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Ostermärsche und -aktionen 2006

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Rede auf dem Ostermarsch in Frankfurt am 17. April 2006

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Horst Schmitthenner (in Frankfurt)



- Sperrfrist, Montag, 17.April, 13 Uhr! -

- Es gilt das gesprochene Wort! -



Wir hätten die Hunderten von Toten im Irak in den letzten Wochen nicht gebraucht um zu wissen: mit militärischen Mitteln ist Terrorismus nicht zu besiegen.

Wir hätten die geschändeten Leichen nicht gebraucht, nicht das zunehmende Hungern der irakischen Bevölkerung und auch nicht die schrecklichen Selbstmordanschläge um zu wissen: mit Krieg ist kein Frieden zu schaffen.

Kriege lösen keine Probleme. Sie sind vielmehr Grund für die sich steigernde Gewalt in der Welt.

Die USA interessiert das aber nicht. Trotz der Erfahrungen im Irakkrieg scheinen sie entschlossen auch gegen den Iran einen Luftangriff zu führen.

Wir lehnen mit aller Entschiedenheit auch diesen zu befürchteten Krieg ab.

Wir glauben, dass die USA nicht nur die iranische Atompolitik vor Augen haben. Ihre Interessen gehen weiter. Sie wollen den Iran zu einer unbedeutenden Macht zurückbomben um die eigene Vormachtstellung im mittleren Osten weiter auszubauen.

Sie wollen Chaos für die Bevölkerung stiften um das islamische Regime durch ein US freundliches zu ersetzen.

Und sie wollen sich die Kontrolle über die Erdölreserven herbeibomben, weil sie wissen, dass dem Kapitalismus langsam aber sicher der überlebenswichtige Treibstoff ausgeht.

Nicht mit uns.

Selbst wenn Teheran Atomwaffen anstrebt, die wir natürlich ablehnen, könnte der Iran auf absehbare Zeit niemand mit Atomwaffen bedrohen.

Wir wollen, dass die Zeit für eine friedliche Lösung durch ernsthafte Verhandlungen genutzt wird.

Wir wollen, eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten und eine Nichtangriffsgarantie für den Iran durch Israel und die USA.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedenfreunde!

Ebenso leidenschaftlich wehren wir uns gegen einen Einsatz einer EU-Eingreiftruppe unter militärischer Führung Deutschlands im Kongo.

Es ist abenteuerlich zu glauben, dass man mit einem 4-Wochen-Einsatz zur Sicherung der Wahlen in diesem vom Bürgerkrieg verwüsteten Land etwas für die Befriedung tun könnte.

Im Gegenteil: Das Feuer wird weiter angefacht.

Aber vielleicht geht es auch hier um andere Interessen.

So hat vor wenigen Wochen Verteidigungsminister Jung gesagt, es ginge auch darum künftige Flüchtlingsströme aus dem Kongo nach Europa und Deutschland zu verhindern.

Und von der Hand zu weisen ist auch nicht, dass die Bundeswehr praktisch ausprobieren will, wie weit ihre Umrüstung zu einer Eingreiftruppe gediehen und wie tauglich das militärische Konzept ist.

Schluss damit.

Wir wollen nicht, dass sich die EU unter Deutschlands Führung im Kongo militärisch engagiert.

Wir wollen stattdessen von der Bundesregierung:



mehr Anstrengungen und Mittel für eine effektive ðEntwicklungspolitik



eine Initiative für eine nachhaltige Entschuldung des ðLandes und



schärfere Kontrollen der Waffenausfuhren.


Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Wir bleiben dabei: Frieden schaffen ohne Waffen ist die richtige Linie.

Bekämpft werden müssen nicht die Völker, bekämpft werden muss die soziale Ungerechtigkeit in der Welt.

Notwendig ist und bleibt eine Politik, die die soziale Spaltung aufhebt und damit militärische Aggressionen vermeidet.

