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Oster-
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vom:
21.04.2004


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Rede beim Augsburger Ostermarsch 2004, 10. April

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Klaus Länger (Augsburg)

in mehr als 60 Städten und Regionen machen heute wieder Menschen mobil gegen Krieg und Gewalt. Anlass dafür gib es leider mehr als genug:

Der Irak versinkt drei Monate vor der geplanten Machtübergabe der Besatzer ins Chaos. Auch der entschlossene Auftritt von Verteidigungsminister Rumsfeld und dessen trotzige Ankündigung, die US-Truppen um 20.000 Soldatinnen und Soldaten aufzustocken und "robust" gegen - wie er es nennt - "Schurken, Terroristen und Gesetzlose" vorzugehen, wird daran wenig ändern. Allenfalls wird er den Blutzoll auf beiden Seiten weiter erhöhen. Frieden und Demokratie sind jedenfalls in weite Ferne gerückt.

Das ist leider auch der Fall in Afghanistan. Weder der Opiumanbau noch das Kriegsherrentum noch der Terrorismus sind wirklich beseitigt worden. Es gibt weder Frieden noch Stabilität oder Sicherheit. Der so genannte "Krieg gegen den Terror" hat zwar das Taliban-Regime gestürzt, nicht aber die Probleme des Landes beseitigt. Vielmehr haben die USA, indem sie die Kriegsherren wieder an die Macht gebracht haben, schlicht ein Fundamentalistenregime durch ein anderes ersetzt. Präsident Karsai ist der nominelle Kopf eines Regimes, in dem ehemalige Kommandeure der Nordallianz die eigentliche Macht haben. Die heutigen Machthaber sind dieselben, die 1992 eine Terrorherrschaft in ganz Afghanistan errichteten.

Im Kosovo zerstörten randalierende Kosovaren serbische Häuser und zündeten orthodoxe Kirchen an, trotz der Präsenz der KFOR-Truppen. Nach dem NATO-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, der - wie wir heute wissen - die ganz große Flüchtlingstragödie im März 1999 im Kosovo erst auslöste, folgte unter den Augen der NATO-Soldaten die Vertreibung von ca. 200.000 Menschen aus dem Kosovo - hauptsächlich Serben aber auch andere Minderheiten wie etwa Roma. Rückblickend zeigt auch dieser angeblich "humanitäre" Krieg, dass er bis heute nicht zur Lösung der Probleme vor Ort führte sondern nur für Terror und Gewalt gesorgt hat. Von Politkern aller Bundestagsparteien außer der PDS und den Kommentatoren vieler Tageszeitungen wird er trotzdem als Erfolgsstory verkauft.

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Einer der Grüne dafür ist auch, dass man derartige Erfolgsgeschichten braucht, um eine weitere Militarisierung der Bundesrepublik und der EU zu legitimieren. Zwar ist Ende letzten Jahres die Verabschiedung einer gemeinsamen europäischen Verfassung am Widerstand Polens und Spaniens gescheitert. Die grundsätzlichen Aussagen der Verfassung zu den Fragen der Militarisierung gehörten nicht zu den strittigen Punkten. Bei der geplanten EU-Interventionstruppe mit 60.000 Mann und Frau wird Deutschland das größte Kontingent stellen. Die geplante Verfassung verpflichtet die EU-Staaten zudem zur permanenten "Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten", also zur ständigen Aufrüstung. Kontrollieren soll das ein europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten, das neu eingerichtet werden soll. Was dagegen fehlt, ist ein Amt für zivile Konfliktbearbeitung und Krisenprävention. In der Bedrohungsanalyse unterscheidet sich der EU-Verfassungsentwurf kaum von der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA - der "Krieg gegen den Terrorismus" wird zum Vehikel für die gewaltsame Durchsetzung wirtschaftlicher und machtpolitischer Interessen. Auch der EU-Verfassungsentwurf sieht so genannte Präventivkriege als gerechtfertigt an. Da die neue EU-Verfassung über dem Grundgesetz und den anderen nationalen EU-Verfassungen stehen wird, kommt dem Text größte Bedeutung zu. Noch besteht die Möglichkeit, durch öffentlichen Druck die zunehmende Militarisierung der EU zu verhindern.

