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2005


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20.03.2005


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Ostermarsch 2005

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Rede beim Ostermarsch 2005 in Postdam, 20. März - zur Garnisonkirche -

Symbole des preußischen Ungeistes

Dr. Frank W. Baier (Potsdam)

Liebe Freunde,

am 14. April 2005 soll die symbolische Grundsteinlegung für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche erfolgen. Wir sollen uns "alle freuen", denn Potsdam entsteht wieder in seiner "alten Pracht": der Stadtkanal, das Militärweisen-haus, das Stadtschloss und natürlich auch die Garnisonkirche. Die Stadt und "ihr in Jahrhunderten gewachsener Geist" sollen neu erblühen.

Erinnern wir uns:

Am 17. August 1732 feierte König Friedrich Wilhelm I. die Einweihung der "Königlichen Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam".

Aus Dokumenten geht deutlich hervor, dass es sich dabei um eine militärische Stiftung unter der Hoheit des Monarchen handelte - und das blieb sie auch bis zum Ende der Hohenzollernherrschaft.

Die Hof- und Garnisonprediger - Cochius und Carstedt - hielten damals die Weihereden und alle sangen das Lied "Herr Gott, Dich loben wir ...".

Dazu krachten Salven aus Hunderten von Gewehren. Damit konnte von Anfang an kein Zweifel an dem Zweck dieser Kirche aufkommen, die auch mit dem zur Sonne aufsteigenden preußischen Adler, mit Ritterrüstungen, Fahnen und Waffen reichlich geschmückt war.

Karl Gass - der bekannte DEFA-Regisseur nennt sie eine auf das Militärische orientierte Ruhmeshalle des Feldwebelgeschlechts der Hohenzollern. Ich schließe mich seiner Meinung an. Der Appell- und Aufmarschsaal der preußischen Legionen ist ein bitterer Hohn auf alles, was für einen Christen mit den friedvollen Begriffen Kirche, Glaube und Religion verbunden war.

Symbole des preußischen Ungeistes sind nicht nur die Kriege.

Mit Demütigungen und grausamen Strafen erzog bereits der Soldatenkönig seine Untertanen - mit Exerzier-Dressuren, mit Rutenschlägen in der Gasse, beim Flechten auf das Rad mit gebrochenen Gliedmaßen, mit dem Abschneiden von Nasen und Ohren vor der Hinrichtung.

Den Waisen und verwahrlosten Soldatenkindern erging es im "Großen Militärweisenhaus" nicht besser. Sie erhielten nur geringste Bildung, Katechismuslehre sowie eine Erziehung zu Dienern der Obrigkeit. Kinderarbeit war die Regel. Das Trockenwohnen des Neubaus und die ungenügende Ernährung führten zu schlimmsten Krankheiten. Wer die überstand, durfte später für König und Vaterland auf den Feldern der Ehre sterben.

Nachdem der Soldatenkönig im Mai 1740 verstarb, konnte sein Nachfolger - Friedrich II. - das Heer von 81.000 Mann schon im November für den Überfall auf Österreich und den ersten schlesischen Krieg einsetzen.

Friedrich Wilhelm III. stellte Napoleon 20.000 Mann zur Verfügung, die mit ihm 1812 gegen Russland ziehen mussten. Die deutsche patriotische Bewegung fand bei ihm keine Unterstützung. Generäle wie Gneisenau und Clausewitz verließen das "mit Schande besudelte" Königreich und stellten sich auf die russische Seite. Aufrechte Offiziere und das Volk kämpften mit der russischen Armee gegen Napoleon. Doch 1818 zog Friedrich Wilhelm III. mit Alexander I. in Paris ein. Er und seine Gardetruppen hatten diesem Krieg nur aus der Ferne zugesehen und stellten sich jetzt demagogisch an die Spitze. Im Potsdamer Militärtempel wurden die Siege gegen Napoleon für neue Eroberungszüge ausgenutzt.

Friedrich Wilhelm IV. weihte am 24. September 1848 die "Friedenskirche" ein, nachdem die in der Garnisonkirche erzogenen Truppen die Märzrevolution in Berlin blutig niedergeschlagen hatten. Die Mehrheit der Militärgeistlichen brandmarkte die Revolution als Abfall von Gott", als "Mord und Brand der von Bösewichten aufgewiegelten verbrecherischen Scharen". Zu diesen "Bösewichten" zählen wir heute mit Stolz den Potsdamer Max Dortu, der sich aktiv an den Revolutionskämpfen beteiligte. Später war er Major der badischen Befreiungsarmee. Am 31. Juli 1849 wurde er von einem preußischen Militärgericht zum Tode verurteilt und in Freiburg erschossen.

In der Garnisonkirche wirkte lange Zeit Bernhard Rogge - wie andere Hofprediger als Agitator des Krieges. Dafür erhielt er 1871 von seinem Herrscher das Eiserne Kreuz.

