Oster-
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2005


vom:
28.03.2005


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Ostermarsch 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Abschlussworte beim Ostermarsch 2005 Ulm, Münsterplatz, 28.03.05

Eine Welt, die für alle Menschen gedacht ist

Ulrike Lambrecht (Ulm)

- Sperrfrist: Redebeginn -

- Es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Freundinnen und Freunde,

Wir sind zurück am Münsterplatz. Hier endet unser Ostermarsch. Wir sind nach diesem grenzüberschreitenden Städtespaziergang von Ulm ins bayrische Neu Ulm und zurück sicher nicht am Ende unserer Kraft. Wir gehen bald auseinander, aber wir bleiben miteinander verbunden in dem, was wir wollen.

Lasst uns zum Schluss den Blick erheben zum großen Münsterturm. Er ist wie ein Fingerzeig in eine andere Welt. Eine Welt, die für alle Menschen gedacht ist und in der es unser Auftrag ist, die Armut zu bekämpfen, mit Reichtum, Wissen und den Gütern dieser Welt verantwortungsbewußt umzugehen.

Lasst uns diesen Fingerzeig verstehen als ein Nein zum weltweiten Mammon, dem ungezügelten Kapitalismus mit seiner Profitmaximierung und unmenschlichen Armutsfolgen. Wir sagen deshalb Nein zu einer EU-Verfassung, die für die Mitgliedstaaten die Einführung einer Wirtschaftspolitik festlegt, die dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist. (Art III-177,Art In Art III 193 und 216)

Lasst uns den Fingerzeig nach oben als Mahnung verstehen, die uns an den Bombenhagel vor 60 Jahren erinnert. Rund um das Münster wurde alles zerstört.

An Gedenkfeiern zum Ende des zweiten Weltkriegs fehlt es nicht, aber an Einsicht und Erinnerung an das, was, wie und wer diesen Krieg verschuldete. Nie wieder Krieg von Deutschland aus - Diese Einsicht ist schon wieder verloren, wenn in der EU-Verfassung militärische Gewalt zur Konfliktlösung verankert wird und wenn völkerrechtswidrige Angriffskriege, sowie Kampfeinsätze in aller Welt zu legitimen Mitteln der Politik werden; entgegen unserem Grundgesetz.

Wieder wird ein Demokratiedefizit geschaffen aus Großmachtgelüsten. Der EU-Ministerrat bekommt das Mandat für weltweite Militäreinsätze (Art I-41,1 und 5) - ohne Bindung an ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates. Die Einsatzbedingungen für EU-Kampfeinsätze sind so vage, dass zur "Abrüstung von Gegnern", zur Bekämpfung des Terrrorismus " auch in Drittländern ein Kampfeinsatz erfolgen kann, den alle Mitgliedsstaaten militärisch unterstützen müssen.

Wir wenden uns gegen die Einführung eines militärischen Führungszirkel in der EU. Und dagegen "dass Deutschland in den Zusammenschluss jener "Mitgliedsstaaten drängt, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf militärische Fähigkeiten erfüllen (Art 1-41, III - 312). Zu diesen Fähigkeiten gehört, dass man in der Lage ist die eigenen Soldaten innerhalb von 5 Tagen rund um die Welt zum Einsatz bringen zu können.

Und wieder wird aufgerüstet- und das nicht nur zu Verteidigunszwecken. Die EU-Verfassung verpflichtet zur Aufrüstung und installiert ein Rüstungsamt " das die Aufrüstungspflicht kontrollieren soll. (Art I-41)

Der erhobene Zeigefinger erinnert uns 60 Jahre danach auch an die verheerenden Wirkungen von Atombomben. Die Fortschreibung des EURATOM -Vertrags privilegiert nicht nur die Kernenergie in Europa. Sie schafft die Grundlage zur Herausbildung einer EU-Atomwaffenmacht.

Der großen Platz hier mit seiner Geschichte soll uns daran erinnern, dass einzelne Menschen Nein sagen können und selbst in der Kriegsmaschinierie Gestaltungsräume haben um das zu bewahren, was wir unsere Zivilisation nennen.

Deshalb muss eine EU-Verfassung das Recht auf Kriegsdienst Verweigerung enthalten.

Wir sind empört, ja wütend, dass klamm heimlich ohne öffentliche Debatte eine europäische Festung entsteht, die sich abschottet und vorbereitet auf Präventivkriege. Wir sind enttäuscht über Aufrüstung statt Bildung in Europa.

Wenn wir selber den Zeigefinger auf etwas richten, dann zeigen drei Finger auf uns selber zurück. Sie ermahnen uns zu Solidarität mit den Verlierern der Umgestaltungsprozesse in Europa. Sie ermahnen uns, den europäischen Großmachtvisionen zu wehren.

Sie ermahnen uns, den Politikern, Militärstrategen und den Wirtschaftsbossen zu sagen: Europa gehört nicht euch! Wir lassen uns von euch den europäischen Traum von einem Miteinander der Kulturen, von der Zivilgesellschaft, die gewaltfrei ihre Konflikte löst und gute Arbeits- und Lebensbedingungen schafft nicht nehmen.

So wie die Ulmer Bürger noch heute auf ihre Bürgerkirche stolz sind, möchten wir stolz sein auf ein Europa der Bürger und Bürgerinnen. Wir wollen stolz sein auf ein Europa, dass zivilisatorisch einen Fortschritt bedeutet und der ganzen Welt zeigt, dass gewaltfrei die Grundrechte der Vereinten Nationen verwirklicht werden können.

Der Völkerrechtler Carlo Schmid, der unser Grundgesetz mit entworfen hat, nennt sechs als wichtigste:



1)Achtung der Menschenwürde



2)Soziale Gerechtigtkeit, Ablehnung des schrankenlosen wirtschaftlichen Liberalismus



3)Demokratie als Staatsform und Staatsinhalt



4)Gewaltenteilung



5)das Völkerrecht als Bestandteil des eigenen Rechtssystem



6)Verzicht auf Krieg als Mittel der Politik


Hier auf dem großen Münsterplatz windet es oft und eine umtriebige Kraft ist erfahrbar. Das erinnert mich an das Gandhi Zitat von Hanne Gezork am Anfang diese Ostermarsches. Da hieß es: "Aus bitterster Erfahrung zog ich diese eine und höchste Lehre:

Man muss den Zorn in sich aufstauen, und so, wie gestaute Wärme in Energie umgesetzt werden kann, so kann unser gestauter Zorn eine Kraft werden, die die Welt zu bewegen vermag."

Lasst uns nicht vergessen, welche Kraft und Macht die weltweite kritische Öffentlichkeit haben kann.

So nun zum Schluss machen wir eine kleine Zivilcourage-Übung, die den Erwachsenen schwerer fällt als den Kindern. Wir schreien einmal so laut wir Können gemeinsam ein Nein nach einem Satzanfang, den ich erst einmal vorstelle. Wir sagen zu dieser europäischen Verfassung und einer Militarisierung der EU. Nein .

So, nun noch einmal in der Hoffnung auf euere Unterstützung: wir sagen zu dieser europäischen Verfassung und einer Militarisierung der EU:.

Ich hoffe ihr sagt alle ja zum Wiedersehen beim nächsten Ostermarsch 2006.



Ulrike Lambrecht ist aktiv in der Ulmer Friedensbewegung.

E-Mail: ulrike.lambrecht@gmx.de

Website: www.friedensnetznetzwerk-ulm.de
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