenden, die USA viel stärker unterstützt als andere NATO-Staaten. Unvereinbar mit dem Grundgesetz. Und der Militarisierungsprozeß geht weiter. Die Bundesregierung forciert jetzt eine EU-Verfassung, die sogar eine Verpflichtung aller Mitgliedsstaaten zur Aufrüstung, ein europäisches Aufrüstungs-amt und die Option weltweiter Kriegseinsätze (auch ohne UN-Mandat) vorsieht.

Liebe Freundinnen und Freunde, unmittelbar nach der sogenannten Wende ergriffen Lenelotte von Bothmer, Werner Holtfort und ich die Initiative zum "Hannoverschen Appell", in dem es hieß: Noch nie in über tausendjähriger Geschichte war unsere äußere Sicherheit so wenig von Feinden bedroht wie jetzt. Noch nie waren aber auch in Friedenszeiten unsere Militärausgaben so hoch. Milliarden werden für Kriegswaffen ausgegeben, die nach kurzer Zeit durch technische Entwicklung überholt sind, um dann durch neue, noch teurere Systeme ersetzt zu werden. Geradezu krampfhaft suchen NATO und Hardthöhe nach Rechtfertigungen, also nach neuen Feindbildern. Wer neues "Bedrohungsbewußtsein" erzeugen will, muß aber zunächst erklären, warum der Westen die potentiellen Feinde, z.B. im vorderen Orient und in Afrika, immer noch mit modernsten Waffen aufrüstet und dadurch Verschuldung und Verarmung dieser Länder verursacht. Die bundesdeutsche Rüstungspolitik weist keine Spur von Rationalität auf. Die Vernunft gebietet, den Militäretat konsequent auf Null zu mindern.

Zu den Erstunterzeichnern des "Hannoverschen Appells" gehörten u.a. auch namhafte Grüne wie Jürgen Trittin, Helmut Lippelt, Angelika Beer. Ob sie sich noch daran erinnern?

Ich meine nach wie vor, daß es vernünftige, humane, nützliche Vorstellungen waren, die wir damals mit der Unterstützung vieler namhafter deutscher Wissenschaftler, Schriftsteller, Künstler, Kirchenleute und Gewerkschafter an den Bundestag gerichtet haben. Doch tonangebende Politiker und Publizisten begannen in jenen Tagen mit ganz anderen Reden: Das größer gewordene Deutschland müsse "mehr Verantwortung übernehmen", Deutschland müsse nun auch außenpolitisch "erwachsen werden", Deutschland müsse "endlich wieder normal werden". Gemeint war mit diesen Reden immer nur eins: Deutschland müsse wieder zum Kriegführen bereit werden. Dahinter stehen wirtschaftliche Interessen des Exportweltmeisters - vor allem an billigen Rohstoffen (Öl). Die Völker, die ihre Länder nicht ausplündern lassen wollen, vielmehr eigenen Wohlstand auf den natürlichen Reichtum ihrer Länder gründen wollen, werden wie in Kolonialzeiten als Wilde dargestellt, denen wir die Zivilisation bringen müssen, und nach dem alten Motto "Teile und herrsche" werden Staaten zerschlagen, Volkgruppen gegeneinander aufgehetzt und aufgerüstet; die Rüstungsindustrie profitiert daran.

Henry Kissinger, der Planer des Militärputschs in Chile und anderer Verbrechen, hat schon in den 70er Jahren offen gedroht: Wenn die Staaten in Nahost ihr Öl nicht nach US-amerikanischen Bedürfnissen hergäben, müßten sie mit Krieg rechnen. Nicht zufällig ist der Islam, die verbreitetste Religion in den Ölländern Afrikas und Asiens, inzwischen in Nordamerika und Europa mehr und mehr zum Feindbild geworden - gemacht worden durch eine gefährliche, lebensgefährliche Propaganda. Und diese Hetze bedroht letztlich nicht nur die, gegen die sie sich richtet, die Mohammedaner. Wer diese als Feind behandelt, sie immerzu demütigt, erniedrigt, der kann von ihnen keine Freundlichkeit erwarten.

