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Oster-
marsch
2004


vom:
28.04.2004


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Rede für den Ostermarsch Ruhr bei der Ostermarsch-Station Herne am Sonntag, den 11. April 2004

Liebe Friedens-Freundinnen und Freunde,

Martin Domke (Herne)

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Ich rede zu euch heute Nachmittag als Pfarrer der Evangelischen Kirche. Und Ostern kann man nicht nur den Osterhasen überlassen. Ostern ist, wenn wir es denn kritisch betrachten, der Beginn einer großen Leidenschaft für das Leben.

Ich möchte, dass heute wenigstens am Rande Eures Weges etwas von der Leidenschaft für das Leben zu Gehör kommt. Wir sind es denen schuldig, die durch das Thema das Ostermarsches besonders im Blick sind: den Tausenden unschuldigen Opfern eines völkerrechtswidrigen Krieges und den Millionen Opfern einer neoliberalen Globalisierung, Opfern in unserem Land und weltweit. Es nützt ihnen nichts, wenn wir heute nur beim Protest stehen bleiben, wenn wir nur anprangern, was uns und sie bedroht. Das haben wir im vergangenen Jahr oft genug getan. Und ganz gewiss werden wir auch in Zukunft nicht schweigen, wenn wieder Unrecht droht, wenn wieder die Kriegstreiber die Welt auf ihren Kurs einpeitschen.

Dennoch lasst uns sagen, was uns weiterbringen kann, lasst uns reden über den Kampf für eine gerechte Verteilung von Reichtum und Gütern, für einen gerechten Frieden. Wir sagen heute wieder: Es gibt eine Alternative zu Krieg und illegaler Besatzung von Ländern, es gibt klare Alternativen zu Gewalt und Unterdrückung. Man muss diese Alternativen nur - wollen.

1. Wir treten ein für einen gerechten Frieden.

Die Geschichte gibt ja all denen recht, die vor einem Jahr und natürlich ja schon viel länger auf die katastrophalen Folgen eines Krieges im Irak hingewiesen haben. Auf die Konsequenzen für den Irak und die gesamte Region haben alle Kennerinnen und Kenner hingewiesen. Jetzt wird immer deutlicher, dass die Lage nicht mehr unter Kontrolle ist.

Vor einem Jahr wurde die Welt Zeuge eines denkwürdigen Schauspiels: Der Sturz von Saddam Hussein durch das Fallen seiner überlebensgroßen Statue, gezogen an einem Seil durch einen amerikanischen Panzer: Ein Symbol der Macht fiel einem symbolischen Akt zum Opfer. Der Gewaltherrscher musste den neuen Herrschern mit Gewalt weichen.

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So sollte es damals aussehen. Es sollte ein Sieg auf der ganzen Linie werden. Doch es kam, wie es kommen musste: dem Sieg im Krieg folgte die Niederlage des Friedens. So ist es immer, wenn Krieg als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln ins Feld geführt wird. Dann bleibt der Frieden auf der Strecke.

Viel schwerer als eine Statue vom Sockel zu holen ist jedoch, den Frieden zu errichten. Das wissen alle, die in Friedensinitiativen aktiv sind. Natürlich könnte man jetzt schadenfroh auf die amerikanische Mafia blicken, deren große Worte und Propaganda sich in nichts aufzulösen beginnt. Nicht wenige tun das ja auch. Und natürlich könnte man sich mehr denn je in schlichten antiamerikanischen Gefühlen selbstzufrieden zurücklehnen.

Aber das ist nicht das Ziel des Ostermarschs und kann es auch nicht sein. Unser Ziel muss es bleiben, dem Frieden auf die Beine zu helfen. Darum fordern wir auch heute wieder: Abrüsten, abrüsten, abrüsten! Wir fordern dies gerade auch angesichts des dicken Eis, das uns mit der europäischen Verfassung ins Nest gelegt worden ist: Europa darf sich nie wieder und erst recht nicht durch die Hintertür einem militaristischen Denken verschreiben, gerade auch unter sicherheitspolitischen Programmen. Sicherheit wird niemals mit militärischen Mitteln errichtet, sondern mit stabilen sozialen, kulturellen und politischen Verhältnissen. Es gibt keine Sicherheit, die sich allein auf militärisches Kalkül stützen kann. Eine solche Sicherheit bleibt ein Phantom und ist zugleich ein Vergehen an zukünftigen Generationen.

