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2005


vom:
30.03.2005


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Ostermarsch 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede auf der Ostermarsch-Demonstration am Ostersamstag, dem 26. März 2005 in Mainz

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Hartmut Bohrer (Mainz)

wie in den Vorjahren haben verschiedene Gruppen zu einem gemeinsamen Ostermarsch Mainz-Wiesbaden, diesmal nach Mainz, aufgerufen.

Der Ostermarsch ist eine gute Tradition der Friedensbewegung und man könnte ihn als "Jahreshauptversammlung der Friedensbewegung auf offener Straße" bezeichnen.

Wie bei jeder Jahreshauptversammlung gibt es weit mehr Mitglieder als die, die erscheinen. Es gibt aber auch solche, die jedes Jahr wieder dabei sind.

Engagement für den Frieden, gegen Rüstung und Krieg sind für sie persönliche Überzeugung geworden, die sie über Jahre hinweg zu kontinuierlichem Handeln veranlasst. Ich freue mich heute Leute zu treffen, die zum ersten Mal dabei sind, wie über die, die wieder dabei sind und sich nicht entmutigen lassen.

Ich denke auch an diejenigen, die viele Jahre dabei waren und dieses Jahr nicht mehr dabei sein können. Wir sollten diese Freundinnen und Freunde der Friedensbewegung in würdiger Erinnerung behalten.

Stellvertretend für diese nenne ich Ursula Thomas aus Kostheim, die im letzten Herbst an einer schweren Krankheit verstarb.

Wenn ich einmal bei dem Gedanken bleibe, dass der Ostermarsch etwas hat von einer "Jahreshauptversammlung", dann müsste es auch solche Tagesordnungspunkte wie "Berichterstattung über das vergangene Jahr" und "Ausblick auf das vor uns Liegende" geben.

Unser Blick zurück fällt zunächst auf die Demonstrationen vor gut vier Wochen anlässlich des Treffens von Bundeskanzler Schröder mit dem US-Präsidenten Bush.

Wenn wir zurückschauen auf diesen Mittwoch, den 23. Februar 2005, dann stellen wir fest: Es ist ein Erfolg der Friedensbewegung, deutlich zum Ausdruck gebracht zu haben, dass der gegenwärtig global mächtigste und gefährlichste Kriegsherr bei sehr vielen Menschen in dieser Stadt und in diesem Land nicht willkommen war und ist.

Dies ist auch in den Print- und Bildmedien "rüber gekommen", obwohl die Berichterstattung über den Bush-Besuch schwerpunktmäßig anders angelegt war.

Wir sollten die Erfahrungen dieses 23. Februar im "kollektiven Gedächtnis der Friedensbewegung" gut bewahren, denn die Ereignisse an diesem Tag haben wertvolle Einsichten vermittelt.

Über die politische Zielrichtung hat insbesondere das offizielle Programm Aufschluss gegeben. Damit meine ich weniger das im Kurfürstlichen Schloss eingenommene Menü als z.B. die gemeinsame Ehrung von US-amerikanischen und deutschen Veteranen des Krieges gegen Afghanistan.

Die Botschaft lautete: Lasst uns gemeinsam Angriffskriege führen wie gegen Afghanistan und nicht im Streit verharren wie gegen den Irak. Wir wollen einig sein gegen den Iran.

Auch die Statements von Bush und Schröder vor laufenden Kameras entsprachen dem.

Für die Friedensbewegung ist dies eine große Herausforderung, geht es doch um Gemeinsamkeit mit Bush, d.h. mit den Kreisen in den USA, die am engsten mit dem Rüstungskapital verbunden sind, und mit denjenigen, die am stärksten interessiert sind an der Ausdehnung der Kontrolle über wichtige Ressourcen wie Erdöl und weitere Rohstoffe anderer Länder.

Eine wichtige Erfahrung des 23. Februar sind die Maßnahmen, die mit der "Sicherheitslage" begründet wurden. Eine völlig andere Handhabung dieser "Sicherheitslage" nur wenige Stunden später in der slowakischen Hauptstadt Bratislava an der Donau, wenige Kilometer von der Millionenstadt Wien entfernt, bestärken den Verdacht, dass ganz andere Motive existierten für die stundenlange Sperrung von Autobahnen und Wohngebieten und all die Schikanen, denen die Bevölkerung des Rhein-Main-Gebietes ausgesetzt wurde. Es ist eine ausführliche Dokumentation, ja ein Buch, wert, dies festzuhalten, damit diese Erfahrungen nicht verloren gehen.

Weit über den Kreis der politisch besonders Interessierten und Friedensbewegten hinaus wurden diese Schikanen als willkürliche Machtdemonstration empfunden, als bewusste Demütigung, als Abstrafung für eine kritische Haltung vieler Menschen und auch der offiziellen bundesdeutschen Politik im Irak-Krieg, als bewusste, auch wirtschaftliche Schädigung in Millionen-Euro-Höhe.

Neben diesem Motiv des Kriegstreibers Bush spielte auf bundesdeutscher Seite offenbar der wohl willkommene Nebeneffekt eine Rolle, eine Notstandsübung bisher ungekannten Ausmaßes durchführen zu können und einmal zu testen, was die Bevölkerung so alles mit sich machen lässt.

