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2005


vom:
26.03.2005


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Ostermarsch 2005

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Redebeitrag zum Ostermarsch 2005 in Würzburg "Ja zu Europa - Nein zur Militarisierung", 26.03.05

Das Naheliegendste fordern

Uta Deitert (Würzburg)

- Sperrfrist: Redebeginn -

- Es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Freundinnen und Freunde,

In den letzten Wochen gab es in Würzburg jede Menge Erinnern und Gedenken anlässlich des verheerenden Bombardements der Stadt durch die britische Luftwaffe am 16.3.45; zweifellos ein Kriegsverbrechen, aber erfunden hatten es die Nazis, die diese Zermürbungsstrategie gegen englische und französische Städte zuerst angewandt hatten - ein Kriegsverbrechen, das beweist, dass das Abdriften in die Barbarei in jedem Krieg angelegt ist, die Folterbilder aus Abu Ghraib sind dafür nur der aktuellste Beleg. Aber eines habe ich vermisst bei all diesen Gedenkreden, in denen Völkerverständigung und Menschenrechte beschworen und die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit eines jeden Krieges beklagt wurden, nämlich laut und deutlich das Naheliegendste zu fordern: Runter mit den Militärbudgets, weltweite Abrüstung, Stop der Rüstungsexporte, Herstellung eines Instrumentariums gewaltfreier Konfliktbeilegung. Kerzenkreuze und Mahnreden werden sinnlos, wenn sie die Gegenwart außen vor lassen.

Die Gegenwart sieht so aus: Die versprochene Friedensdividende nach dem Ende der Blockkonfrontation hat es nicht gegeben, im Gegenteil: Frankreich und Deutschland, später auch England betrieben eine neue EU-Verteidigungspolitik, die die Fähigkeit zu NATO-unabhängigen Kriseneinsätzen zum Ziel hatte. Die rot-grüne Bundesregierung hat sich diese Zielsetzung nach ihrer Regierungsübernahme voll und ganz zu eigen gemacht und sie vorangetrieben. 1999 schafften die großen Drei es dies zu offizieller EU-Politik zu machen, abgesegnet durch den Europäischen Rat. Solana, damals noch NATO-Generalsekretär, wurde Hoher Vertreter für Außen-und Sicherheitspolitik, Rüstungszusammenarbeit und die Aufstellung einer EU-Interventionstruppe wurden beschlossen.

Diese Anstrengungen, die EU zu einer Weltmilitärmacht neben den USA zu machen flossen komplett ein in den Entwurf für eine EU-Verfassung vom Juni 2003. Wenn Anfang Mai dieser Entwurf im Bundestag zur Ratifizierung ansteht, wird kaum jemand im Lande wissen, was drin steht, auch nicht unter den Abgeordneten, denn mit der zu erwartenden Zustimmung amputieren sie sich selbst.

Sollte dieser Entwurf Rechtskraft erlangen, wird der Bundestag in Punkto Militärpolitik - sprich Bundeswehretat, Rüstungsvorhaben, Kriegseinsätze - nichts mehr zu sagen haben. Es gilt nämlich: EU-Recht bricht nationales Recht und im Entwurf steht:" Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." - Aufrüstung erhält hier Verfassungsrang, zum ersten Mal in der Weltgeschichte. Ein Einfrieren oder gar Zurückfahren der Militärausgaben wird es in keinem EU-Land mehr geben.

Ziel der Aufrüstungsanstrengungen ist die globale Kriegsführungsfähigkeit. Die Optionen reichen dabei von den sog. humanitären und friedenschaffenden Einsätzen bis hin zu Kampfeinsätzen, bei denen - so wörtlich - "die Verteidigungslinien im Ausland liegen" " was nichts anderes bedeutet als Angriffskrieg, auch präventiv, wenn es den Eurostrategen nötig erscheint, und die Einbeziehung des britischen und französischen Atomarsenals dabei wird nicht ausgeschlossen.

