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Oster-
marsch
2004


vom:
21.04.2004


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Ostermärsche und -aktionen 2004:

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Begrüßung/Predigt zum Ostermarsch-Gottesdienstes 2004 in der Ev. Kirche Werne am Markt, 12. April 2004

Liebe Anwesende,

Hartmut Dreier (Werne)

Begrüßung

Predigt



Begrüßung

"Frieden und soziale Gerechtigkeit - Aufstehen für eine lebenswerte Zukunft" ist das Motto dieses Ostermarsch-Gottesdienstes 2004 hier in der Werner Kirche. Dieser Ostermarsch und dieser Gottesdienst sind wichtig, weil soziale Gerechtigkeit und Frieden nicht ohne eigenes Engagement zu haben sind. Ein buntes Bündnis gegen Krieg und Sozialraub; ein buntes Bündnis für Frieden und soziale Gerechtigkeit sind biblischer und christlicher als militärische Drohgebärden und die Fortsetzung halbherziger Politik mit militärischen Mitteln wie es mit dem EU-Verfassungsentwurf - dem Design für ein militarisiertes Europa zur Zeit geschieht. Seien wir achtsam und wachsam.

Beim Propheten Amos heißt es: Es ströme das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. Diesen Amos - Text wird Pfarrer Hartmut Dreier - Mitherausgeber von Amos, den Kritischen Blättern aus dem Ruhrgebiet - uns nachher nahe bringen. Wir freuen uns, dass Hartmut Dreier diesen Gottesdienst mit uns feiert und die Predigt hält. Musikalisch wird dieser Gottesdienst von Andreas Volkmann begleitet; und vorbereitet haben den Gottesdienst die Frauen für den Frieden in der EkvW/Gruppe Bochum und die Evang. Kirchengemeinde Werne.

Aufstehen für eine lebenswerte Zukunft: Die Christen feiern Ostern die Auferstehung Christi. Christus ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden, so rufen wir es uns zu Ostern zu. Und so lassen Sie uns diesen Gottesdienst feiern:

Im Namen Gottes, der Quelle unseres Lebens

Im Namen Jesu Christi, dem Grund unserer Hoffnung

Und in der Kraft des Heiligen Geistes, die Erstarrtes zum Fließen bringt die aus Erschöpfung aufrichtet die uns ermutigt und belebt.

In dieser Gewissheit lasst uns singen: Christ ist erstanden (EG 99)



Pedigt

Predigt beim Ostermarsch-Gottesdienst Montag, 12.April 2004 in Bochum-Werne

Liebe Friedens-Gemeinde!

Trotz Riester, Hartz, Rürup und Herzog gilt: Wir lassen uns nicht beriestern, verhartzen, rürupfen und auch nicht herzoglich behandeln und verruckt machen. Sondern wir sehen genau hin.

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Oster-
marsch
2004
Teil 1: Wir sehen genauer hin: -

Am 3. April waren viele von uns bei den breiten Aktionen gegen die Agenda 2010 unter dem Motto Aufstehn - zum Beispiel in Köln. Aber weitere Aktionen gegen den Sozialabbau werden notwendig. Denn die Regierenden haben bereits signalisiert, dass sie von der Agenda 2010 nicht abgehen wollen, sie eher noch zu verschärfen gedenken, so äußern sich jedenfalls die Oppositionparteien.

Wir sehen -

Vor einem Jahr gab es große Friedensdemonstrationen gegen den Irak-Krieg der Kriegs-Koalition unter der Führung der "Junta" in Washington, wie Michael Moore die Bush-Administration in den USA nennt. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen den Irak hat in das vorausgesagte Schlamassel geführt und die internationale Lage verschärft. Vor 3 Tagen, am Karfreitag abend kommentierte der Berliner Kriegsexperte Prof. Herfried Münkler die Lage im Irak und sagte: da es der Kriegskoalition nicht gelungen sei, die vielfältige, vor allem sunnitische und schiitische irakische Opposition "einzubinden" bliebe ihr nun nur übrig, sie zu "bekämpfen". Mich schockiert, wie so einer das so einfach sagt - ohne Fragezeichen und Kritik. Da sich die Bekämpften im Irak wehren, ist eine immer weitere Eskalation des Irak-Krieges absehbar. Der Vietnamkrieg lässt grüßen.

