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Ostermärsche und -aktionen 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede beim Ostermarsch BaWü 2006 am 15. April in Ulm

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Florian Pfaff (in Ulm)



- Sperrfrist: Redebeginn, 15.04., 14.30 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Florian Pfaff -

ich bedanke mich für die Einladung zu dieser Veranstaltung, weil es mir auch ein persönliches Anliegen ist zu veröffentlichen, was mit Soldaten wie mir getrieben wurde. Auch wenn bekannt ist, dass ich Major der Bundeswehr bin, muss ich vorwegschicken, dass ich hier mein Barett nicht auf habe. Was ich hier sage, ist nicht die Meinung der Bundeswehr, sondern nur meine persönliche Meinung.

Ich habe am 20.03.2003, also zu Beginn des Irak-Kriegs, die Mitarbeit an diesem Krieg verweigert. Ich wurde zunächst eine Woche lang psychiatrisch untersucht. Danach wurde ich von meinen damaligen Vorgesetzten unter Druck gesetzt, nicht mehr zu prüfen, ob ich mich an einem Verbrechen beteilige. Ich sollte diese gesetzlich vorgeschriebene Prüfung pflichtwidrig unterlassen und einfach nur den Befehlen Folge leisten, die man mir erteilen werde. Einem solchen Befehl darf ein rechtstreuer Soldat - egal ob mit oder ohne Gewissen - schon aus juristischen Gründen in keinem Fall Folge leisten. Denn er ist aufgrund von § 5 Wehrstrafgesetz verpflichtet jeden Befehl dahingehend zu überprüfen, ob er sich an einer Straftat beteiligen würde. Meine Vorgesetzten haben dies auch noch dann von mir verlangt, nachdem ich sie darauf hingewiesen hatte, dass dies in meinen Augen eine Straftat darstellt und ich es der Öffentlichkeit und der Staatsanwaltschaft mitteilen müsste. Aber ich sollte zur Mitwirkung am Irak-Krieg, einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, gezwungen werden.

Das Truppendienstgericht hat mich zum Hauptmann degradiert. Das Bundesverwaltungsgericht hat mich aber am 21.06.2005 von allen Vorwürfen freigesprochen und der Bundeswehr bescheinigt, dass es keinen Kriegsgrund gab und die geleistete Hilfe rechtswidrig war. Auch die Staatsanwaltschaft hat das gegen mich begonnene Strafverfahren eingestellt.

Man könnte also beinahe von einer Erfolgsstory mit "happy end" sprechen, wäre da nicht die unglaubliche Haltung des Dienstherrn, das Urteil nicht anzuerkennen. Die Bundeswehr scheint sich zum Teil nicht an Recht und Gesetz, insbesondere an das Urteil, gebunden zu fühlen.

Während das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, dass ich aus Gewissensgründen verweigern durfte, verlangt die Bundeswehr "Loyalität", wie sie das nennt, und meint das Befolgen ihrer rechtswidrigen Befehle. Sie meint, Soldaten wie ich müssten in Angriffskriege folgen. Sie behauptet den Vorrang der Macht des Ministeriums vor dem Grundgesetz. Und sie meint, mich beleidigen zu dürfen, ich habe gar keine existentielle Gewissensentscheidung vorgenommen. Man versucht, mich trotz des eindeutigen Urteils zu meinen Gunsten doch noch zum Gehorsam zu zwingen, der in diesem Fall sicher nicht verlangt werden darf. Dies ist ungeheuerlich, aber noch nicht alles.

Die Bundeswehr fordert auch ganz generell, Soldaten zwingen zu dürfen, Angriffskriege zu unterstützen. Das Bundesverwaltungsgericht ist da ganz anderer Meinung. Es hat festgestellt:

(Zitat):

"Wenn ein Angriffskrieg jedoch von Verfassungs wegen bereits nicht vorbereitet werden darf, so darf er nach dem offenkundigen Sinn und Zweck der Regelung erst recht nicht geführt oder unterstützt werden."

(Zitatende)

In einem Papier des Bundesministeriums der Verteidigung habe ich dagegen den Aufruf gefunden, Soldaten wie mich dazu zu bringen, gegen das Grundgesetz zu verstoßen und das Strafgesetzbuch zu ignorieren:

(Zitat):

"Zwar gehört das allgemeine Gewaltverbot als unabdingbar zwingende Rechtsnorm zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Es ist aber für die rechtliche Bewertung des Verhaltens einzelner an einem Einsatz beteiligter Soldaten und Soldatinnen ebensowenig von Bedeutung wie die zu seiner Durchsetzung bestimmten innerstaatlichen Normen (Art. 26 GG und § 80 StGB). Nur wer Einfluss auf die politische Willensbildung hat, kann gegen das allgemeine Gewaltverbot verstoßen."