Jede Form ziviler Konfliktlösung ist allemal effektiver als waffenstarrendes Abschotten gegenüber Fremden. Denn zivile Konfliktlösung investiert in konkrete Menschen - das allein schafft Frieden und eröffnet echte Perspektiven für eine Zukunft. Auch für eine gemeinsame Zukunft in Europa. Zivile Konfliktprävention und Konfliktlösung bleiben eine politische Herausforderung, die wir jetzt einfordern! Sie sind auch allemal für weniger, viel weniger Geld zu haben als milliardenschwere Rüstungsprogramme, für die ich jedenfalls nicht das Wort intelligent beschädigen möchte. Denn intelligente Rüstung gibt es nicht. Rüstung tötet - und sonst nichts. Daran muss Ostern mit aller Deutlichkeit erinnert werden. Wir wollen, dass Menschen sich in Freiheit dem Leben verschreiben und ihren Lebensraum gestalten können - in kultureller, religiöser und politischer Vielfalt!

Gestattet mir einen zweiten Hinweis:

2. Wir treten ein für ein soziales Europa und gegen den Terror des Marktes

Vielleicht ist dem einen oder der anderen aufgefallen, dass ich eben bei der Perspektive eines sicheren Europas von stabilen sozialen, kulturellen und politischen Verhältnissen gesprochen habe. Da fehlt doch was! Wie kann ein gut bezahlter Kirchenbeamter in einer von der Arbeitslosigkeit heimgesuchten Region wie unserer denn die Wirtschaft außer acht lassen!? Was wir doch vor allem brauchen sind Arbeitsplätze!

Das ist alles unbestreitbar. Dennoch: Wenn Wirtschaft und der freie Markt zum alleinigen Kriterium für alles werden, was unser Leben von der Wiege bis zur Bahre ausmacht, dann verschieben sich die Werte. Dann gelten am Ende Menschen nur noch als Verhandlungsmasse, die in Strukturreformen zu steuern sind. Dann muss auch der Staat irgendwann endgültig vor der Wirtschaft und der grenzenlosen Profitgier einknicken. Dann wird auch die Natur zur Handelsware, die in CO2-Paketen verscherbelt wird.

Unser Superminister Clement hat vor einigen Tagen nach seinem Sieg über Umweltminister Trittin der Republik verkündet, dass Deutschland ein Wachstumsproblem habe und kein Verteilungsproblem und das nur Wachstum Arbeitsplätze bringe.

Liebe Freundinnen und Freunde, ich verfolge in meinem zarten Alter nun schon eine Weile die Arbeitslosenzahlen, sagen wir mal seit den siebziger Jahren. Und ich kann da beileibe nicht erkennen, dass Wachstum der Wirtschaft uns in großem Stil Arbeitsplätze beschert hätte. Nein, die Wirtschaft hat enorme Gewinne und auch Produktivitätszuwächse verzeichnet. Aber Arbeitsplätze hat uns das nicht verschafft. Und ich empfinde es langsam als eine Zumutung ersten Ranges, wenn uns immer wieder diese Wachstumsklamotte verkauft wird während an der Börse gezockt und die Arbeitslosen in die Sozialhilfe entlassen werden.

Es ist genau diese Ideologie, die uns in den sozialen Bankrott treibt. Es ist der Terror neoliberaler Marktwirtschaft, die verhindert, dass über den unendlichen Reichtum bei uns, in Europa und weltweit geredet werden kann. Darum sagen wir: Zum Frieden in unserem Land und in Europa gehört eine Umverteilung des Reichtums. So einfach ist das. Man muss es nur wollen. Darum Schluss mit dem Wirtschaftslobbyismus, mit dem Regierungen von Schweden bis Italien und von Lissabon bis Moskau gekauft werden. Wir fordern intelligente Sozialsysteme in Europa und eine Wirtschaft, die sich endlich ihrer Verantwortung stellt. Kein Rentner und kein Kranker muss sich die Unverschämtheiten eines Arbeitgeberpräsidenten Herrn Hundt gefallen lassen. Und ich hoffe, dass die Proteste am vergangenen Samstag gegen den ungebremsten Sozialabbau erst der Anfang waren.

Noch einmal Ostern: Auch Polemik muss deutlich machen: Wir treten ein für das Leben. Es muss eine Leidenschaft für das Leben geben, die klare Prioritäten setzt. Wir brauchen Phantasie statt eine Agenda 2010, die das Leben der breiten Masse verarmen und die Lebensräume verkümmern lässt. Wir brauchen Ideen, wie der Reichtum verteilt wird. "Gerechtigkeit und Frieden werden sich küssen". Das ist ein jüdisch-christliches Bild von gelingendem Leben. Und ein Kuss ist ja wohl allemal ein Symbol des Lebens und der Leidenschaft für das Leben. Und er setzt - hoffentlich - so manche Phantasie frei.

In diesem Sinne: Frohe Ostern!



E-Mail:   m.domke@onlinehome.de
Internet: http://www.blueplanet-ev.de
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