Einen traurigen Höhepunkt bildete die Regentschaft von Wilhelm II.

Bei einer Rekrutenvereidigung vor der "Königlichen Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam" verkündet er "Wenn ich Euch befehle, Eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen, dann müsst ihr meine Befehle ohne Murren befolgen". Das wurde von den Herren Predigern in der Garnisonkirche zu Potsdam toleriert. Sie standen den Soldaten auch in Deutsch-Ostafrika zur Seite.

Die Niederschlagung des Aufstandes der Hereros wurden von ihnen als "zivilisatorische Leistung" gewertet. Sie erhoben auch keinen Einspruch gegen den Völkermord des Verbündeten Türkei an den Armeniern im Jahre 1915.

Am 1. August 1914 predigte Ernst von Dryander - Oberhofprediger und Vizepräsident des preußischen Oberkirchenrates - im Berliner Dom zur Eröffnung der Reichstagssitzung:

"Im Aufblick zu dem Staat, der uns erzogen, zu dem Vaterland, in dem die Wurzeln unserer Kraft liegen, wissen wir, wir ziehen in den Kampf für unsere Kultur gegen die Unkultur, für die deutsche Gesittung, gegen die Barbarei, für die freie deutsche, an Gott gebundene Persönlichkeit wider die Instinkte der ungeordneten Masse, und Gott wird mit unseren gerechten Waffen sein."

Karl Gass schrieb in seinem Buch: Viereinhalb Jahre lang zogen Tausende und Abertausende feldgraue Todeskandidaten durch ihre "liebe Potsdamer Garnisonkirche" dem "Kampf um Deutschlands Existenz" entgegen. Auf dieser Reise in die Massengräber ermunterten sie die königlich-preußischen Militärpfarrer und Feldprediger.

Die Preußische Tradition in der Kirche blieb auch nach dem Krieg erhalten. In seiner Begrüßungsansprache auf dem deutschen evangelischen Kirchentag 1919 bekannte dessen Präsident: "Wir können nicht anders, als hier feierlich bezeugen, welcher reiche Segen von den bisherigen engen Zusammenhängen von Kirche und Staat auf beide und auf Volk und Vaterland ausgegangen ist."

1933 setzte man in kirchlich-protestantischen Siegeln das Kreuz und das Hakenkreuz nebeneinander und skandierte "Mit Luther und Hitler für Glaube und Volk". Die Melodie "Üb` immer Treu und Redlichkeit ......" wurde über den damaligen Deutschlandsender zur Erkennungsmelodie des "Tausendjährigen Reiches". Der Potsdamer Oberbürgermeister Arno Rauscher lobte den neuen Staat als "eine Gesinnungsgemeinschaft der Nation" und spricht vom "Aufbruch unserer besten Volkskraft" sowie vom "Aufruhr der Volksseele", der jetzt von "den Besten der Nation geführt wird".

Der Divisionspfarrer a.D. Grunewald schrieb: "Unsere Garnisonkirche mit ihrer Königsgruft das Heiligtum Preußens, mit ihren Fahnen, unter denen die Männer des Gardekorps und des 3. Armeekorps geblutet und gesiegt, hat heute ihre Pforten aufgetan, um die Reichsregierung und die Reichstagsabgeordneten zu feierlichem Staatsakt aufzunehmen."

Der Potsdamer Obermagistralrat Dr. Friedrich Bestehorn ging noch weiter:

"Der Potsdamer Geist ist bejahend und vorwärtsstürmend. Fast zwei Millionen deutsche Männer besiegelten ihre Liebe zum Vaterland mit ihrem Blute...... Solange dieser Potsdamer Geist im deutschen Volke leben wird, solange pulsiert in den Adern des Volkes noch Leben. Nie war dieser Pulsschlag leiser als in den letzten 14 Jahren, nun aber ist er wieder deutlich vernehmbar."

Der Historiker Hans Mommsen schrieb 2003: "Goebbels geschickte Inszenierung des Tags von Potsdam, die über alle Radiostationen übertragen wurde, zielte darauf ab, die psychologischen Voraussetzungen für die bevorstehende Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz zu verbessern".

Somit war der Tag von Potsdam nicht nur ein singuläres formales Ereignis, sondern hatte bestimmenden Einfluss auf alles Geschehen der folgenden 12 Jahre. Der in der Potsdamer Garnisonkirche immer gepredigte "Geist von Potsdam" war die wesentliche Voraussetzung für die millionenfachen Massenmorde des deutschen Faschismus - in den Konzentrationslagern und auf den weltweiten Schlachtfeldern des 2. Weltkrieges.

Die "Königliche Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam" wurde zum Ort für Versammlungen vaterländischer Bünde sowie der Hitler-Jugend.

