Oster-
märsche
2005


vom:
28.03.2005


 voriger

 nächster

Ostermarsch 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede auf dem Ostermarsch 2005 vor dem Rathaus Neu-Ulm, 28. März

Nein zu dieser EU-Verfassung - sie schreibt Sozialabbau fest

Bruni Düllmann (Ulm)

- Sperrfrist: Redebeginn -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Ostermarschierer,



Die Verpflichtung der EU-Staaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern



Eine Agentur für die Entwicklung der Verteidigungsfähigkeit, die über den Ausbau der Militarisierung wacht



Weltweite Kampfeinsätze von EU-Battle-Groups, die nicht vom Parlament beschlossen werden müssen


Dass eine derartige Militarisierung im EU-Verfassungsvertrag gesetzlich vorgeschrieben werden soll, das ist einigermaßen bekannt geworden.

Und das ist Grund genug, zu dieser Verfassung Nein zu sagen.

Warum wird diese Militarisierung geplant ?



Europa ist heute eine große Wirtschaftsmacht: 53 der 100 größten Multis sind europäische Konzerne.



Mit der Militarisierung soll das neue Europa auf die Betriebsbedingungen der neoliberalen Globalisierung ausgerichtet werden:



Odas heißt:



Nötig ist die Sicherung von vitalen Außenwirtschaftsinteressen,



Nötig ist die Sicherung von Direktinvestitionen



Nötig ist die Sicherung von wichtigen Marktzugängen .


Und dazu braucht die Wirtschaftsmacht Europa militärische Macht.

Aber dazu braucht die Wirtschaftsmacht Europa auch den alternativlosen Sozialabbau im Inneren.

Und beides, Aufrüstung und Sozialabbau, lässt sich am besten durchsetzen im Schatten einer uninformierten Öffentlichkeit. Deshalb haben wir so wenig erfahren über die Inhalte dieses Verfassungsvertrags und deshalb gab es fast keine öffentliche Diskussion darüber.

Ich will hier etwas zum geplanten Abbau der sozialen Grundrechte im EU-Verfassungsvertrag sagen.

Dieser Abbau ist bei der Entwicklung des Verfassungswerkes in besonders schleichender und unauffälliger Weise vorangetrieben worden. Und deshalb ist er wenig in der Öffentlichkeit bekannt geworden. In harten Kämpfen war es den Regierungsvertretern im Konvent gelungen, eine Grundrechtecharta auszuhandeln und in die EU-Verfassung zu integrieren. Diese Charta wurde 2000 in Nizza verabschiedet. Sie gilt als der zentrale, progressive Teil des europäischen Verfassungsvertrags.

Doch schon in dieser Charta gibt es kein "Recht auf Arbeit", sondern lediglich ein "Recht zu arbeiten". II-75 (1)

Als neues Grundrecht wurde die unternehmerische Freiheit eingeführt.

Im Zusammenhang mit der unternehmerischen Freiheit verschwindet die Pflicht, dass das Eigentum zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen muss.

Für die internationalen Beziehungen des Handels wird festgelegt: "Geistiges Eigentum wird geschützt".



Damit bekommen die TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation in Europa Verfassungsrang (das sind handelsbezogene Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums).- Sie haben verheerende Folgen für die Grundversorgung der Völker, z.B. mit Saatgut und Medikamenten.



Im Kapital- und Zahlungsverkehr werden Beschränkungen verboten.


Die vollkommene Freiheit von Kapitalfluss und Zahlungsverkehr ist folgenschwer: Das bedeutet nämlich, dass es keinerlei politische Kotrolle des Kapitals und der Finanzflüsse geben darf. Und gerade die unkontrollierten Finanz- und Börsenspekulationen bewirken weltweit Lohndumping, Preisdumping und Steuerdumping mit verheerenden sozialen Folgen.

Dies alles sind Festschreibungen einer neoliberalen Politik.



Die Schere zwischen Arm und Reich wird in Europa so noch weiter auseinander gehen.



Diese Festschreibungen verbieten jede neue politische Gestaltung zum Wohl der Menschen und der Umwelt.


Sie bereiten nur den Weg zu mehr Profit.