Wer den Terror mörderischer Attentate bekämpfen will, muss den Terror der Ökonomie bekämpfen.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Doch anstatt sich die verheerende Auswirkungen der Kriege einzugestehen und angesichts der Erfolglosigkeit militärischer Aktionen Schluss damit zu machen, wird von der Politik weiter aufgerüstet. Die Militärausgaben in der Bundesrepublik, die jetzt schon bei 25 Mrd. jährlich liegen, werden aufgestockt.

Ab dem Jahr 2007 wird der Militäretat um 300 Mio. jährlich erhöht.

Ein Skandal ist das angesichts der Zumutungen für die Bevölkerung durch die Streichungen und Zuzahlungen in den sozialen Sicherungssystemen.

Schon die vergangenen Kriege haben Volkswirtschaften in den Ruin getrieben. Jeder Marschflugkörper zum Stückpreis von einer Million Dollar entfernt uns ein Stück weiter von der Erfüllung notwendiger gesellschaftlicher Aufgaben.

Während das Geld für Militär zum Fenster rausgeworfen wird, bleibt die soziale Gerechtigkeit nicht nur in den so genannten Entwicklungsländern, sondern auch bei uns auf der Strecke.

Weil wir uns Soziales nicht mehr leisten könnten, müssen Arbeitslose nach 12 Monaten mit 325 Arbeitslosengeld II auskommen, teilweise mit dem Rauswurf aus ihren Wohnungen rechnen und Arbeit zu jedem Preis annehmen. Andernfalls wird ihnen die Leistung entzogen.

Und obwohl es immer mehr zu verteilen gibt, hat die Armut zugenommen und die Reichen sind noch reicher geworden. Nach dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ist der Anteil der Armen an der Bevölkerung in den letzten 7 Jahren von 12 auf 13,5 % gestiegen. Eines von 5 Kindern wächst heute in Armut auf.

Zudem sind ganze Leistungspakete der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen worden.

Und die Einschnitte in die gesetzliche Rentenversicherung führen nicht nur zum Abhängen der jetzigen Rentnergeneration von der allgemeinen Einkommensentwicklung.

In 25 Jahren wird das Bruttorentenniveau nur noch 39 % des durchschnittlichen Bruttoeinkommens betragen und das nach 45 Versicherungsjahren und Beiträgen aus Verdiensten, die dem Durchschnittseinkommen entsprechen.

Dadurch wird nicht nur die Spaltung der Gesellschaft vergrößert. Denn immer weniger können sich leisten die Lücken durch private Altersvorsorge zu schließen.

Es führt auch dazu, die Altersarmut in Deutschland massiv zu erhöhen.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Wir müssen für einen Politikwechsel kämpfen.

Es muss Schluss sein mit einer nationalen und internationalen Politik, die der neoliberalen Theorie folgt, wonach soziale Mindeststandards und soziale Gerechtigkeit die wirtschaftliche Entwicklung behindern.

Das Gegenteil ist der Fall: Ein funktionierender und ausgleichender Sozialstaat, eine ausgebaute Infrastruktur und eine möglichst gleichmäßige Einkommensverteilung sind Voraussetzung für sozialen Frieden, hohe Beschäftigung und befriedigendes Wachstum.

Diesen Zielen dient die Forderung der IG Metall nach 5 % mehr Lohn- und Gehalt.

Damit trägt die IG Metall den Erwartungen der Beschäftigten und ihrer Mitglieder Rechnung. Sie will zugleich die Schieflage in der Entwicklung der Gewinne und der Einkommen der abhängig Beschäftigten korrigieren und einen Beitrag zur Verbesserung der Binnennachfrage und zum Aufbau von Beschäftigung leisten.

Und schließlich will sie damit die Finanzen der sozialen Sicherungssysteme verbessern. Schon ein Prozent Lohnerhöhung in allen Branchen führt zu 460 Millionen Mehreinnahmen bei der Arbeitslosenversicherung und zu 1,38 Milliarden bei der Rentenversicherung.