1933 trafen der Reichjugendführer Baldur von Schirach, und der Reichsbischof der evangelischen Kirche, Ludwig Müller, ein "Abkommen über die Eingliederung der evangelischen Jugend in die Hitler-Jugend". Der "Reichsjugendführer" organisierte am 24. Januar 1934 (dem Geburtstag Friedrich des Großen) in der Garnisonkirche für alle deutschen Gaue der Hitlerjugend eine Fahnenweihe, bei der alle zu weihenden Fahnen mit der sogenannten "Blutfahne" in Berührung kommen mussten.

Am 2. Oktober 1935 fand die "feierliche Berufung" des neu geschaffenen "Kulturamtes der Reichsjugendführung" in der Garnisonkirche zu Potsdam statt.

Nach dem Anschluss Österreichs und der Besetzung des Sudetenlandes veranstaltete die Reichsjugendführung am 24. Januar 1939 in der Garnisonkirche eine "feierliche" Fahnenweihe der neuen Banner der Hitler-Jugend aus der "Ostmark" und dem "Sudetengau".

Im Jahre 1936 wurde festgelegt, dass an den Gauparteitagen der NSDAP vom Turm der Garnisonkirche nach der Breitestraße hin die "Flagge der Bewegung" gezeigt wird, dass bei "verschiedenen Anlässen" an der Turmseite in Richtung Stadtschloß die "Reichskriegsflagge" und die "Nationalflagge" gezeigt werden - in den Maßen 3 mal 5 Meter und 38 Meter über der Straßenoberkante.

Meine Damen und Herren, Liebe Freunde,

wir wissen alle, wohin der in der Garnisonkirche gepflegte "Geist von Potsdam" Deutschland und die Welt geführt hat. Die weltweite Katastrophe brachte in der Nacht vom 14. zum 15. April 1945 auch die Zerstörung Potsdams. Das geistige Symbol des Jahrhunderte andauernden deutschen Militarismus - die Garnisonkirche - wurde schwer beschädigt.

Nun soll sie wieder aufgebaut werden. Am 14. April soll die symbolische Grundsteinlegung sein. Herr Max Klaar - Oberstleutnant a.D. vom Iserlohner Fallschirmjägerbataillon - wird sich mit viel Potsdamer und Brandenburger Politprominenz die Ehre geben. Man will dafür sorgen, dass der Bau mit dieser gespenstischen Vergangenheit wieder hier in Potsdam steht.

Die "Heilig-Kreuz-Gemeinde Potsdam" kann keine Notwendigkeit im Wiederaufbau der Kirche erkennen. Nach ihrer Meinung ist die Errichtung einer nicht benötigten Kirche extrem unchristlich und unmenschlich, solange Menschen in unserer Stadt und in unserem Land in unwürdiger Weise untergebracht sind und auf der Erde täglich 40.000 Kinder an den Folgen von Armut, Hunger und fehlender medizinischer Versorgung sterben.

Herr Jakobs und andere Politiker wollen die Kirche. Der Oberbürgermeister sagte: "Wir stehen alle in der Verantwortung, das Beste für Potsdam zu erreichen." Laut Superindendent Bertram Althausen von der Evangelischen Kirche in Brandenburg sei sie ein Symbol für Preußens Gloria und Elend, Symbol der Anfälligkeit gegen Barbarei und für den Widerstand gegen Tyrannei. Das Letzte ist absolut falsch. Dieses Gebäude war immer ein Symbol für die Gewalt und Unmenschlichkeit der Preußischen Monarchie und des deutschen Nationalsozialismus.

Wer ausgerechnet diese Kirche und ihre Kapelle mit einer früheren Schmucktrophäe der Kirche mit militärischen Motiven als "Mahnmal gegen die Glorifizierung von Krieg und Gewalt" und diesen Hohenzollerntempel als "Versöhnungszentrum" gestalten will, hat nichts - aber auch gar nichts - verstanden.

Deutschland soll nach dem Willen der Herren Struck und Co. wieder "internationale Verantwortung" übernehmen. Es soll nicht bei den vergangenen Einsätzen auf dem Balkan und am Hindukusch bleiben. Mit dem Bombenabwurfplatz in der Ruppiner Heide und dem zentralen militärischen Einsatzzentrum in Geltow bereitet man sich auf die Rolle als zweiter Weltpolizist vor. Das entspricht voll dem Traditionsgeist des "Verbandes Deutscher Soldaten" und seines Vorsitzenden aus Iserlohn.

"Wehret den Anfängen" einer neuen deutschen rechten Bewegung und Militarisierung, waren die richtigen Worte der Nachkriegszeit.

Diese ist längst vorbei. "Deutsche Verantwortung", "Deutscher Geist" und militärische Einsätze - KRIEG - werden heute von der Politik und von der Wirtschaft wieder groß geschrieben. Wenn WIR nicht wirklich aufpassen, wird es vom Turm dieser "deutschen Garnisonkirche" bald wieder "High Noon" schlagen.

Darum darf diese Kirche - dieses Jahrhunderte alte Symbol deutschpreußischer Gewalt - nie wieder in Potsdam stehen.



E-Mail: prometheus@galerie-universum.de
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