Oster-
märsche
2006


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede bei der Osteraktion 2006 in Augsburg am 15.04.2005 auf dem Königsplatz

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Klaus Stampfer (in Augsburg)

- Es gilt das gesprochene Wort -

vor vier Jahren, also am Ostersamstag 2002, bin ich hier gestanden und habe darauf hingewiesen, dass die Angriffspläne gegen den Irak bereits in den Schubladen liegen. Ich habe davor gewarnt, den Irak anzugreifen, denn ein Krieg gegen den Irak würde die Ermordung von Zehntausenden Menschen, die Zerstörung der Städte und unendliche Leid für die Bevölkerung bedeuten.

Mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wurde ein Jahr später der Irak besetzt. Über 100.000 Menschen, einige Quellen sprechen sogar von über 200.000 Menschen, wurden ermordet. Von den Besatzungsmächten wurden und werden Massaker an der Zivilbevölkerung begangen, von den Besetzungsmächten wurden und werden tagtäglich die elementaren Menschenrechte verletzt. Der Krieg im Irak ist noch immer nicht beendet. Es tobt ein Krieg der Besatzungsmächte gegen die Bevölkerung und ein Bürgerkrieg zwischen den Bevölkerungsgruppen.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

vor vier Jahren wurde der Irak mit den schlimmsten Lügen zum Schurkenstaat erklärt, um den Krieg als einzige Alternative erscheinen zu lassen.

Heute wird uns wieder ein Schurkenstaat präsentiert. Heute heißt dieser "Schurkenstaat" Iran. Für den amerikanischen Präsidenten gehört der Iran zur "Achse des Bösen", so, wie er den Irak zur "Achse des Bösen" gezählt hat. Wieder werden Vergleiche mit Hitler angestellt. Neben der amerikanischen Regierung hat auch Bundeskanzlerin Merkel auf der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz den Vergleich mit Adolf Hitler angeführt.

Mit Unwahrheiten bereiten uns die Medien auf den Krieg gegen den Iran. In der Zeitung lese ich, dass die Uran-Anreicherung im Iran "illegal" ist und nicht akzeptiert werden kann. Bundeskanzlerin Merkel spricht vom Überschreiten der roten Linie. Jeder, der des Lesens mächtig ist und den Atomwaffensperrvertrag liest, wird erfahren, dass der Atomwaffensperrvertrag in Artikel IV jedem Unterzeichner die friedliche Nutzung der Kernenergie ausdrücklich erlaubt.

Im Gegensatz zum Iran verstoßen jedoch die Atomwaffenstaaten England, Frankreich, USA, Russland und China permanent gegen den Artikel VI des Atomwaffensperrvertrages, der sie "zur allgemeinen und vollständigen nuklearen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle" verpflichtet. Darüber hinaus missachtet die amerikanische Regierung mit der kürzlich vereinbarten nuklearen Zusammenarbeit mit Indien, das den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat und Atomwaffen besitzt, den Artikel III . Nach Artikel II hat sich die Bundesregierung verpflichtet "Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen". In Ramstein und Büchel in Rheinland-Pfalz lagern nach wie vor mindestens 65 US-Atombomben und die Bundeswehr stellt mit dem Tornado Trägerwaffen bereit und hat somit bei einem Einsatz auch die Verfügungsgewalt. Auch dies ist ein Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag.

In Deutschland findet übrigens im industriellen Maßstab Uran-Anreicherung statt, also genau das was dem Iran verweigert werden soll. Die Anlage des deutsch-britisch-niederländischen URENCO-Konsortiums in Gronau an der deutsch-niederländischen Grenze wurde sogar jüngst ausgebaut und eine weitere Expansion ist geplant (Online-Zeitschrift "IMI-List", Nummer 0229, 10. Jahrgang, ISSN 1611-2563).

Nicht der Iran bricht den Atomwaffensperrvertrag, sondern es sind diejenigen, die dem Iran internationales Recht vorenthalten.

Liebe Freundinnen und Freunde,

"Israel dem Erdboden gleichmachen, zerschlagen, vernichten, zerstören, tilgen, ausradieren, von der Landkarte löschen" - das habe der iranische Präsident gefordert - lesen oder hören täglich.