Ich habe keinen Feind am Hindukusch, gegen den ich dort präventiv verteidigt werden müßte. Niemand bedroht mich am Horn von Afrika oder in Serbien, im Irak oder in Iran. Ich habe vielmehr Angst vor angeblich guten Freunden, deren imperialistische Politik immer dreister alles Völkerrecht verletzt, ohne Rücksicht auf die UNO und all die anderen Institutionen, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurden, um den Frieden zu sichern. Diese wachsende Brutalität der wirtschaftlich und militärisch Mächtigen führt zu allgemeiner Verrohung.

Zwischen Karfreitag und Ostern sollten Christen weltweit mit besonderer Sorge an das Land der Bibel denken. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel bestehen seit Jahrzehnten besonders enge Beziehungen. Nach dem Holocaust ist es richtig und notwendig, freundlich Anteil zu nehmen an dem Versuch von Juden, sich in Palästina eine sichere Zuflucht zu schaffen. Nehmen wir einmal blauäugig an, daß sich aus solcher Teilnahme auch die gewaltigen deutschen Waffenlieferungen an Israel erklären. Aber die Politik des Generals Scharon, wie wir sie spätesten seit Sabra und Schatila kennen, schafft keine Sicherheit für Israel, denn sie schafft keinen Frieden. Es sind alles andere als friedenschaffende Maßnahmen, wenn Scharon einen schwerbehinderten, rollstuhlfahrenden Scheich beim Verlassen einer Moschee gezielt töten läßt - was immer diesem Mann vielleicht vorzuwerfen war -, oder wenn Premier Scharon jetzt ausdrücklich das Recht für sich in Anspruch nimmt, den Palästinenserpräsidenten Arafat töten zu lassen - mit dem er verhandeln müßte, was er aber seit Jahren verweigert -, oder wenn unsere großen amerikanischen Verbündeten dieser Tage im Irak gezielt eine Moschee bombardieren. Im Mai vorigen Jahres hatte US-Präsident Bush den Krieg gegen Irak feierlich für beendet erklärt. Aber seitdem steigen und steigen die Zahlen der Opfer. Gegenwärtig belagert und bombardiert die US Army die 300 000-Einwohner-Stadt Falludscha, die sie von Lebensmittel-Lieferungen abgeschnitten hat. Was soll das für ein Frieden sein, der so geschaffen wird? Friedhofsfrieden?

Die Besetzung der Palästinensergebiete muß sofort beendet werden. Desgleichen die Besetzung Iraks - nach drei schrecklichen Kriegen und nach vielen Jahren eines massenmörderischen Embargos. Völkerrechtswidrig war übrigens nicht nur die US-amerikanische Kriegsführung gegen Irak, völkerrechtswidrig ist auch der sogenannte Wiederaufbau durch US-Firmen, die dort, von der US-Militärverwaltung beauftragt, in Milliardengeschäften schwelgen, durch die das arm gemachte reiche Land weiter ausgeplündert wird.

Ich möchte hier klarstellen: Imperialistisches Herrenmenschentum handelt nicht in meinem Namen, gleich ob es unter US-amerikanischer oder NATO- oder EU-Führung anderen Völkern ihre Selbstbestimmung raubt und sich ihren Reichtum aneignet. Von imperialistischem Herrenmenschentum distanziere ich mich, auch wenn es alltagssprachlich daherkommt: Die Menschen "da unten" seien zu vielem unfähig, darum müßten wir es eben in die Hand nehmen, und außerdem seien sie unfriedlich, hätten kein zivilisiertes Benehmen, das müßten wir ihnen erst beibringen. Diese bornierte, rassistisch geprägte Sprache trägt, wenn wir sie zulassen, dazu bei, daß sich mehr und mehr Menschen an Krieg, den "wir" führen, gewöhnen. So vermittelt sich die "Enttabuisierung des Militärischen", deren Schröder sich rühmt, in die Gesellschaft.