(Zitatende)

Damit verlangt die Bundeswehr von mir im Grunde, ich müsse Einfluss auf die Politik nehmen, sich an Recht und Gesetz zu halten. Ich glaube, ich sollte dem in der Tat nachkommen und rufe daher alle meine Kameraden auf:

"Befolgen Sie keine Befehle zum Angriffskrieg - egal, wer Ihnen einredet, Sie müssten solche Befehle befolgen. Bleiben Sie gesetzestreu und machen Sie sich nicht so strafbar wie diejenigen Vorgesetzten, die Ihnen die Ausrede liefern, Sie dürften sogar solche Verbrechen unterstützen. Nicht nur das Vorbereiten, selbstverständlich auch das Unterstützen von Angriffskriegen, steht laut Bundesverwaltungsgericht unter Strafe."

Gestatten Sie mir auch einen Appell an den Herrn Bundesminister der Verteidigung und alle übrigen Politiker unseres Landes:

"Herr Minister, meine Damen und Herren,

beenden Sie das Trauerspiel, dass die Bundeswehr Soldaten wie mich dazu aufruft, auf Befehl auch gegen das Grundgesetz und das Strafgesetz zu handeln und Befehlen zum Führen von verfassungswidrigen Kriegen nachzukommen! Kehren Sie auf den Boden des Grundgesetzes zurück. Machen Sie sich bewusst, dass Sie nur rechtmäßige Befehle erteilen dürfen!"

(Ende meines Aufrufs)

Ich denke, die Bundeswehr täte gut daran, auch den Bruch des Humanitären Völkerrechts in Afghanistan zu beenden und die Soldatinnen und Soldaten, die ausschließlich für den Sanitätsdienst vorgesehen sind, nicht am Maschinengewehr kämpfen zu lassen, wie die Kämpfer, denen das grundsätzlich erlaubt ist.

Ich muss leider feststellen, dass von der Bundeswehrführung derzeit gravierende Verstöße begangen werden. Ich trage daher diese weisse Rose als Zeichen dafür, dass dem Recht eigentlich der Vorrang gebührt. Natürlich bin ich kein Held wie die damaligen Mitglieder dieses Kreises, die im Gegensatz zu unserer heutigen Demokratie in der damaligen Diktatur mit dem Tod bedroht waren.

Aber ich fühle mich angesichts der etwa 100.000 Toten des Irak-Kriegs, an denen wir bereits eine Mitschuld tragen, geistig mit den Mitgliedern der Weissen Rose verbunden, die mit dafür Sorge getragen haben, dass ich hier heute so frei sprechen kann. Auch den Amerikanern haben wir viel zu verdanken, was uns aber nicht verpflichtet, die Fehler der Bush-Administration zu decken und selbst mitschuldig zu werden.

Ich schließe mit dem Ausdruck meiner Hoffnung. Denn nicht nur die herrschende juristische Meinung ist auf unserer Seite. Auch meine derzeitigen Vorgesetzten haben mich, schon vor dem Urteil, massiv unterstützt. Mein Abteilungsleiter hat mich zum Beispiel mit Zitaten für meinen Prozess versorgt. Auch die Münchener Abendzeitung hat sich bekanntlich dieses Themas angenommen und mehrere Seiten, einschließlich der Titelseite, gebracht mit der Schlagzeile:

"München steht auf GEGEN Folter. GEGEN Terror." In diesem Land sind fast alle gegen den Irak-Krieg und das dürfte uns zu der Hoffnung berechtigen, dass wir auch diese schlimmen Zustände, die sich nun zeigen, irgendwann irgendwie in den Griff bekommen. Ich bitte die Justiz, ich bitte Sie, ich bitte die Medien: Helfen Sie mit, reden Sie darüber! Ich stehe im Rahmen meiner Möglichkeiten für jede Podiumsdiskussion zur Verfügung.

In diesem Sinne danke ich Ihnen allen, die Sie hierher gekommen sind für Ihr Engagement für den Frieden und danke ich auch den Veranstaltern, die solche Zusammenkünfte ermöglichen.

Ich darf Ihnen nun meine weisse Rose symbolisch als Dankeschön und als Erinnerung an den heutigen Tag überreichen - in der Hoffnung auf eine friedlichere Welt und dass es gelingen möge, diejenigen, die den Angriffskrieg herbeireden, in ihre Schranken zu verweisen, wie es unser Gesetz befiehlt. Ich danke Ihnen.



Florian Pfaff ist Major der Bundeswehr. Vita siehe hier

E-Mail: f-pfaff@arcor.de
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