Wir sehen -

Was vor einem Jahr wie ein Zerwürfnis innerhalb der EU aussah, stellt sich im Kern dar als eine Interessen-Einheit der Europäischen Union mit dem Ziel, weltmachtpolitisch noch kräftiger als bisher mitzumischen. Beim EU-Gipfel in Lissabon vor zwei Jahren haben die Regierungschefs erklärt: im Jahre 2010 Weltmacht Nr 1 zu sein.

Wir sehen

Auch Militär- Minister Struck spricht vom Jahr 2010. In der Zeitung "Das Parlament" vom 9.Feb 2004 heißt es abschließend in einem langen Bericht über die größte konzeptionelle Umorientierung der Bundeswehr seit dem NATO-Beitritt Deutschlands: "Nach den Planungen des Verteidigungsministeriums soll die Transformation der deutschen Streitkräfte bis 2010 umgesetzt werden" (s.3).In der Überschrift heißt es "zum möglichen Einsatzgebiet wird die ganze Welt".

Die Friedensbewegung und kritische Öffentlichkeit weiß doch: Eingreiftruppen werden aufgestellt und als "archaische Krieger" (also: Rambos) trainiert, gleichzeitig an mehreren Fronten zu kämpfen. Rüstungsprojekte in den kommenden Jahren werden auf 111 Mrd Euro beziffert Die geplante EU-Verfassung schreibt Militarisierung für alle EU-Staaten zwingend vor

Die Verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2003 markieren offiziell den Abschied von der Landesverteidigung und markieren die ganze Erde als mögliches Schlachtfeld.. Schon vor 10 Jahren sagte General Klaus Naumann (damals Generalinspekteur der Bundeswehr) als Kommentar der Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 (sie waren unter Minister Rühe in der Regierung Kohl erlassen): "von nun an gelten nur noch wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie umzusetzen" Damals 1992 war das die sog. "Neue NATO" nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen Westen und Osten. Da wurden die Weichen neu gestellt: weltweite Militäreinsätze, "Clash of Civilizations" "Islam als neues Feindbild. -

Heute schon ist weltweit die Stimmung verzweifelt und die Lage höchst gefährlich. Immer mehr Armut, Flüchtlinge, Umweltkatastrophen, Kriege, Bürgerkriege und Terror-Akte. Auch durch die Bundeswehr bzw der militarisierten EU werden weltweit militärische Interventionen und Kriege geführt, für führbar gehalten und vorbereitet. Sei es wie schon jetzt am Hindukusch oder eines Tages im Irak, im Vorderen Orient (Israel-Palästina),in Afrika oder in Südost-Asien.

Wir sehen -

Schröders Agenda 2010 ist nicht eine willkürlich gegriffene Zahl. Darauf will ich hier heute aufmerksam machen. Diese Zahl 2010 hat eine umfassende strategische Bedeutung und beinhaltet explosive Sprengkraft: innenpolitisch meint sie hierzulande den unerträglichen Sozialabbau und weltpolitisch meint sie das Ziel, die EU will Nummer Eins in der Weltpolitik werden. Wir tun gut daran, diese beiden Seiten derselben Zahl immer im Blick zu haben, wenn wir die Entwicklung in diesen Jahren analysieren. Mit einfachen Worten: Weltmachtpolitik kostet Geld und dieses Geld wird den Kleinen Leuten genommen, wird den Massen weggenommen!

Teil 2: Nun zur zweiten Überlegung: Wie urteilen wir?

