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Ostermärsche und -aktionen 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede Ostermarsch 2006 in Wiesbaden, 15. April

Liebe Anwesende,

Michael Wilk (in Wiesbaden)

- Es gilt das gesprochen Wort -

der Ostermarsch 2006 steht in engem zeitlichen Zusammenhang zum 20. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl. Am 26.4. 86 kommt es in der Ukraine zum folgenschwersten Super- Gau in der Geschichte der Atomenergie: Der Unfall fordert mehrere zehntausend Todesopfer, (laut Otto-Hug Strahleninstitut München bis zu 70 000 Menschen), noch weitaus mehr erkranken in der Folge an der Freisetzung der radioaktiven Substanzen: 400 000 Menschen müssen mit einem massiv gesteigerten Schilddrüsenkrebsrisiko leben, Tausende sind manifest an Schilddrüsenkrebs erkrankt, der Anstieg an Tumor Erkrankungen allgemein ist horrend.

Das Desaster von Tschernobyl dauert an: der Reaktor strahlt noch immer, die Hülle ist porös und droht erneut zu bersten.

Die sogenannte zivile Nutzung der Atomenergie führte nicht nur in der damaligen Sowjetunion zu folgenschweren Unfällen, auch in der westlichen Hemisphäre mit ihrer angeblich besseren Technik kommt es zu hochgefährlichen Situationen und zu zahlreichen beinahe Katastrophen. 79 in Harrisburg USA (Kernschmelze), 1986 trat im AKW Hamm-Uentrop stark radioaktiv belastetes Helium aus, 1987 entgeht das AKW Biblis knapp einer Katastrophe. Im AKW Brunsbüttel kam es 2001 zu einer Wasserstoff-Explosion, die nur mit Glück keinen Super-GAU auslöste. (die Liste ließe sich noch lange fortsetzen)

Wir stellen fest: Atomkraftwerke sind nicht sicher, sie sind ein nicht tragbares und kalkulierbares Risiko, sie gehören abgeschaltet, sofort und ohne jeden Kompromiss.

Man könnte auch sagen: Das einzige was an einem Atomkraftwerk sicher ist, ist der Profit der Betreiber. Während einige das schnelle Geld machen, bleibt das Risiko jedoch für alle. Es entstehen im atomaren Betrieb radioaktive hochgefährliche Substanzen (z.B. Plutonium, HWZ 24 000 J.) die für viele hunderttausend Jahre von der Biosphäre (Mensch, Tiere, Pflanzen) abgeschirmt werden müssen. Selbst der Sachverständigenrat der Bundesregierung stellt in seinem Umweltgutachten aus dem Jahre 2000 fest: "Eine Abschätzung des Gefährdungspotenzials über einen derartig langen Zeitraum hinweg ist nahezu ausgeschlossen.(...) Der Umweltrat ist davon überzeugt, dass es keinen idealen Standort für Endlager für hochradioaktive Abfälle gibt."

Der noch unter Rot/Grün ausgehandelte faule Ausstiegskompromiss bescherte unveranwortliche Restlaufzeiten, und damit ein verlängertes Risiko mit weiter anfallendem Atommüll. Vor wenigen Tagen wurde in Biblis das Zwischenlager eingeweiht, das heißt, in der dichtbesiedelten Rhein-Main-Region stehen bis zu 40 Jahre lang Castoren randvoll mit hochradioaktivem Atommüll aus den Reaktoren Biblis A und B. Die Reaktoren sollten eigentlich laut Ausstiegskompromiss 2008 und 2010 abgeschaltet werden.

Sollten ! Denn die von Seiten der CDU aktuell forcierten Neubaudiskussionen bezüglich neue Atommeiler ( auch bei uns in Hessen) sollen, so vermuten wir, zumindest auf Kompromissebene zu einer weiteren Verlängerung der Laufzeiten führen.

Wir sagen dazu nein, und wir garantieren einen vermehrten Widerstand gegen solche Menschenverachtenden Pläne. Die Schrottreaktoren in Biblis gehören abgeschaltet, sofort.

Die Argumentationskrücke "AKW`s leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Verhinderung der Klimakatastrophe", ist nicht nur falsch, sondern hieße den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. (nur ca. 6-7 % des globalen Energiebedarfs werden durch Akw`s gedeckt, Uran geht in den nächsten Jahrzehnten zur Neige, Hochrisikotechnologie) Die Perspektiven liegen hier eindeutig im Bereich der Energieeinsparung, sowie der erneuerbaren Energie und nicht im Weiterbetrieb oder schlimmer noch im Ausbau einer letztlich unverantwortlichen Hochrisikotechnologie.

Die verantwortlichen PolitikerInnen sind gefährlich!

