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Ostermärsche und -aktionen 2006

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Rede zum Ostermarsch am 15. April 2006 in Ulm, Münsterplatz

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Leni Breymaier (in Ulm)



- Sperrfrist: 15.4.2006, 15 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -



"Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten!"

Dieses Zitat des am 14. März 1879 in Ulm geborenen Kriegsgegners Albert Einstein ist das Motto unseres diesjährigen Ostermarsches.

Das Zitat stammt aus einem 1933 veröffentlichten Brief an Sigmund Freud.

Einstein schrieb darin weiter:

"Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Krieg verbrauchen, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern. (...) Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder Wirtschaftstraditionen zu machen."

Einstein hat mir aus dem Herzen gesprochen:

Was für eine solidarische Gesellschaft könnten wir bauen, wenn wir die Mittel, die für Rüstung verschwendet werden, für Kinderbetreuung, Bildung, Arbeitsplätze, Gesundheit und Ökologie ausgeben würden!

Stattdessen wird der erzeugte gesellschaftliche Reichtum für Waffen und Kriege verschwendet.

Welch ein Wahnsinn: Seit dem zweiten Weltkrieg wurden über 200 Kriege geführt - mehr als 33 Mio. Menschen wurden getötet!

2005 wurden weltweit 39 Kriege und bewaffnete Konflikte geführt. Täglich sterben Tausende von Menschen, vor allem Zivilisten, Frauen und Kinder, durch Waffen.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass bis zu 80 % der 50 Millionen Menschen, die durch den Krieg entwurzelt werden, Frauen sind. 80 % der Kriegstoten sind, wie in allen modernen Kriegen, ebenfalls Frauen und Kinder. Und es sind die Frauen, die in den Kriegsgebieten ihrer alltäglichen Arbeit nachkommen, Wasser und Brennmaterial beschaffen, Kinder, Alte und Kranke pflegen, das alles unter gefährlichen Umständen. Dazu kommen die Kranken und Verwundeten in der eigenen Familie und oft der Verlust des Ehemannes.

Ich will aus dem internationalen Appell von Frauen gegen den Irak-Krieg zum diesjährigen internationalen Frauentag zitieren:

"Wir haben genug von den grausamen Angriffen auf Zivilisten weltweit.

Zu viele geliebte Menschen haben wir beerdigt, zu viele verstümmelte Leben gesehen - Versehrte an Körper und Seele. Es bereitet uns Horror zu sehen, wie kostbare Ressourcen auf den Krieg verwendet werden, während die Grundbedürfnisse von Familien - Nahrung, Wohnen, Bildung, Gesundheitsversorgung - vernachlässigt werden.

Wir haben es satt, in ständiger Angst vor Gewalt zu leben. Wir haben es satt mit anzusehen, wie das Krebsgeschwür des Hasses und der Intoleranz in unsere Heime und Gemeinden hineinwuchert.

Dies ist nicht die Art Welt, die wir uns für uns und unsere Kinder wünschen. Wir Frauen stehen auf - über alle Grenzen hinweg. Wir tragen Liebe im Herzen und Feuer im Bauch. Wir stehen vereint und fordern ein Ende des Blutvergießens und der Zerstörung."

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

Rüstung tötet nicht nur im Krieg, sondern auch im Frieden.

Ausgaben für Rüstung und Militär binden die Mittel, die für die Bekämpfung von Krankheiten, für den Ausbau der Infrastruktur, für Bildung und andere öffentliche Aufgaben erforderlich wären. Rüstungsaufgaben hemmen die wirtschaftliche und soziale Entwicklung.

Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr 3,4 Millionen Kinder und Mütter an Unterernährung.

Hunger ist heutzutage zu einer Massenvernichtungswaffe geworden, brandmarkt der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler.

Dabei würde das Geld, das die NATO-Staaten in nur einer Woche für die Rüstung ausgeben - ausreichen, um alle Menschen weltweit ein ganzes Jahr lang satt zu machen.

