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2005


vom:
31.03.2005


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Ostermarsch 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede für den Ostermarsch Oberberg 2005 am 28. März in Waldbröl

Liebe Freundinnen und Freunde,

Manfred Kriegeskorte (Waldbröhl)

Der Aufruf zu unserem diesjährigen Ostermarsch Oberberg beginnt mit der Aufforderung in diesem Jahr erst recht für den Frieden aktiv zu werden. Warum erst recht in diesem Jahr?

Vor 60 Jahren befreiten die alliierten Truppen das deutsche Volk vom Faschismus, befreiten die europäischen Nachbarländer von deutscher imperialistischer und faschistischer Besatzung und Unterdrückung. Die Überlebenden in den Konzentrationslagern, in den Arbeits- und Ver-nichtungslagern wurden befreit. Es ging nicht nur der zweite Weltkrieg zu Ende, obwohl der Krieg alleine schon grausam und schrecklich war. Faschismus und Krieg hatte 55 Millionen Menschen das Leben gekostet, ungezählten Kindern die Kindheit geraubt, ungezählte Menschen obdachlos und heimatlos gemacht.

Den 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und des Endes des 2. Weltkrieges zu begehen, heißt nicht alleine den Opfern zu gedenken und zu hoffen, daß so etwas schreckliches nie wieder geschehen möge. Dringlicher als je zuvor in den zurückliegenden 60 Jahren scheint mir heute die Aufgabe zu sein, zu vermitteln, wie es dazu kommen konnte, daß 1933 eine faschistische Macht installiert wurde, die bald darauf Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Christen in Gefängnisse und Konzentrationslager warfen, sie folterten und ermordeten, den Holocaust an mehr als 6 Millionen Menschen jüdischer Herkunft planmäßig vorbereiteten und den verheerenden 2. Weltkrieg vom Zaun brachen. Noch 1932 glaubten zu viele Menschen nicht den Warnungen, Hitler bedeute Krieg. Aber war Hitler nur ein Wahnsinniger, im Kreis anderer Wahnsinniger, wie es den Menschen heute in Fernseh -Dokumentationsserien nahegelegt wird. Diese Art der neuen deutschen Geschichtsschreibung, klarer ausgedrückt: die Geschichtsklitterung, der Geschichtsrevisionismus trägt nicht dazu bei die wahren Ursachen der Hitlerdiktatur und des Krieges aufzudecken.

Sicher war Hitler wahnsinnig - keine Frage. Aber dabei dürfen wir nicht stehenbleiben. So instabil die bürgerliche Geschichtsschreibung die Weimarer Republik auch darstellt, waren die Verhältnisse tatsächlich doch so, daß Hitler und die NSDAP die Macht nicht errungen hätte, wenn dies nicht von der wahren Macht im Staat gewollt gewesen und gefördert worden wäre. Die NSDAP befand sich bei den Reichstagswahlen im November 1932 bereits wieder im Abstieg.

Im Düsseldorfer Industrieclub trafen am 26. Januar 1932 Hitler, Göring und Röhm mit Großindustriellen und Bankiers zusammen. Hitler legte in einer Rede seine Konzeption vor. Er versprach, den Marxismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die Parteien zu verbieten und demokratische Wahlen abzuschaffen. Er versprach, die Reichswehr auszubauen, aufzurüsten und `Lebensraum im Osten` zu erobern. Industrielle und Bankiers dankten, wie Presse und Augenzeugen berichteten, `mit lang anhaltendem Dauerbeifall`. Von nun an flossen riesige Spenden an die Nazipartei.

In der Villa des Bankiers Kurt von Schröder, Teilhaber des Kölner Bankhauses Stein fand am 4. Januar 1933 ein Treffen zwischen Hitler und dem ehemaligen Reichskanzler von Papen statt: Drei Wochen später wurde Adolf Hitler auf Drängen der Vertreter der Banken und Konzerne von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Von Reichspräsident Hindenburg, der damit zum Totengräber der Weimarer Republik wurde und der einmal von sich selbst sagte, Krieg bekomme ihm wie eine Badekur. Nach diesem Herrn sind in unserem Land noch immer ungezählte Strassen und Plätze benannt. Auch diese Tatsache wirft ein Schlaglicht darauf, wie in diesem Land die Geschichte der faschistischen Machtergreifung aufgearbeitet wird.