Als 1945 die UNO gegründet wurde, erhielten alle Staaten - arme und reiche, große und kleine - je eine Stimme. Alle sollten gleichberechtigt sein - das ist eine Voraussetzung der Friedenssicherung. Eine Ausnahme von diesem Prinzip war, daß die fünf Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges ständige Sitze im Sicherheitsrat erhielten. Jetzt fordert Schröder auch für Deutschland einen ständigen Sitz, pocht auf die Unterstützung Japans und unterstützt Japan, das ebenfalls einen ständigen Sitz bekommen soll. Ergebnis wäre eine militärische Weltregierung durch die wirtschaftlich Mächtigen. Ich lege keinen Wert auf diese Erhöhung Deutschlands, wie ich auch keinen Wert darauf lege, daß nach der geplanten EU-Verfassung Deutschland größere Rechte bekommt als andere, kleinere Staaten. Das Gieren nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat ist das Gieren nach Beteiligung an der Beute künftiger Kriege - ähnlich wie das Interesse der USA an der UNO sich darauf beschränkt, daß der Sicherheitsrat US-amerikanischen Kriegszügen einen Anstrich von Legitimität gibt. Ich wünsche keine Ermächtigung der Stärkeren, von ihrer Stärke gegenüber den Schwächeren Gebrauch zu machen, sondern eine Demokratisierung der UNO, d.h. eine Bindung der Stärkeren an den Mehrheitswillen der Mitgliedsstaaten. Privilegien müssen abgebaut, nicht ausgeweitet werden.

Aber die imperialistischen Staaten - da will ich mir und euch nichts vormachen - werden, solange sie können, also solange sie nicht daran gehindert werden, auf ihrem vermeintlichen Vorrecht bestehen, Kriege zu führen. Und sie werden immer wieder Probleme herholen, die angeblich nur durch militärisches Eingreifen zu lösen seien. Ich habe mir strikt abgewöhnt, ihnen solche Behauptungen abzunehmen. Mit Krieg löst man keine Probleme. Erinnern wir uns nur, wie die drei jüngsten, noch nicht beendeten Kriege anfangs begründet wurden: Der Bombenkrieg gegen Jugoslawien diente angeblich dazu, eine angeblich drohende ethnische Säuberung in der serbischen Provinz Kosovo zu verhindern. Gerade infolge des verheerenden militärischen Eingreifens der NATO hat inzwischen tatsächlich eine "ethnische Säuberung" im Kosovo stattgefunden: Unter der Verantwortung deutscher und anderer NATO-Truppen, die dort jetzt die Macht ausüben, ist Kosovo bis auf kleine Randgebiete serbenfrei, romafrei, judenfrei gemacht worden. Der Krieg in Afghanistan hatte angeblich den einzigen Zweck, einen rätselhaften Mann namens bin Laden - einen langjährigen Verbündeten der USA - zu fassen. Er ist bis heute nicht gefaßt - was ich ebenfalls rätselhaft finde -, aber der Krieg hat Zehntausenden das Leben gekostet. Der Krieg im Irak wurde offiziell damit begründet, daß dort angeblich lagernde Massenvernichtungsmittel sichergestellt werden sollten. Die Massenvernichtungsmittel wurden nicht gefunden, weil es sie nicht gab, was die eigenen Waffeninspekteure der USA längst vorher festgestellt hatten. Die USA selber jedoch setzten in diesem Krieg schreckliche Waffen ein, die verboten sind oder verboten gehören.

Wer wirklich ein Problem darin sieht, daß irgendwo Massenvernichtungsmittel lagern, der sei darauf hingewiesen, daß auf deutschem Boden unbestritten US-amerikani-sche Atomwaffen lagern, in Büchel und Spangdahlem. Und die USA entwickeln neue Atomwaffen für kleinere Militäreinsätze. Von der deutschen Regierung habe ich dagegen bisher keinen Protest gehört.