Neben den positiven Wirkungen für die Einnahmen der sozialen Sicherungssysteme führen höhere Bruttoeinkommen der Beschäftigten auch zu höheren Bemessungsgrundlagen und damit zu höheren Einkommen bei Rentnerinnen und Rentnern, bei Arbeitslosen und Kranken.

Und das will die IG Metall. Sie hat eben nicht nur die Interessen ihrer Mitglieder im Auge. Sie handelt als gesellschaftliche Kraft.

Grund genug für die Friedensbewegung, die Sozialverbände und die anderen sozialen Initiativen die IG Metall in diesem gesellschaftlichen Konflikt aktiv und massiv zu unterstützen.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Hinter der Politik der Bundesregierung, die kurzgefasst heißt: Bei der Rüstung sind sie fix, für den Sozialstaat tun sie nix, stehen Interessen.

Deutschland soll nicht weiterhin ein ökonomischer Riese in der Welt und ein militärischer Zwerg sein.

Deutschland soll auch militärisch mit entscheiden, was in der Welt zu geschehen hat.

Darum wird die Bundeswehr, wie die Nato auch, umgebaut.

Weg von einer Armee zur ausschließlichen Landesverteidigung, wie es das Grundgesetz einschränkend und zwingend vorschreibt. Hin zu einer Interventionsarmee, die überall in der Welt eingreifen kann und soll.

Es geht um deutsche Interessen in der Welt, die auch militärisch durchgesetzt werden sollen.

Darum heißt es in den für die Ausrichtung der Bundeswehr verbindlichen "Verteidigungspolitischen Richtlinien":

künftig ließen sich die Einsätze der Bundeswehr (Zitat) "...weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch eingrenzen" und an anderer Stelle (Zitat): "Um seine Interessen und seinen internationalen Einfluss zu wahren ... stellt Deutschland ... Streitkräfte bereit."

Und wem das als Beleg für die Zielsetzung ökonomische und politische Interessen auch militärisch durchzusetzen noch nicht reicht, der wird in der übergeordneten Militärdoktrin der europäischen Union fündig, die Gültigkeit für die nationalen Mitgliedsstaaten hat.

Dort heißt es:

"Die Energieabhängigkeit gibt Europa in besonderem Maße Anlass zur Besorgnis. Europa ist der größte Erdöl- und Erdgasimporteur der Welt. Unser derzeitiger Energieverbrauch wird zu 50 % durch Einfuhren gedeckt. Im Jahr 2030 wird dieser Anteil 70 % erreicht haben. Die Energieeinfuhren stammen zu größten Teil aus der Golfregion, aus Russland und Nordafrika."

Folgerichtig verlangt die Militärdoktrin "mehr Mittel für die Verteidigung", um den Aufbau flexibler mobiler Truppen zu finanzieren, die zu "Kampfeinsätzen im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen" (Artikel III-210) eingesetzt werden sollen.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Das ist nicht unsere Politik.

Wir wollen etwas anderes, um Frieden in der Welt zu schaffen.

Wir wollen Abrüstung statt Aufrüstung.

Wir wollen Abrüstung statt Sozialabbau.

Wir wollen den Sozialstaat erhalten und eine gerechte und solidarische Gesellschaft dauerhaft gestalten.

Wir verlangen eine grundsätzliche Abkehr von der sich ausbreitenden internationalen Kriegspolitik, mit der die Mächtigen versuchen, ihre Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen.

Wir wollen eine friedliche Welt, globale Gerechtigkeit statt militärischer Vorherrschaft,

wir wollen zivile Prävention statt Präventivkriege.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Uns ist Verpflichtung was Hannes Wader in seinem Lied dem 19jährigen Kriegstoten des ersten Weltkrieges zusagt:

"... doch hör meinen Schwur. Für den Frieden zu kämpfen und Wachsam zu sein fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein.."

In der Tat Freundinnen und Freunde: Es ist an der Zeit!



Horst Schmitthenner leitet das IG Metall Verbindungsbüro soziale Bewegungen

E-Mail: horst.schmitthenner@igmetall.de

Website: www.igmetall.de
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