Hitler, die NSDAP wurde nicht an die Macht gewählt, sondern mitten aus der Klasse der Herrschenden heraus an die Macht geputscht. Die Pläne des Kapitals, der Kriegsgewinnler gingen auf.

Und heute? Heute haben wir erneut Grund zu warnen.

Nicht nur daß seit Jahren wieder Faschisten weitgehend unbehelligt marschieren dürfen. Nicht nur, daß gegen Neonaziaufzüge demonstrierende Antifaschisten von Polizei geschlagen, festgenommen und wegen Störung der Neonazi-Versammlungen vor Gericht abgeurteilt werden.

Herrn Rogowski, als er noch Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie BDI war, bereitet die PDS größere Sorgen als die NPD. Das war im September 2004. Das ist der selbe Herr, der am 20. Oktober 2003 kundtat: "Ich wünsche mir manchmal ein großes Lagerfeuer, um das Betriebsverfassungs-gesetz und die Tarifverträge hineinzuwerfen. Danach könnte man einfach wieder von vorne anfangen".

Seit 1999 befindet sich deutsches Miltär wieder im Krieg. Völkerrechtswidrig und gegen unser Grundgesetz war die Bundeswehr beim Angriffskrieg gegen Jugoslawien dabei. Deutschland wird laut Herrn Struck inzwischen selbst am Hindukush verteidigt und für den Angriffskrieg gegen den Irak wurde den US-Truppen der deutsche Luftraum zur Verfügung gestellt und Spürpanzer in Kuweit eingesetzt.

Mein persönlicher Eindruck vom grünen deutschen Aussenminister ist, daß er unermüdlich darin ist, einer der ersten Mitentdecker neuer Konfliktherde irgendwo auf der Welt zu sein, auf die mit Drohungen militärischen Eingreifens zu antworten sei. Dieser Aussenminister hat noch die Ambitionen, erster Aussenminister der Europäischen Union zu werden. Das passt, behaupte ich. Das passt deshalb weil die Verfassung der EU, die 2007 in Kraft treten soll, dem Aussenminister und dem Ministerrat die alleinige Befugnis für Entscheidungen in der Aussen- und Sicherheitspolitik, der Militärpolitik also, einräumt. Das Europäische Parlament wird allenfalls unterrichtet und gehört. Das Europäische Parlament soll in der für die Menschheit existenziellen Frage Krieg oder Frieden nichts zu sagen haben. Und die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten genauso nicht. Weiter wird in der EU - Verfassung den Mitgliedsländern eine Aufrüstungspflicht auferlegt. Es heisst da in Art I - 41 "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" Das in unserem Grundgesetz verankerte Verbot von Angriffskriegen soll damit umgangen werden.

Daß in einer Verfassung eines Staates oder eines Staatenbundes eine Aufrüstung zur Pflicht gemacht wird, ist bislang einzigartig. Vor allem ausser-ordentlich erschreckend und höchst alarmierend.

Für friedensbewegte Menschen ist dies untragbar !

Diese Verfassung ist wahrhaftig eine Militär-verfassung und keine demokratische Grundlage für ein friedliches Zusammenleben der Völker. Der Kern der Verfassung ist die Sicherheitspolitik, sprich Militärpolitik und die Politik des freien und ungehinderten Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs. Diese Verfassung ist ein Manifest des global agierenden Kapitalismus.

Auch das passt zusammen. Kapitalismus, Militarismus und imperialistische Kriegsstrategien und Kriegsziele.

So wie tatsächlich die wahren Kriegsziele des deutschen Kapitals im ersten wie im zweiten Weltkrieg die Eroberung anderer Länder, der Zugriff auf Produktionsanlagen, auf Erze, Kohle und Erdöl der durch Krieg besetzten Länder war, so sind die tatsächlichen Gründe für den Krieg gegen den Irak und den drohenden Krieg gegen Iran der vornehmlich von den großen Ölkonzernen erhoffte ungehinderte Zugriff auf die weltweiten Erdölvorkommen.