Nicht besser sieht es in der Bundesrepublik aus: Auch hier ist Krieg inzwischen wieder ein anerkanntes Mittel der Politik - wenn er den eigenen Interessen dienlich ist. Seit 12 Jahren, damals hat Verteidigungsminister Rühe seine Verteidigungspolitischen Richtlinien erlassen, befindet sich die Bundeswehr in einem Transformationsprozess, den die rot-grüne Regierung konsequent fortgesetzt hat. Sie wandelte sich von einer Armee der Landesverteidigung in eine Truppe im weltweiten Einsatz. Die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien stellen fest, dass sich Bundeswehreinsätze künftig "weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch eingrenzen lassen." Mit anderen Worten, die Bundeswehr wird im breiten Spektrum von humanitärer Hilfe über Peacekeeping und Terroristenbekämpfung bis zum Krieg rund um den Globus eingesetzt. Verteidigungsminister Struck hat mit seinem markigen Ausspruch, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt werde, deutlich gemacht, dass seine Reform den endgültigen Abschied von einer Armee darstellt, wie sie im Grundgesetz vorgeschrieben ist. Und mit der Verabschiedung des so genannten "Parlamentsbeteiligungsgesetzes" - früher deutlicher als "Entsendegesetz" bezeichnet - wir der Bundestag die Kontrolle über Auslandseinsätze zu einem guten Teil aus der Hand geben.

Die neuen Militärstrukturen auf europäischer Ebene und auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr werden Unsummen an Geld verschlingen. Ab 2007 werden der Bundeswehr rund 800 Mio. EUR zusätzlich zur Verfügung gestellt würden, der Verteidigungsetat wird also auf 25,2 Mrd. Euro steigen. Zudem darf die Bundeswehr alle Mittel, die sie sich durch Rationalisierungen und Umstrukturierungen einspart, behalten, um damit den Umbau der Bundeswehr zu beschleunigen. "Wir beschaffen das, was die neue Bundeswehr braucht", sagt Minister Struck. Gleichzeitig werden soziale Leistungen abgebaut, öffentliche Dienste eingeschränkt, Arbeitszeiten sollen erhöht, Löhne und Gehälter gekappt werden. Daher ist einer der Schwerpunkte des Augsburger Ostermarschs und vieler Ostermärsche in anderen Städten die Forderung "Abrüstung statt Sozialabbau" - aber hier ist Jürgen Kerner von der IG Metall der kompetentere Redner.

Bisher klang das, was ich bisher ausgeführt habe ziemlich schrecklich: Krieg, Gewalt, Aufrüstung, Sozialabbau. Als Reaktion auf die Großdemos mit Hunderttausenden Menschen verkündete die Bundesregierung nur, dass sie keine Alternativen zur Agenda 2010 sehe und daher mit den so genannten Reformen ungerührt fortfahre. Ähnliches müssen auch wir uns regelmäßig anhören - es gebe eben keine Alternativen zu Krieg und Gewalt.

In der Vergangenheit wurden immer wieder Unrechtsregime und Diktaturen ohne Krieg überwunden. So gingen dem gewaltlosen Sturz des philippinischen Diktators Marcos in den achtziger Jahren jahrelange gewaltfreien Aktionen voraus. Als sich einige Generale von Marcos trennten und auf die Seite des rebellierenden Volkes überliefen, drohte ein Bürgerkrieg. Mehrere hunderttausend Menschen blockierten über mehrere Tage die Kasernen so dass keine der beiden Seiten militärische aktiv werden konnte - bis der Diktator das Land verließ.

Auch Südafrika wurde nicht bombardiert. Es waren jahrelange geduldige Boykottaktion die im Einklang mit der Anti-Apartheid-Bewegung den Machtwechsel vorbereiteten. Mit der Einsetzung von Wahrheits- und Versöhnungskomissionen wurden neue Wege zur Aussöhnung nach dem Machtwechsel gegangen.

Es gibt eine Reihe von Maßnahmen und Sanktionsfeldern, die auch ohne Krieg einen Staat, der offensichtlich Menschrechte missachtet oder etwa Terroristen fördert oder beherbergt, mit zivilen Mitteln zum Einlenken bewegen können. Eine Erfolgsgarantie gibt es bei diesen Maßnahmen ebenso wenig wie bei einer Militärintervention. Die Schäden für die jeweilige Zivilbevölkerung halten sich allerdings bei den nachfolgenden Sanktionen im Gegensatz zu einem Krieg in Grenzen. Wirtschaftsembargos dürfen hier aber nicht zu einer Waffe gegen die Bevölkerung gemacht werden, so wie es im Irak geschehen ist.

Verteidigungsminister Struck bezeichnete vor knapp einem Monat im Bundestag die Bundeswehr als "größte Friedensbewegung" - unter dem Applaus von Rot-Grün und der Opposition. Wenn es Struck damit ernst meinen sollte, dann soll er seinen Laden auflösen und wir könnten das eingesparte Geld zur Lösung der wirklichen Probleme dieser Welt und bei uns im Land verwenden.


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