Aber betrachten wir genauer, was der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad gesagt hat. Die `New York Times` hat die Rede komplett zur Verfügung gestellt. Einige Sätze davon in deutscher Übersetzung: "Man sagt, eine Welt ohne USA und Zionismus sei nicht möglich. Aber Sie wissen, dass das ein mögliches Ziel und eine mögliche Losung ist. [...] Unser lieber Imam sagte, das Besatzungsregime müsse von der Karte gefegt werden. Und das war eine sehr weise Äußerung. Wir können mit dem Thema Palästina keine Kompromisse machen. [...] Unser lieber Imam zielte auf das Herzstück des Weltunterdrückers in seinem Kampf und meinte damit das Besatzungsregime. Ich habe keinen Zweifel, dass die neue Bewegung, die in Palästina begonnen hat - und wir nehmen das auch in der islamischen Welt wahr - den Schandfleck aus der islamischen Welt entfernen wird."

Es wird klar. Die Äußerungen des iranischen Präsidenten sind in den Medien manipuliert wiedergegeben. Irans Präsident bezeichnet die Beseitigung der Regime, die in Israel und den USA an der Macht sind, als mögliches Ziel. Das ist richtig. Aber nirgends fordert er die Beseitigung oder Auslöschung Israels. Er macht deutlich, dass Veränderungen möglich sind. Das von den USA gestützte Schah-Regime in seinem eigenen Land wurde überwunden. Und so gibt er der Hoffnung Ausdruck, dass auch in Israel bzw. Palästina Veränderungen möglich sein werden.

Eine Reuters-Meldung vom 21.2.2006 bestätigt dies: "Der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki hat [...] dementiert, dass sein Land den jüdischen Staat Israel `von der Landkarte tilgen` wolle. [...] Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad sei falsch verstanden worden. `Niemand kann ein Land von der Landkarte entfernen.` Ahmadinedschad habe nicht den Staat Israel sondern das dortige Regime gemeint [...]. `Wir erkennen dieses Regime nicht als rechtmäßig an.` " (Quelle: http://www.arbeiterfotografie.com/galerie/kein-krieg/index.html)

Ich denke, damit ist auch eine weitere Hetze gegen den Iran entlarvt.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Um die Kontrolle über das immer knapper werdende Erdöl zu bekommen werden die Ermordung von Zehntausenden Menschen, die Zerstörung der Städte und das unendliche Leid in der Bevölkerung in Kauf genommen.

Diese Kriegspolitik lässt sich so beschreiben: Alle Regierungen, die über wichtige Rohstoffe verfügen und sich nicht dem Willen und den Interessen der westlichen Industrienationen unterwerfen, werden ausgetauscht und der Regime-Austausch im Iran steht ganz oben auf der Liste der amerikanischen Regierung, die dieses Mal auch von der Bundesregierung unterstützt wird, um die Kontrolle über das Öl nicht den USA alleine zu überlassen.

Eine Bombardierung Irans würde sich nach einer Studie der Oxford Research Group vom Februar 2006 nicht auf die Nuklearanlagen beschränken. "Ein Luftangriff würde die systematische Zerstörung von Forschungs-, Entwicklungs-, Logistik- und Ausbildungszentren der Atom- und Raketenprogramme bedeuten und auf die Tötung möglichst vieler technisch kompetenter Personen abzielen. Die USA würden bei einem Angriff ... die iranische Luftverteidigung umfassend zerstören, um so drohenden iranischen Vergeltungsschlägen zuvor zu kommen. Dies würde die Zerstörung ... der iranischen Revolutionsgarde und regulärer oder irregulärer Seestreitkräfte erfordern, die potenziell in der Lage wären, die Öltransporte im Golf zu blockieren." Die Oxford Research Group hat in ihrer Studie darauf aufmerksam gemacht, dass ein Luftkrieg bereits in einer ersten Welle zu Tausenden von Toten führen könnte. [Rogers, Paul, "Iran: Consequences of a War"]

Selbst der Einsatz von Atomwaffen ist von der amerikanischen Regierung geplant (08.04.2006 SPIEGEL-Online, Augsburger Allgemeine 10.04.2006) und vom französischen Präsident Jacques Chirac unter dem Beifall von Bundeskanzlerin Merkel nicht ausgeschlossen worden.

Mit dem Einsatz der nuklearen Bombe B61-11, die in der Lage ist tief in den Boden einzudringen, sollen die unterirdischen Nuklearanlagen im Iran vernichtet werden. Für die Militärstrategen stellt sich nach aktuellen Berichten nicht mehr die Frage, ob diese Atomwaffen eingesetzt werden sollen, sondern wie der Atompilz, der bei Atombombenexplosionen in der Atmosphäre entsteht, versteckt werden kann.