Eine weitere Verschlechterung der sozialen Grundrechte wurde durch die sogenannten "Erläuterungen"zur Grundrechtecharta eingeführt.

Die Erläuterungen wurden ausschließlich von den Präsidien des Konvents verfasst.

Sie wurden erst kurz vor der Unterzeichnung des EU-Verfassungsvertrags 2004 in Rom in den Verfassungsvertrag aufgenommen und zwar als integraler Teil.

Bei diesen Erläuterungen handelt es sich in vielen Fällen um weit reichende Einschränkungen der sozialen Grundrechte.

Wer den Text der Grundrechtecharta liest, kennt die Erläuterungen nicht. Sie sind im Verfassungstext nicht nach den betreffenden Artikeln zu finden. Sie finden sich 300 Seiten weiter hinten, nach zahlreichen Protokollen, in einer "Erklärung Nr. 12" und nur in Ausgaben von Spezialisten. Das zeigt, wie nicht akzeptable Inhalte vor der Öffentlichkeit geradezu versteckt wurden. In mindestens zehn Fällen sagen die Erläuterungen genau das Gegenteil von dem aus, was man versteht, wenn man den entsprechenden Artikel der Charta liest.

Hier nenne ich drei Beispiele:

Charta Artikel II-66 - Recht auf Freiheit und Sicherheit.

"Jede Person hat das Recht auf Freiheit und auf Sicherheit"

Erläuterung:Artikel 6

"Die Freiheit darf nur in folgenden Fällen und auf gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden ...

e) ... bei psychisch Kranken, Alkohol-oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern.

Charta Artikel II-81

Nichtdiskriminierung

Erläuterung: Artikel 21

Der Paragraph 1 verleiht weder eine Kompetenz, um Antidiskriminierungsgesetze in der EU zu erlassen, noch bedeutet er ein umfassendes Verbot der Diskriminierungen ...

Charta Artikel II- 94

Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung

Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter sowie bei Verlust des Arbeitsplatzes Schutz gewährleisten........

Erläuterung: Artikel 34

Durch den Hinweis auf die sozialen Dienste sollen die Fälle erfasst werden, in denen derartige Dienste eingerichtet wurden ...

Dies bedeutet aber keineswegs, dass solche Dienste eingerichtet werden müssen, wo sie nicht bestehen.

Ähnliche Erläuterungen gibt es zum Streikrecht, zur öffentlichen Daseinsfürsorge, zur Todesstrafe, zum Recht auf Bildung. Diese Erläuterungen machen die Grundrechtecharta teilweise zur Farce.

Sind diese rechtmindernden Erläuterungen bekannt ?

Noch einmal:

Wer den Text der Grundrechtecharta liest, kennt diese Erläuterungen nicht. Sie sind im Verfassungstext nicht nach den betreffenden Artikeln zu finden. Sie finden sich 300 Seiten weiter hinten, nach zahlreichen Protokollen in einer "Erklärung Nr. 12" und nur in Ausgaben von Spezialisten.

Das zeigt, wie nicht akzeptable Inhalte vor der Öffentlichkeit geradezu versteckt wurden.

Bisher hatten die Europäer noch keine Möglichkeit, sich mit dem EU-Verfassungsvertrag wirklich auseinanderzusetzen. Die Debatte um die Inhalte der EU-Verfassung muss neu aufgerollt werden.

Wir sind für ein ziviles und soziales Europa .



Europa muss in Zeiten der Globalisierung ein fortschrittliches Sozialmodell sein - und nicht ein attraktives Gebiet für Kapitalanlagen



Nicht der Markt darf das Sagen haben, sondern die gewählten Institutionen müssen gehört werden



Die Debatte um die Inhalte der EU-Verfassung muss neu aufgerollt werden.



Diese EU-Verfassung muss abgelehnt werden.


Wir sind für ein ziviles und soziales Europa .



Bruni Düllmann (Friedensnetzwerk Ulm)

E-Mail: bth@duellmanns.de

Website: www.friedensnetzwerk-ulm.de
 voriger

 nächster




       
Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Themen   FriedensForum Ex-Jugo Termine   Aktuelles