Die Bundesregierung selber plant jetzt als weiteren Schritt der Militarisierung der Politik und Normalisierung des Krieges das Entsendegesetz; es soll die Entsendung von Bundeswehreinheiten ins Ausland erleichtern.

Können wir den rapiden Militarisierungsprozeß - der im Zuge des sogenannten weltweiten Krieges gegen den Terror von massivem Grundrechtsabbau begleitet ist - noch aufhalten? Wie? Was können wir als Einzelne tun? Das Wichtigste ist: Gewöhnen wir uns keinesfalls daran! Bestehen wir auf dem Grundgesetz, das jede Vorbereitungshandlung für einen Angriffskrieg ächtet und unter Strafe stellt! Bezeichnen wir jeden Verstoß dagegen als das, was er ist: ein Verbrechen! Ich bezeichne übrigens nicht nur Soldaten, sondern vorrangig Politiker, die daran beteiligt sind, als Mörder. Glauben wir keinem Politiker mehr, der uns mit Greuelmärchen belogen hat, um Militäreinsätze zu rechtfertigen! Wer das Volk belügt, mißachtet es und hindert demokratische Meinungsbildung; er disqualifiziert sich damit als Volksvertreter. Gewöhnen wir uns niemals daran! Sprechen wir selber eine klare Sprache! Entziehen wir den notorischen Lügnern (Bush, Rumsfeld, Powell und denen im eigenen Land) jeden Respekt! Mißtrauen wir Journalisten, die Rüstungs- und Kriegspropaganda unkritisch verbreiten! Notorisch kriegsparteiische, hetzerische Blätter wie die des Springer-Konzerns haben m.E. längst ihre Glaubwürdigkeit verloren. Behandeln wir sie auch so! (Übrigens: In Frankreich gehören bereits 70 Prozent der überregionalen Presse unmittelbar dem Rüstungskapital.)

Widersetzen wir uns dem geplanten Entsendegesetz, das inzwischen unter dem Tarn- und Täuschnamen "Parlamentsbeteiligungsgesetz" eingebracht worden ist; es sieht vor, daß Bundeswehreinsätze in vielen Fällen nicht einmal mehr von der Zustimmung des Bundestags abhängen sollen! Widersetzen wir uns den Plänen, die Bundeswehr im Innern einzusetzen, und den Forderungen, in diesem Sinne die Verfassung zu ändern! Und widersetzen wir uns der geplanten EU-Verfassung, die den Völkern Europas durch Beschluß der Regierungen wie ein Stahlhelm übergestülpt werden soll!

Widersetzen wir uns, indem wir dazu nicht schweigen! Bringen wir diese fortschreitende Militarisierung überall zur Sprache, damit die von tonangebenden Politikern und Publizisten Irregeführten davon erfahren! Jedes Wort, das jede und jeder einzelne gegen den kriegerischen Großmachtwahn sagt, zählt. Das entscheidende Wort ist: Nein.

Die Chancen für dieses Nein wachsen, da bin ich zuversichtlich, wenn es uns gelingt, es argumentativ mit dem Protest gegen den Sozialabbau zu verbinden - worüber jetzt Manfred Böttcher sprechen wird.


Eckart Spoo, ist Journalist und Herausgeber der Zeitschrtift "Ossietzky"

E-Mail:   espoo@t-online.de
Internet: http://sopos.org/ossietzky
 zum Anfang

 vorheriger

 nächster
  
Artikel

       
Einige weitere Texte (per Zufallsauswahl) zum Thema
Ostermärsche
Ostermärsche
OM 2003 - Rede A.Beltinger, 21.04.03
OM 2003 - Rede B.Dietschy, Konstanz, 19.04.03
OM 2004 - Aufruf Saar
OM 2004 - Aufruf Hamburg
OM 2004 - Aufruf Oldenburg

Bereich

 Netzwerk