In der am 12. Dezember 2003 beschlossenen EUROPÄISCHE(n) SICHERHEITSSTRATEGIE wird benannt, auf welche Bedrohungen sicherheitspolitisch, also militärisch reagiert werden müsse.

Da heisst es im Abschnitt :

"I. DAS SICHERHEITSUMFELD: GLOBALE HERAUSFORDERUNGEN UND HAUPTBEDROHUNGEN"

"Der Wettstreit um Naturressourcen - insbesondere um Wasser -, der sich durch die globale Erwärmung in den nächsten Jahrzehnten noch steigern wird, dürfte in verschiedenen Regionen der Welt für weitere Turbulenzen und Migrationsbewegungen sorgen.

Die Energieabhängigkeit gibt Europa in besonderem Maße Anlass zur Besorgnis. Europa ist der größte Erdöl- und Erdgasimporteur der Welt. Unser derzeitiger Energieverbrauch wird zu 50 % durch Einfuhren gedeckt. Im Jahr 2030 wird dieser Anteil 70 % erreicht haben. Die Energieeinfuhren stammen zum größten Teil aus der Golfregion, aus Russland und aus Nordafrika."

Zum ersten: Auf Wasserknappheit und Migrations-bewegungen wird die EU also militärisch "sicherheitspolitisch" reagieren?

Zum zweiten: Der Zugriff auf die Energieresourcen anderer Länder soll mit militärischen Mitteln gesichert werden. Zukünftige Kriege um Öl und Gas sind heute schon vorgesehen.

Rüstung tötet auch ohne Krieg jeden Tag. Jährlich wandern in der Bundesrepublik 25 Mrd. Euro in den Rüstungsetat. 160 Mrd. EURO in den 25 EU-Mitgliedsländern, die zu weiterer Aufrüstung verpflichtet sein sollen. Das Geld dafür wird bei den Armen der Gesellschaft geholt; bei der Bildung, im Gesundheitswesen, bei der Rente gestrichen.

Täglich sterben auf der Welt 30.000 Kinder an Hunger, während täglich 3 Millarden US-Dollar für die Rüstung ausgegeben werden.

Es reicht längst !

Wer kann sich das heute noch richtig vorstellen, daß selbst die CDU im März 1946 in ihrem Ahlener Programm folgendes schrieb:

"Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund auf erfolgen."

Gegen eine wirkliche Neuordnung zog die CDU dann mit erbittertem Antikommunismus, mit kapitalistischer Restauration und Wiederaufrüstung zu Felde.

Die Neuordnung bleibt uns selbst überlassen. Die Menschheit steht vor der Überlebensfrage - Krieg oder Frieden.

Ich will hier enden mit den Forderungen aus dem Aufruf des Ostermarsches Rhein und Ruhr 2005:

Militärische Abrüstung statt Sozialabbau!

Schaffung einer Agentur für Abrüstung und Rüstungskonversion.

Stopp des Umbaus der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Armee.

Auflösung aller Eingreiftruppen.

Rückzug aller im Ausland eingesetzten Einheiten.

Verzicht auf Einsatz der Bundeswehr im Irak.

Aufbau und Ausbau von Strukturen für zivile Konfliktlösung.

Effektive Entwicklungshilfeprojekte und Armutsbekämpfung statt weltweiter Einsätze einer EU-Armee.

Für eine Verfassung, welche die Menschenrechte und vor allem das Menschenrecht auf ein Leben in Frieden und sozialer Sicherheit garantiert. Heute streichen die Regierungen - nicht nur in Europa -erkämpfte Sozialstandards im Interesse von Rüstungsprogrammen und Subventionen für Großkonzerne und Banken zusammen. Deshalb ist mehr denn je notwendig, dass Friedens- und soziale Bewegungen gemeinsam eintreten für ein Leben in Würde und Frieden.

Das ist das Vermächtnis, das uns der europäische antifaschistische Widerstand hinterlassen hat:

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.



E-Mail: manfredkriegeskorte@gmx.de
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