Ich finde, diese Verschwendung ist in höchstem Maße unmoralisch und menschenverachtend!

Wir brauchen das Geld für die Armen, nicht für immer teurere Armeen!

Im Jahrbuch 2005 des renommierten Friedensforschungsinstituts SIPRI fand ich folgende Situationsbeschreibung:

"Die weltweiten Rüstungsausgaben sind im vergangenen Jahr auf mehr als eine Billion Dollar gestiegen und haben damit fast wieder das Rekordniveau aus dem Kalten Krieg erreicht."

Ein Skandal ist die weiter wachsende Schere zwischen Krieg und Rüstungsaufwendungen einerseits und den unzureichenden Mitteln für soziale Entwicklung andererseits.

Der Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei sagte: "Wenn nur ein Prozent der globalen Rüstungsausgaben für das UN-Ernährungsprogramm ausgegeben würde, bräuchte niemand in der Welt hungrig zu Bett zu gehen."

Mit gerade mal 0,28% des BIP oder knapp 4 Mrd. Euro für Entwicklungshilfe sind wir noch weit entfernt von den 0,7%, die von den Vereinten Nationen gefordert werden.

Geld, das für den Kampf gegen Hunger und Armut, gegen Analphabetismus und AIDS, gegen schreiende soziale Ungerechtigkeit in dieser Welt, gegen die wirklichen Ursachen von Terror, Gewalt und Diktaturen dringend benötigt wird!

Wir brauchen endlich eine Politik, die dem Frieden und der Entwicklung dient, statt einer Politik, die unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung die Vormachtstellung der USA ausbauen und die Rohstoffinteressen der westlichen Industrieländer militärisch absichern will.

So entsteht kein Frieden - wie wir im Irak täglich sehen können. Dieser Krieg war falsch und es wird Zeit, dass die Besatzung beendet wird!

Manche scheinen aus dem Fiasko des Irak-Krieges aber nichts gelernt zu haben. Die USA planen anscheinend schon den nächsten Krieg gegen den Iran.

Ich sage: Auch wenn dort ein Antisemit und Leugner des Holocaust regiert - Krieg ist keine Lösung!

Notwendig ist eine Strategie der Deeskalation. Atomare Abrüstung ist das Gebot der Stunde, nicht die Drohung mit taktischen Atomwaffen durch die USA!

Wir wollen eine Sicherheitskonferenz für den Nahen und mittleren Osten mit dem Ziel einer atomwaffenfreien Zone. Und wir fordern die Bundesregierung auf, sich nicht der säbelrasselnden Politik der USA anzuschließen.

Wir wissen alle, dass diese Politik den falschen Feind bekämpft: Solange Armut und Elend, politische Unterdrückung und soziale Ausgrenzung das Alltagsleben der Menschen in vielen Ländern bestimmen, solange werden Extremismus und Fanatismus ihren Nährboden behalten.

Nur eine Politik des Ausgleichs zwischen Arm und Reich und eine weltweite Strategie solidarischer Wirtschafts- und Entwicklungspolitik kann nachhaltig ein friedliches Zusammenleben sichern.

Liebe Friedensfreunde, immer wieder wird versucht uns weiszumachen, dass in Deutschland Geld für Bildung, Gesundheit und Renten fehlt.

Diese Gesellschaft war aber noch nie so reich wie heute. Die Frage ist doch, wo fließt dieser Reichtum hin?

Es wird Zeit, dass dieses Thema wieder in den Vordergrund kommt statt der jämmerlichen Litanei vom Gürtel enger schnallen.

Gleichzeitig wird die Bundeswehr mit den teuersten Waffensystemen aller Zeiten ausgestattet. Mit ca. 25 Mrd. Euro ist der Verteidigungshaushalt der drittgrößte Etatposten.

Ein neues U-Boot vom Typ 212A kostet 460 Mio. Euro - das entspricht den Jahresgehältern von 10.000 Altenpflegerinnen!