Wenn die USA ihre Atomwaffen einsetzen werden, bricht ein Damm. Nicht nur, dass die Zahl der dabei getöteten Menschen ungeheure Ausmaße annimmt, nicht nur, dass durch den radioaktiven Fallout auch wir davon betroffen sein werden, nicht nur, dass damit ein atomares Wettrüsten wieder in Gang gesetzt wird, es werden auch andere Atommächte dem schlechten Beispiel der USA folgen. Und: Die vom Austausch bedrohten Regierungen werden versuchen in den Besitz von Atomwaffen zu kommen, um sich gegen die Entmachtung wehren zu können.

Liebe Freundinnen und Freunde,

um nicht falsch verstanden zu werden hat die Netzwerk Friedenskooperative in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen: Das iranische politische System ist repressiv und autoritär. Die Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten ist immer wieder nicht gewährleistet, streikende Busfahrer landen im Gefängnis und Pressezensur gehört zum Alltag. Dennoch: den Iran als totalitäres System zu bezeichnen ist schlicht falsch und irreführend, zu lebendig ist die Zivilgesellschaft, zu aktiv sind z.B. Frauenrechtlerinnen oder auch KünstlerInnen. Dass Frauen, wie die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi trotz aller Widrigkeiten immer wieder auch erfolgreich für Menschenrechte kämpfen zeigt, dass die politische Landschaft im Iran lebendig ist und das Potential für nötige Reformen durchaus besteht.

Ein iranisches Atomprogramm kann für progressiv denkende Menschen nicht erstrebenswert sein, zu hoch sind die Risiken selbst bei der zivilen Nutzung von Atomenergie, allein das hohe Erdbebenrisiko im Iran sollte nachdenklich machen.

Ein "Demokratieexport" oder "Regimechange" bringt selten Verbesserung, meist stärkt er repressive Tendenzen und zerstört gewachsene Basisstrukturen - siehe Irak. Nicht "der Iran" hat unsere Solidarität verdient, sondern die Menschen im Iran, die sowohl von ihrer eigenen Regierung als auch von USA und den drei europäischen Verhandlungsführern England Frankreich und Deutschland quasi in Geiselhaft genommen werden.

Liebe Freundinnen und Freunde,

unsere Sorge gilt also den Menschen im Iran und einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten.

Der weitere Aufbau einer Drohkulisse gegen den Iran führt in die falsche Richtung. Stattdessen fordern wir:



Nur wirklich konstruktive Verhandlungsangebote können die Mullahs jetzt dazu veranlassen, unter "Wahrung ihres Gesichts" substanzielle Zugeständnisse zu machen und auf das im Nichtverbreitungsvertrag festgeschriebene Recht zum vollen zivilen Brennstoffkreislauf zu verzichten.



Unverzichtbar ist eine Nichtangriffsgarantie für das von US-Basen umzingelte Land sowie die Einleitung eines Friedensprozesses für die Gesamtregion Naher und Mittlerer Osten in Form einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit, die auch eine Atomwaffenfreie Zone unter Einschluss Israels bei gegenseitigen Sicherheitsgarantien und wirtschaftlicher Zusammenarbeit anstreben muss.



Die Abwendung der weiteren Bedrohung durch Atomwaffen lässt sich nur mit der Bereitschaft der Atomwaffenstaaten erreichen, ihre Verpflichtungen zur atomaren Abrüstung aus dem Sperrvertrag zu erfüllen. Deutschland könnte mit der Verbannung der auf deutschem Boden verbliebenen Atomwaffen vorangehen.



Statt des "Recht des Stärkeren" muss wieder gleiches Recht für alle gelten. Nicht nur die besiegten Kriegsverbrecher müssen vor ein internationales Gericht gestellt werden, sondern alle Kriegsverbrecher, auch diejenigen, die die Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan und den Irak zu verantworten haben.



Statt mit Gewalt müssen die Rohstoffe dieser Erde im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftordung verteilt werden.



Da die fossilen Energiequellen begrenzt sind, bleibt uns nicht anderes übrig, als auf regenerative Energien umzusteigen. Die Förderung der regenerativen Energien ist somit ein zentrales Anliegen der Friedensbewegung.


Ich danke Euch.



Klaus Stampfer ist aktiv bei der Augsburger Friedensinitiative (AFI) und Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)

E-Mail: info@augsburger-friedensinitiative.de

Website: www.augsburger-friedensinitiative.de
 voriger

 nächster




       
Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Themen   FriedensForum Ex-Jugo Termine   Aktuelles