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2005


vom:
29.03.2005


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Ostermarsch 2005

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Rede Ostermarsch Hamm 2005 am 26. März

Liebe Freundinnen und Freunde,

Kai Uwe Dosch (Hamm)

-Es gilt das gesprochene Wort-

Ich war im Urlaub im Januar in Südfrankreich. Ich habe kein Visum und keinen Pass zeigen müssen, keinen Koffer und keine Tasche öffnen müssen, keinen Scheck und kein Bargeld wechseln müssen. War ich denn überhaupt im Ausland? Nein, ich war in Westeuropa. Und in Osteuropa wird es in einigen Jahren genauso sein. Ich finde das gut, ich sage Ja zu diesem offenen Europa!

In diesem Jahr gedenken wir zum sechzigsten Mal des Endes von National-sozialismus und Weltkrieg. Vor sechzig Jahren noch haben Deutschland, Frankreich und England als angebliche Erbfeinde Krieg geführt. Seit ich lebe, kann sich das keiner nicht mehr vorstellen - ich nicht und ihr sicher auch nicht! Franzosen und Engländer, Spanier und Italiener sind keine Ausländer mehr in Deutschland. Sie sind unsere Gastwirte und Lehrer und vieles mehr.

Die Europäische Union hat uns schon vieles wichtiges gegeben - wie einen einheitlichen Raum des Reisens und des Arbeitens, der Wirtschaft und der Währung. Doch das wichtigste, das sie uns gegeben hat, wird oft vergessen - einen Raum des Friedens nach innen.

Die Europäische Union erweitert und vertieft sich. Sie hat Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern als neue Mitglieder aufgenommen. Sie spricht mit der Türkei, Rumänien, Bulgarien und Kroatien über eine Aufnahme. Sie hält sich die Aufnahme der Ukraine, Serbiens, Bosniens und Mazedoniens offen. Auch ein Krieg zwischen der Türkei und Griechenland, zwischen Serbien und Kroatien, zwischen Polen und Deutschland wäre dann nicht mehr vorzustellen. Europa wird wirklich eins. Ich sage Ja zu diesem friedlicheren Europa!

Die EU gibt sich eine Verfassung. Sie bekennt sich in einer Präambel zu gemeinsamen Grundwerten wie Demokratie und Menschenrechten. Sie garantiert in einer Charta gewisse Grundrechte wie eine erweiterte Freizügigkeit und ein erweitertes Wahlrecht. Ich sage Ja zu diesem gerechteren Europa!

Doch diese EU-Verfassung ist eine Ja-aber-Verfassung: Ja, eine Charta der Grundrechte ist Bestandteil der Verfassung. Diese Charta schließt unter anderem auch das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen und das Recht zu arbeiten ein. Aber die Ausübung des Verweigerungsrechts bleibt in den einzelnen Staaten eingeschränkt, z.B. durch die Pflicht zu einem zwangsweisen Ersatzdienst. Und dem Arbeitsrecht folgt das Recht auf unternehmerische Freiheit, doch keine soziale Verpflichtung des privaten Eigentums - wie im deutschen Grundgesetz.

Ja, die EU hat uns einen Raum des Friedens nach innen gegeben. Aber umso wichtiger ist es, diesen Raum des Friedens und des Rechts nach außen zu erweitern. Doch genau das geschieht nicht. Es gibt im Gegenteil neben nationalen jetzt auch europäische Tendenzen des Militarismus und des Neoliberalismus.

Der Abschnitt zur Sicherheits- und Militärpolitik in der europäischen Verfassung nimmt einen breiten Raum und eine zentrale Position ein. Die jetzigen Bestimmungen der Europäischen Union sind hier völlig neu gefasst worden, in den übrigen Abschnitten nur punktuell geändert. Doch diese Bestimmungen gibt es in keiner gedruckten öffentlichen Fassung, sie gibt es nur in einer unbekannten und abgelegenen Online-Version und sie sind zu umfangreich und umständlich, um sie einfach lesen und verstehen zu können. Ich erlaube mir deswegen nach der Methode Michael Moore den äußerst wichtigen Artikel I-41 einfach öffentlich vorzulesen, damit die Wählerinnen und Wähler wissen, worüber die gewählten Volksvertreterinnen und -vertreter abstimmen. Ich erlaube mir auch, ihn aus dem Bürokratischen ins Deutsche zu übersetzen:

(Artikel I-41, Absatz 1) "Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden."

Die internationale Politik der EU ist im Wesentlichen Militärpolitik. Diese Politik ist nicht nur Abschreckung, sondern auch Kampfeinsatz. Diese Kampfeinsätze sind nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zur globalen präventiven Intervention. Sie müssen nicht mehr vom Sicherheitsrat beschlossen werden, sondern nur noch von der EU selbst.

(Artikel I-41, Absatz 3) "Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Rat festgelegten Ziele zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten, die zusammen multinationale Streitkräfte aufstellen, können diese auch für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Verfügung stellen."

Die EU bildet neue Interventionstruppen mit 60.000 Mann, zu denen die Bundesrepublik ein Drittel der Soldaten und den Militärstabschef entsendet, und die 1.500 Mann starken sofort einsetzbaren Elitetruppen, die nur Soldaten der drei großen EU-Staaten umfassen (Deutschland, Frankreich, Großbritannien).

"Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird eine Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) eingerichtet, deren Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung zu beteiligen sowie den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen."

Die EU verpflichtet sich zur Aufrüstung und fördert die eigene Militärindustrie. Zum Beispiel dadurch, dass sie die EADS unterstützt, das führende europäische Luftwaffen- und Raumfahrtunternehmen, ein Zusammenschluss der führenden spanischen, französischen und deutschen Luftwaffenunternehmen (nämlich DaimlerChrysler), das unter anderem den Eurocopter, den Eurofighter, das militärische Transportflugzeug, den Airbus und die Ariane herstellt - ein wirklicher Konkurrent zu US-Unternehmen und ein wirklicher Global Player. Zum Beispiel dadurch, dass sie - gegen die USA - das Verbot des Rüstungsexports nach China aufhebt.

Selbstverständlich ist die aktuelle Politik der USA z.B. im Irak übler als die der EU. Bush ging und geht es um einen neuen Kreuzzug. Und selbstverständlich ist die Politik der EU im Iran besser als die der USA. Schröder, Chirac und Blair geht es um die Verhinderung eines neuen Krieges. Doch Blairs Militär foltert und tötet im Irak genauso wie Bushs Militär. Und Schröder stellt sich nur öffentlich gegen Bush, heimlich stellt er sich sogar hinter ihn. Wenn ich gegen die Militärpolitik der Regierungen protestiere, dann fange ich zuerst bei unserer an - in Deutschland und Europa. Und wenn ich gegen die Militärpolitik unserer Regierung protestiere, dann fange ich zuerst bei ihren Grundlagen an - in der europäischen Verfassung. Denn dies ist die erste und einzige Verfassung der Welt, die Rüstung zur Pflicht erklärt! Das muss verhindert werden!

Nach allem, was ich gesagt und ihr gehört habt, bitte ich euch, sagt Ja zu Europa, aber Nein zu dieser Verfassung. Sagt es euren Freunden und Bekannten. Sagt es euren Gruppen. Und sagt es euren Abgeordneten! Dann haben wir die Chance auf eine andere, bessere Grundlage für eine friedliche, zivile und soziale Europäische Union!



E-Mail: kai-uwe.dosch@hammkomm.de

Website: www.dfg-vk.de
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