Anders lässt sich wohl kaum erklären, dass z.B. Polizei bislang ungestraft Hausfriedensbruch begehen durfte, indem sie durch gewaltsamen Wohnungseinbruch die freie Meinungsäußerung in Form eines Spruchbandes mit der Aufschrift "Not welcome Mr. Bush" unterband, wie hier in Mainz geschehen.

Eine Erfahrung des 23. Februar ist auch, dass viele Menschen durch die so genannten Sicherheitsmaßnahmen unmittelbar mit der `"großen Politik" konfrontiert wurden. In den Tagen vor dem 23. Februar haben viele beim Einkaufen, am Arbeitsplatz, in der Kneipe, in der Familie, im Bekannten- und Freundeskreis diskutiert über die Politik der USA, der Bundesregierung und die von diesen verfolgten Interessen und Absichten.

Dies geschieht in einer Zeit, in der die millionenfache Erwerbslosigkeit, die beschleunigte Zunahme des Gegensatzes zwischen Arm und Reich, zwischen mehreren Dutzend Milliardären und Millionen Arbeitslosengeld- und Sozialgeld-Empfänger/iinne/n viele Menschen bewegt.

Trotz einer Rekordhöhe des Exportes - besonders erschreckend die Rekordhöhe beim Export von Kriegsgerät - und einem starken Außenhandelsüberschuss wird den Noch-Beschäftigten mit Entlassung und Produktionsverlagerung gedroht. Der Abbau sozialer und demokratischer Errungenschaften, die weiterhin nahezu ungebremste Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Militarisierung der offiziellen Außenpolitik sind nicht zufällig gleichzeitig. Sie haben einen inneren Zusammenhang. Diesen Zusammenhang aufzudecken und die Gegenwehr gemeinsam zu organisieren ist aktuelle Aufgabe.

Friedensbewegung, soziale und ökologische Bewegungen, Bürgerrechts-Initiativen und andere demokratische Kräfte müssen sich noch wirksamer vernetzen und ihr Handeln koordinieren als dies bisher geschieht. Friedenskoordination und Sozialforen, wie in Mainz und Wiesbaden, sind solche Vernetzungen. Gerade auf kommunaler Ebene gibt es viele Ansatzpunkte, die es mehr Menschen ermöglichten, politisch Einfluss zu nehmen.

Aus der Vielzahl möchte ich ein Beispiel herausgreifen:

Seit mehreren Monaten kämpfen wir in AKK, Wiesbaden und Mainz um die Erhaltung öffentlicher Schwimmbäder. Erst wollte die Wiesbadener CDU das Maarauebad schließen. Dies konnte durch die Sammlung von

10.000 Unterschriften und anderem öffentlichen Protest verhindert werden. Dann sollte das ESWE-Bad geschlossen werden, was ebenfalls durch massiven öffentlichen Protest, insbesondere von Schwimmvereinen, verhindert werden konnte. Die scheibchenweise Demontage des ESWE-Bades durch drastische Einschränkung der Öffnungszeiten wurde erschwert durch ein erfolgreiches Bürgerbegehren. In Mainz wird nun der Kampf um den Erhalt des Mombacher Hallenbades als städtisches Bad geführt.

Die geplanten Schließungen der Bäder werden mit "leeren öffentlichen Kassen" begründet.

Die Frage ist zu stellen:; Sind diese Gelder vielleicht nur falsch verteilt?

Damit meine ich vor allem die Tatsache, dass durch fortlaufende Steuergeschenke an die Reichen, die Förderung von Arbeitsplatzvernichtung und gigantische Rüstungsausgaben die öffentlichen Kassen geplündert und die finanziellen Handlungsmöglichkeiten auch der Kommunen eingeschränkt werden.

Auch im kommunalen Rahmen lassen sich verschiedenen Schwerpunkte setzen.

Damit meine ich weniger solches Handeln wie das des Wiesbadener Oberbürgermeisters Diehl. Er bedachte die aus dem Irak-Krieg nach Wiesbaden zurückkehrenden Einheiten zur Begrüßung mit Hunderten von Freikarten für die städtischen Bäder. Die Teilnehmer des Angriffskrieges und Folterverdächtigen blieben so von den mittlerweile erhöhten Eintrittspreisen verschont.

Ich meine vielmehr z.B. die finanziellen Verluste, die dadurch entstehen, dass städtische Infrastruktur dem Militär zur Verfügung gestellt wird.

Obwohl auch kommunalwirtschaftlich schädlich, wirbt der OB für den Verbleib der US-Militärs in Wiesbaden, ja wünscht sich sogar, dass weitere Militäreinheiten nach Wiesbaden kommen, obwohl ein Abzug der Militäreinheiten enorme Flächen für Wohn- und Gewerbenutzung frei machen würde und die regionale Kaufkraft und Wirtschaft durch Konversion gestärkt würde.

Es bleibt viel zu tun bis zum nächsten Ostermarsch.

Packen wir`s gemeinsam an.



Hartmut Bohrer ist Stadtverordneten der Fraktion Linke Liste Wiesbaden.

E-Mail: lili.fraktion@wiesbaden.de

Website: www.linke-liste-wiesbaden.de
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