Ein Eurofighter kostet 108 Mio. Euro - das sind die Jahresgehälter für 2.300 Erzieherinnen.

Die 180 von der Bundeswehr bestellten Eurofighter kosten uns insgesamt 21 Mrd. Euro Steuergelder. Das entspricht zwar nur einem Prozent des von uns erarbeiteten Bruttoinlandsproduktes. Das ist aber genau die Summe, die im Bildungshaushalt fehlt, um Kindergärten auszubauen, Lehrer einzustellen, Ausbildungsplätze zu schaffen und Hochschulen ohne die unsozialen Studiengebühren vernünftig auszustatten.

Ich glaube, dass es für ein Umsteuern auch Mehrheiten gibt. Was würden wohl die Bürger antworten, wenn sie vor die Frage gestellt würden: Erhöhung der Mehrwertsteuer oder Kürzung des Rüstungsetats?

Ich fordere, dass der Verteidigungshaushalt schrittweise jährlich um 5 Prozent gekürzt wird!

Immer wieder wird behauptet, dass Rüstung Arbeitsplätze schafft.

Etwa 620.000 Beschäftigte, ca. 1,6 Prozent der Beschäftigten in der BRD, werden durch die Ausgaben für Militär und Rüstung finanziert - in den letzten 15 Jahren eine Halbierung. Die Arbeitsplätze dort sind teuer und unsicher.

Internationale Untersuchungen weisen nach, dass z.B. 1 Mrd. Dollar, die in das Gesundheits- und Bildungswesen investiert werden, 2-3 mal so viele Arbeitsplätze schaffen würden wie im Rüstungssektor.

Krieg macht unsere Energieversorgung nicht sicherer, aber Investitionen in regenerative Energien, die zudem noch viele Arbeitsplätze schaffen!

Abrüstung setzt Steuermittel frei für sinnvolle Beschäftigung und zivile Produkte: 90 Prozent der Steuermittel für soziale Bereiche gehen in Löhne und Gehälter, bei der Waffenproduktion weniger als die Hälfte.

Wir wollen Produkte für das Leben statt Waffen für den Krieg!

Für Friedensforschung, zivile Konfliktbearbeitung und Kriegsprävention werden nur lächerlich geringe Mittel ausgegeben.

Während sich die Verteidigungsausgaben der BRD 2005 offiziell auf 25,5 Mrd. Euro (nur Einzelplan 14 / Verteidigungshaushalt) beliefen - tatsächlich waren es insgesamt ca. 30 Mrd. Euro - betrugen die Ausgaben für friedenserhaltende Maßnahmen, zivilen Friedensdienst und Friedensforschung nur 25,5 Mio. Euro.

Da stimmen die Relationen nicht. Wir müssen dieses Verhältnis umdrehen!

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

wenn die Mächtigen der Welt den Krieg vorbereiten, dann müssen wir umso lauter unsere Stimme erheben - für Frieden und Entwicklung überall auf der Welt.

Wir müssen unsere Stimme erheben gegen die unverantwortliche Verschwendung von Mitteln, die für die Armutsbekämpfung, für Bildung, Gesundheit, Nahrung und für einen solidarischen Sozialstaat fehlen.

Wir müssen unsere Stimme erheben für den Ausgleich zwischen Arm und Reich und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung.

Wir müssen unsere Stimme erheben für eine andere Energiepolitik, die die Abhängigkeit vom Erdöl verringert.

Wir müssen unsere Stimme erheben für die weltweite Geltung des Völkerrechts und eine starke UNO.

Wir alle sind Teil einer weltweiten Bewegung.

Uns und unseren Kindern eine bessere Welt zu gewinnen - dafür lohnt es sich zu streiten - nicht nur am Ostermarsch.

Millionen für den Frieden statt Milliarden für den Krieg!



Leni Breymaier ist stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Baden-Württemberg. Vita siehe hier

E-Mail: info-bw@dgb.de

Website: www.dgb-bw.de/sixcms/detail.php?id=2971
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