Über diese Einsätze befindet allein die Exekutive, der Ministerrat. Weder das EU-Parlament noch der europäische Gerichtshof haben Mitsprache-oder gar Entscheidungsrecht. Wo immer es um Außen-und Sicherheitpolitik geht, findet sich die lapidare Formulierung: "Das Eu-Parlament wird gehört und auf dem Laufenden gehalten." Dies ist ein skandalöser Verstoß gegen grundlegende demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien, und es ist ein Armutszeugnis sondergleichen, wenn sich der Bundestag darauf einlässt. Ich möchte daran erinnern, dass es 1994 ein Verfassungsgerichtsurteil gegeben hat, bei dem mit sehr knapper Mehrheit Militäreinsätze außerhalb des NATO-Gebiets erlaubt wurden, wenn 2/3 des Bundestags zustimmten. Eine große Minderheit der Richter hielt sie für gar nicht zulässig. Die Bundesregierung erwartet vom Parlament also nichts weniger als ein Votum gegen das Grundgesetz, wohlwissend, dass eine klare Mehrheit unserer Bevölkerung Auslandseinsätze ablehnt.

Auch durch Völkerrecht bzw. UN-Charta wollen sich die EU Matadore nicht aufhalten lassen, ein UN-Mandat halten sie nicht für erforderlich, lediglich an die Grundsätze der UNO wollen sie sich halten. Das ist aber rein unverbindliche Feigenblatt-Rhethorik ebenso wie das Gerede von zivilen Anstrengungen zur Konfliktbereinigung. Konkrete Maßnahmen wie die Einrichtung eines Etats, eines Stabes oder Programmes dafür sucht man vergeblich.

Da ist die Planung der militärischen Seite doch erheblich genauer: spätestens 2010 soll eine 60 000 Mann starke, allzeit bereite Eingreiftruppe stehen. Da ein Einsatz aber nur 6 Monate dauern soll mit anschließender 1-jähriger Pause, werden faktisch 180 000 gebraucht. Die Speerspitze dieser Truppe bilden 13 je 1500 Mann starke batttttle groups - Eliteeinheiten, die als erste ins Kriegsgebiet entsandt werden, um den Nachrückern den Weg zu ebnen.

Natürlich erfordern diese Szenarien eine völlig neue Ausrüstung: Transportkapazitäten, Satellitensystem u.a.. Seriöse Schätzungen eines Friedensinstituts gehen bis 2015 von zusätzlichen 150 Milliarden aus, EU-interne Berechnungen kommen auf deutlich mehr, realistische Finanzierungsvorschläge gibt es aber keine.

Im Visier der Europa-Krieger sind 3 Sorten Staaten: solche, die Terror fördern, solche die Massenvernichtungswaffen verbreiten und gescheiterte Staaten. Nun sitzen zwar die größten Massenvernichtungswaffenverbreiter in amerikanischen und europäischen Büros - das rot-grüne Deutschland hat sich durch eine 50%ige Ausfuhrsteigerung in 2004 gegenüber 2003 auf den 4. Platz der Weltrangliste vorgearbeitet - und das weltweit beste Terrorförderungsprogramm war der Irakkrieg, aber das ist wohl nicht gemeint. Zielregion ist Afrika, Dschungelkampf ist Hauptfach beim Training der battle groups. In Afrika gibt es tatsächlich viele gescheiterte Staaten, es gibt aber auch riesige Rohstoffvorkommen, und letztlich geht es bei all diesen militärischen Muskelspielen nicht um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sondern um die wirkungsvolle Interessenvertretung des europäischen Währungs-und Wirtschaftsraumes in der globalisierten Amerika dominierten Welt. So jedenfalls hat Bundeskanzler Schröder selbst die Militarisierung der EU auf dem Gipfel von Helsinki im Dezember 1999 begründet, lange vor dem 11.September 2001. In dieselbe Richtung geht auch eine Begründung an anderer Stelle: Dort ist die Rede von der großen und künftig noch wachsenden Abhängigkeit Europas von Energieeinfuhren, die gesichert werden müssen.

Wir lehnen diesen Verfassungsentwurf ab!

Wir wollen keine Welt-Militärmacht Europa!

Wir wollen ein ziviles, solidarisches und demokratisches Europa!

Wir fordern öffentliche Aufklärung über die Inhalte des Entwurfs und eine breite Diskussion!

Und wir fordern eine Volksabstimmung darüber, wie es sie in anderen Ländern auch gibt!



Uta Deitert seit 20 Jahren aktiv bei Ökopax.

E-Mail: joachim-uta.deitert@t-online.de

Website: www.oekopax.de
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