Die Zahl 2010 mahnt: Kampf gegen Sozialabbau, Aufstehen für soziale Sicherheit bei uns müssen wir verbinden mit dem Kampf für den Frieden, gegen Militarisierung und gegen imperiale Welt- Politik. "Es ist genug für alle da!" "Eine andere Welt ist möglich!" Hierzulande und andernorts. Das ist keine Überforderung. Denn es ist eine politische Erfahrung aus der Menschheitsgeschichte: Mit den sozialen und politischen Problemen, Brüchen und Schrecklichkeiten wachsen zugleich die Chancen, dem Rad in die Speichen zu fallen und zu intervenieren, zu sagen: Es reicht!. "Wo Unterdrückung ist - das ist auch Widerstand!"

Und unsere Fundamente als Christen sagen: Widerstehen ist möglich und vom Glauben geboten.In diesem Gottesdienst versichern wir uns der Quellen für Aufstehen, Widerstehen und Utopien im Blick auf ein Ende des Unrechts-Systems.. Wir haben in unserm Gepäck ja großartige Geschichten des Widerstehens und Aufstehens gegen Unrecht und Unrechtssysteme. Der biblische Prophet Amos, ein Maulbeerbauer fast 800 Jahre vor Jesus, mit einer ausgesprochen starken Bindung an das uralte jüdische Thora-Recht des Gemeingutes, des Genossenschaftsleben und Genossenschaftswirtschaften, was in den damals aufkommenden Klassen-Verhältnisse des Königstums störend war. Die Hofschranzen beschimpften ihn vielleicht so, wie wir heute als "Traditionalisten" oder "Besitzstandwahrer" abgetan werden, wenn wir von normativen Verpflichtungen nicht los lassen. Ich lese einige Zorn-Worte von Amos:,Sie achten kein Recht, spricht der Herr; sie sammeln Schätze von Frevel und Raub in ihren Palästen" (3,10).: "Höret dies Wort, ihr fetten Kühe, die ihr den Geringen Gewalt antut und schindet die Armen und sprecht zu euren Freunden: Bring her, lasst uns saufen!" (4,1). "Darum, weil ihr die Armen unterdrückt und nehmt von ihnen hohe Abgaben an Korn!...Wie ihr die Gerechten bedrängt und Bestechungsgeld nehmt und die Armen unterdrückt. Es ist eine böse Zeit!"(5,11-13). "Tut weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören" und gleich anschließend das eben schon verlesene Wort von Amos (vgl den Gottesdienstzettel)."Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach" (5,23-24). Nebenbei gesagt: ich wünschte mir heute von den Kirchen solche Kritik, Anklage und Zornworte in der Öffentlichkeit - angesichts von sozialem Kahlschlag, Agenda 2010. Wenn Kirche in dieser Frage eindeutig gegen die Agenda 2010 mit-aufstehen würde sowohl im eigenen Haus wie auch in der sozialen Kritik an anderen, wäre sie glaubwürdig. Das wäre besser als all die (teuren!)Organisationsuntersuchungen bei Mc Kinsey u.a. zum Image, zur Gestalt und zum sog. Umbau der Kirche.

Wie gesagt: Wir haben in unserem Gepäck großartige Geschichten und Gestalten. Wie Amos. Wie Jesus Christus. Wir feiern Ostern. D.h. Sein Tod ist nicht das Letzte. Sondern er lebt und wirkt weiter. Ins Recht gesetzt durch Gott wurde der Gekreuzigte, damit immer und immer wieder Hoffnung aufbricht auf gelingendes Leben auch vor dem Tod. Selbst in scheinbar aussichtsloser Situation wird Praxis des Lebens gegen die Mächte des Todes gewagt. Wie die schwangere Maria, Jesu Mutter, schon vor seiner Geburt ausrief, dafür Gott lobte und das anti-herrschaftliche, im echten Sinn: anti-autoritäre Wirken Jesu kennzeichnete: "Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hochnäsig sind. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen" (Lukas 1,51-53). Von Ostern her wissen wir als Christenheit: diesen und dieses hat Gott ins Recht gesetzt. Wie sollten wir uns da von Angst oder Resignation lähmen lassen! Das heißt: Die Unrechtspolitik im Unrechtssystem des Kapitalismus ist doch nicht Gottes Ziel mit der Weltgeschichte. Noch einmal: "Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen." So ist das.