Warum: Politikerinnen und Politiker verlieren die Fähigkeit zu langfristigem Denken in dem Maße wie sie in der Hierarchie des Staates etabliert nach oben steigen.

Die planerische Spannweite politischer Intelligenz ist beschränkt, sie bewegt sich meist im Rahmen einer oder bestenfalls weniger Wahlperioden.

Bezüglich der Atompolitik heißt dies, dass wir gefordert sind.

Unser Protest und unser Widerstand ist nötig um Fehlentscheidungen zu verhindern, die unter Umständen für viele weitere Generationen eine tödliche Gefahr bedeuten.

Aus diesem Grund treffen wir uns anlässlich des Tschernobyljahrestags zu einer Demonstration in Biblis um 12.00 Uhr unter dem Motto Atomkraftwaffen abschaffen. Treffen in Wiesbaden HBF Samstag 29.4. 10.30 Uhr.

Die Parole Atomkraftwaffen abschaffen stellt den Zusammenhang zwischen sogenannter friedlicher und militärischer Nutzung her. Ein Zusammenhang der von Anfang an Bestand: Die ersten Meiler dienten nicht zur Erzeugung von Energie sondern zur Herstellung spaltbaren waffenfähigen Materials.

Die aktuelle Diskussion um den Iran oder auch Nordkorea macht diese Problematik brandaktuell.

Der iranische Präsident Ahmadinedschad lässt verlauten, der Iran habe mit der gelungenen Anreicherung von Uran, nicht nur sein Recht auf zivile Nutzung der Atomenergie wahrgenommen, sondern ebenso Zugang zum Club der Atommächte gefunden. Diese Aussage, verbunden mit antiwestlicher und antiisraelischer Rhetorik, liefert eine Steilvorlage für jene politischen Kräfte, die an einer Eskalierung der Situation Interesse haben. Und dies auf beiden Seiten: Die prompten Drohgebärden westlicher Staaten mit Betonung militärischer Optionen folgen ebenso der Prämisse von Drohung und Gegendrohung, wie die Äußerungen des iranischen Präsidenten, der sich eine Stärkung der eigenen Position erhofft, wenn der äußere Druck wächst.

Die Perspektiven sind miserabel. Es stehen sich Kräfte gegenüber die jede Unschuld verloren haben. Einerseits westliche "Ordnungsmächte", allen voran die USA, deren Politik gerne auf menschenverachtende Regime zurückgreift wenn es der Kapital- und Interessenslage der USA nützt, die das Sadam- Regime stützte solange es nützlich war, um später den Irak mit einen "demokratiebringenden" Krieg zu überziehen. Auf der anderen Seite ein autoritäres Mullah - Regime, mit einem Präsidenten dessen Reden vor Antisemitismus nur so strotzen, der nun auf die atomare Option setzt. (auch wenn es noch einige zeit dauern wird bis diese reale Formen annehmen könnte)

Die Strategie der gegenseitigen Verteufelung, eine Hass mobilisierende Fanatisierung, ist dabei fester Bestandteil des Machterhalts. Irrationale religiöse Fundamentalismen werden forciert, um Menschen beherrschbar zu machen. Der Fundamentalismus ist dabei keine ausschließliche Sache einer "islamistischen" Seite. Christlich reaktionäre Fundamentalisten missionieren radikal gegen Aufklärung, Ratio und Evolutionstheorie. Angst vor den Anderen wird geschürt, Ausgrenzung und Abwertung der Anderen ist billiges aber wirksames Mittel der eigenen Identitätsstiftung.

Wenn es nicht die Religion ist, ist es die Kultur, die "Bessere", die "Überlegene". Oder auch mal wieder die nationale Identität, die letztlich den Unterschied machen soll.

Stolz auf Deutschland zu sein (du bist Deutschland), ist der irrationale emotionale Hirnkleister der uns den Blick trübt auf die neue deutsche Rolle in der Welt, militärisch neu geordnet, mit neuen Zielen, Kriseninterventionskräften, Kommando Spezialkräfte u.v.m.

Die nur indirekte Unterstützung der BRD im Irakkrieg sollte eben nicht blind machen gegenüber einer seit Rot/Grün praktizierten neuen militärischen Rolle der Bundeswehr.

Wie ihr hört gibt es viel zu tun.

Natürlich fordern wir ein Ende der Eskalationsstrategie, wir fordern auch ein Ende der militärischen Drohgebärden. Wir fordern den Verzicht auf die atomare Option, im Iran " -aber auch auf Seiten Israels, der USA, in allen Staaten überhaupt.

Wir fordern sogar ein Ende des irrationalen fanatischen Fundamentalismus ....

Ich fürchte jedoch mit Forderungen ist es nicht getan.



E-Mail: dr.m.wilk@gmx.de

Website: www.aku-wiesbaden.de
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