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2004


vom:
20.04.2004


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Rede beim Abschluß des Ostermarsch Ruhr in Dortmund am 12. April 2004

Suppenküche Ostermarsch

Ursula Schulze (Dortmund)

Seit Ausbruch des Irakkrieges hängt in unserer Suppenküche ein Poster mit der Aufschrift: Krieg macht obdachlos. Obdachlose gegen Krieg. Wenn es Probleme gibt, - sei es in der Wirtschaft oder in den Beziehungen zwischen den Völkern-, die in Armut Lebenden trifft es zuerst. Aus Armut werden Kriege geführt und Kriege führen in Armut. Eine Wurzel des Terrorismus ist die Armut. Die Kriminalitätsrate steigt, wenn die Wirtschaft am Boden liegt. Und trotzdem lassen wir zu, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander klafft. Die Grundidee unserer Suppenküche ist die Gastfreundschaft. Wir möchten mit unseren Gästen eine Mahlzeit teilen. Dem haben sich inzwischen viele Spender und Spenderinnen angeschlossen. Wir öffnen 4x die Woche, haben zur Zeit Anfang des Monats über 200 Gäste, Ende des Monats manchmal über 300. Dabei haben wir nur 56 Plätze. Wir öffnen um 12.15h und geben bis 14.00h Essen aus. Jeder kann soviel essen, wie er möchte. Im Jahr 2002 hatten wir über 40.000 Gäste, im folgenden Jahre 2000 mehr. Das ist bei unseren beengten Verhältnissen spürbar.

Wir platzen aus allen Nähten. Die Zahl der Frauen steigt und die der Kinder auch. Jetzt kommen auch die ersten Opfer der Gesundheitsreform: Eine Frau fragte neulich schüchtern, ob sie auch bei uns essen können. Sie habe mehr Geld für Arztbesuch und Arzneimittel ausgeben müssen als sie übrig hätte. Viele unserer Gäste können auch gar nicht so planen wie wir das kennen. Sie sind froh, wenn sie den einzelnen Tag organisiert kriegen. Und Aktenordner, in denen sie die Rezepte sammeln können, um Geld zurückzubekommen, davon können sie nur träumen.

So trifft es wieder die, die sowieso am wenigsten haben. Wir Mitarbeiter in der Suppenküche arbeiten alle ehrenamtlich und werden weder vom Staat noch von anderen Institutionen unterstützt. Wir wollen unabhängig bleiben, weil uns unsere politische Arbeit wichtig ist. Am 1. Montag im Monat halten wir eine Mahnwache gegen die Vertreibung von Randgruppen. Sie werden nicht nur in Dortmund vertrieben. Hier ging es im Laufe der Jahre, die wir arbeiten, aus der City heraus über den Hauptbahnhof, Nordausgang und zuletzt vom Nordmarkt. Kein Mensch sagt ihnen, wohin sie können und wo sie sich aufhalten, sind sie nicht gerne gesehen. Und sie möchten doch wenigsten mit den Augen am Leben der anderen teilnehmen. Aber der Stadt wäre es am liebsten, man könnte die Armen unsichtbar machen, - übersehen werden sie in der Regel ja sowieso schon. Hier müssen wir gegenhalten. Armut macht klein, Armut gibt das Gefühl, versagt zu haben, selber schuld zu sein. Aber Armut ist kein persönliches Versagen, sondern ein politisches. Da sich die Armut zusehends vergrößert und noch vergrößern wird, ist etwas faul im Staate Deutschland. Wir sollten die Betroffenen stärken, sich selbstbewusst zu Sprache zu bringen, dass Armut sichtbar wird und dass sie "Gerechtigkeit fordern statt Opfer" wie es schon im AT steht. Wir müssen die Armut zu unserer Schande machen und nicht zur Schande der Armen.

Alle Menschen haben ein unveräußerliches Grundrecht auf ein Leben ohne Ausbeutung und Verelendung, ohne Armut und Hunger, ohne Verfolgung und Vertreibung, ohne Gewalt, Terror und Krieg. Wir machen uns erst dann auf den Weg zu diesen Zielen, wenn wir etwas gegen die Armut und für die Gerechtigkeit tun. Arme sollten gleichberechtigte Mitbürger dieser Stadt sein. An dem Umgang mit ihnen zeigt sich der Charakter unserer Stadt.

Neulich wurden Flyer der Bezirksvertretung der Innenstadt-Nord einer großen Partei verteilt. Unsere Bilanz hieß es das: Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit. Demnach lobt sich diese Partei, dass sie in unsere Nordstadt die Ordnungspartnerschaften erhalten hat, die Alkoholikerszene aus dem Blücherpark vertrieben hat, den Druckraum in der Nordstadt verhindert hat und die Drogenszene vom Nordmarkt verdrängt hat. Wenn eine Partei zum Problem der Armut nichts anderes sagen kann, als die Armen zu vertreiben - in ihrem Sprachgebrauch heißt das "die Gruppen zerschlagen" - dann frage ich mich allerdings, wer sich hier schämen muss. Das sollten wir ins Bewusstsein heben, wo und bei wem Scham wirklich angesagt ist.

Wir werden weiter demonstrieren und gewaltfreie Aktionen machen bis wenigstens folgende Minimalforderungen erfüllt sind Sie kosten nicht viel: Wärmestuben, niederschwelliges Angebot für Obdachlose in den Nächten bei Minustemperaturen, mehr Suppenküchen, damit für die Menschen eine warme Mahlzeit gesichert ist, freies Aufenthaltsrecht für Randgruppen.

Als Dorothy Day, die Friedensaktivistin und Gründerin der Cathlic Worker, Mutter Teresa besuchte, wurde sie gefragt, ob die Arbeit der Mutter Teresa nicht ihrer Arbeit widerspräche. Sie antwortete: Nein, es ist ganz wichtig, die Ertrinkenden aus dem Fluss zu retten, aber es ist sicher auch gut, wenn eine mal den Fluss raufgeht und schaut, wer die Menschen eigentlich in den Fluss schmeißt. Lassen sie uns beides weiter tun, die Opfer verbinden und die Verantwortlichen daran hindern, weiter so zu handeln.

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Ursula Schulze ist bei der Kana - Dortmunder Suppenküche aktiv

E-Mail:   Ursulakanaev@aol.com
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