Wie gesagt: Wir haben in unserem Gepäck der Geschichten des Widerstehens und Aufstehens viele Gestalten. Ich nenne nach Amos und Jesus Christus nun auch aus dem Jahr 1200 nach Christus Franz von Assisi. Zur Zeit der Kreuzzüge des Westens im Orient hielt er sich fern von den Blutspuren des damaligen "Clash of Civilizations" und traf sich in Konya mit dem islamischen Weisen Mevlana Rumi und beide verstanden sich. Mir ist wichtig: als Mevlana Rumi in Konya starb, wurde sein Leichnam nach seinen Anweisungen harmonisch inter-religiös getragen von seiner Zelle zum Friedhof: ein Viertel des Weges von Muslimen, ein Viertel von Juden, ein Viertel von Christen und das letzte Viertel von seinen weisen Freunden. Nebenbei bemerkt: heute würde so etwas bei manchen Tonangebenden in Kirche, anderen Religionen und Politik im Verdacht des "religiösen Synkretismus" und politischen Zurückweichens, sprich: "Appeasement" stehen.

Teil 3: Nun kommen wir (nach dem Sehen und Urteilen) zum Schluss. zum Handeln -

Wir handeln bereits. Wir sind ja hier auf dem Ostermarsch. Wir begreifen uns als Teil der globalen Friedenskräfte und begreifen uns zugleich auch als Befürworter sozialer und ökologischer Gerechtigkeit zusammen mit Sozialforen, Attac, Globalisierungsgegnern, der NGOs, der Friedens- und Gerechtigkeitskräfte in den verschiedenen Religionen und Kulturen. Will sagen: wir sind nicht wenige sondern viele!. Wir brechen gleich auf zum Oster- Marsch, wobei ich lieber in weniger militärischer Sprache vom Oster-Spaziergang oder Oster-Gang rede. Vor unseren Augen sehen wir das, was wir sorgenvoll in den Blick nehmen. In unserm Gepäck haben wir als Power-Nahrung und zum Weiten unseres Blickes diese großártigen Geschichten von Widerborstigen und Dissidenten wie Amos " Jesus Christus, Franz von Assisi und wie all die Frauen und Männer heißen mögen, aus der eigenen wie auch auch aus anderen Religionen. Sie spornen uns an, ethische bzw normative Positionen fest zu behaupten, nicht mit den Wölfen zu heulen sondern an den dicken Brettern unserer Tage zu bohren.

Ich möchte uns zur Erinnerung und zur Anregung für die Phantasie und Vorstellungskraft ein einfaches sehr bildhaftes Gedankenexperiment mit auf den Weg geben. Wir stellen uns vor, wir seien in einem ganz dunklen Raum. Es macht dabei einen fundamentalen Unterschied, ob ich weiß: der dunkle Raum hat einen Ausgang - oder ob ich damit nicht rechnen kann. Wenn kein Ausgang da ist, lohnt sich alles Anstrengen letztlich nicht, ich lasse alles weitere sein. Es hat ja keinen Zweck! Wenn ich aber weiß oder damit rechnen kann, dass der Raum - so dunkel er auch sei - eine Tür ins Freie hat, suche ich im Dunkeln so lange herum, bewege mich und bemühe mich beim Suchen solange, bis ich den Ausgang gefunden habe.

Als Christenheit ist uns gesagt: es gibt den Auftrag zum Widerstehen und Aufstehen und es gibt einen Ausgang, einen Durchbruch.

In diesem Sinne, liebe österliche Friedens-Gemeinde, Auf zum Ostergang. Amen


Hartmut Dreier ist seit 1999 Pfarrer im Ruhestand

E-Mail:   felix.o@ostermarsch-ruhr.de
Internet: http://www.ostermarsch-ruhr.de
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