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Ostermärsche und -aktionen 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag beim Ostermarsch 2006 in Ramstein am 15. April

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

Klaus Wirtgen (in Ramstein)

Kürzlich habe ich das älteste Museumsdorf Deutschlands besucht. Zu sehen war das Leben der Menschen auf dem Lande vor 200 Jahren. Um eine Feuerstelle im Stall gekauert, war das tägliche Überleben vor etwa 3 Generationen sehr mühselig. Ich kann einen solchen Besuch jedem nur empfehlen, denn diese Perspektive kann sehr heilsam sein. Sehr schnell wird einem klar, wie unabhängig wir heute unser Leben selbst bestimmen können. In einer unglaublich kurzen Zeitspanne der Menschheit haben wir nie da gewesene Freiheiten errungen, dies ist sehr erfreulich, hat aber auch eine Kehrseite, denn: In gleichem Maße ist damit auch unsere Verantwortung gewachsen.

In früheren Zeiten brauchten die Menschen ihre Intelligenz, um sich ihr bescheidenes Dasein ein wenig angenehmer zu gestalten. Mittlerweile sind - in unserer komplexen Gesellschaft - intelligente Problemlösungen für die Menschheit überlebensnotwendig geworden.

Wir verfügen heute technisch über Mittel, die Erde mehrfach zu vernichten und bewirken klimatische Veränderungen, die das Jahrtausende währende Gleichgewicht unseres Planeten stören.

Eigentlich müssten hier und heute Hunderte oder Tausende mit uns demonstrieren, aber die durch technischen Fortschritt gewonnene Freizeit wird nicht für politisches Engagement genutzt. Gefördert wird dies durch eine Reizüberflutung, die lähmt. Beispielsweise Fernsehprogramme rund um die Uhr. Opium für das Volk, um die alte Redewendung von Karl Marx, die hier m.E. hervorragend passt zu gebrauchen.

Um so wichtiger ist es, dass wir, die Ostermarschierer, gegen jeden Trend, gleichsam einem Gewissen, aufstehen und sagen, was heute im Argen liegt! Was passiert eigentlich momentan mit uns, oder anders gefragt, was lassen wir mit uns machen?

Ostermarsch 2006, Ramstein, Friedensinitiative Westpfalz (FIW) S. 2 von 2 Ich möchte nur einige im Flugblatt aufgelistete Unerträglichkeiten im Zusammenhang mit dem Kriegsflughafen Ramstein herausgreifen.

1.) Krieg von deutschem Boden ausgehend

Art. 26 des GG regelt, dass Handlungen, die geeignet sind, ... das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen sind. Ein Urteil des BverwG -im Zusammenhang mit der Befehlsverweigerung von Florian Pfaff- führt aus, dass gravierende völkerrechtliche Bedenken bestehen, gegen Unterstützungsleistungen Deutschlands beim Irakkrieg in Form von Überflugrechten, Nutzungsgewährung und Schutz von US-Militäreinrichtungen.

Es wird ausdrücklich betont, dass die NATOmitgliedschaft Deutschlands - auf die man sich so gerne beruft - die Unterstützung völkerrechtswidriger Handlungen auf keinen Fall rechtfertigt. Das bedeutet: Wir - und hier kann man sagen: Wir sind Deutschland. Wir verstoßen mit der Airbase gegen internationales Völkerrecht.

2.) Flüge in Foltergefängnisse

Dass die nachgewiesenen sog. Folterflüge völker- und menschenrechtswidrig sind, brauche ich nicht auszuführen. Zwar ermittelt die Staatanwaltschaft Zweibrücken bereits, aber voraussichtlich ohne Erfolg, wegen fehlender Kooperation von USSeite.

3.) Atomwaffen in Deutschland

Lt. NVV von 1970 darf außer China, Frankreich, Großbritannien, der UDSSR und den USA kein anderes Land legal Atomwaffen entwickeln oder erwerben. Es besteht die vertragliche Verpflichtung die Atomwaffen abzuschaffen.

Man könnte einwenden, andere Länder haben doch auch bereits Atomwaffen. Rechtsverstöße sind aber nicht damit zu rechtfertigen, dass man sagt, andere machen es doch auch. Der Internationale Gerichtshof von Den Haag hat am 8. Juli 1996 festgestellt, dass Androhung und Gebrauch von Atomwaffen gegen das Völkerrecht verstößt. Konsequenz kann nur sein: Atomwaffen sind Massenvernichtungsmittel und gehören weltweit verboten und geächtet.

4.) Ausbau der Airbase trotz 13.000 Einwendungen.

Die Ignoranz der Politiker ist erschütternd. Die luftrechtliche Genehmigung des Ausbaus der Airbase wird mit dem Satz begründet: "Für den Ausbau des Flughafens Ramstein sprechen zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses". Die ökologische Verträglichkeit wird durch Stellungnahmen des Amts für Wehrgeophysik bestätigt. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht. Allein diese 4 Beispiele zeigen wie "verrückt" die gegenwärtige Politik in Zusammenhang mit dem Kriegsflughafen Ramstein ist Trotz offensichtlichem Verstoß gegen das Völkerrecht wird seitens der verantwortlichen Politiker - besonders in RLP - dem US-Militär der rote Teppich ausgerollt.

Innenminister Bruch warb kürzlich für den Bau von 500 Einfamilienhäusern. Nein er warb nicht, er verpflichtete, indem er sagte: Wir müssen Wohnraum schaffen, denn die Soldaten sagen: Wir wollen so wohnen wie ihr.

Allerdings- das ergänze ich - in ruhigen Wohngegenden, etwa um die Mammutbäume, wo dann weitere Teile eines Naherholungsgebietes für die einheimische Bevölkerung wegen "zwingender Gründe des öffentlichen Interesses" platt gemacht werden. Es stellt sich die Frage: Können wir denn überhaupt noch etwas tun? Ja! " durch solche Veranstaltungen wie heute und dem stetigen Engagement vieler Einzelner!

Unser Rechtsstaat gründet sich auf eine Verfassung, die aus der Erfahrung zweier Weltkriege entstanden ist. Gleichzeitig gilt international oder besser transnational die UN-Charta. D.h. es gibt ganz eindeutige Gesetze. Keine Richtlinien, nein, gesetzliche Verpflichtungen, in denen beispielsweise die Würde des Menschen festgeschrieben ist, aber auch die Bedingungen des Zusammenlebens der Nationen. Die Menschenrechte, das Völkerrecht - zu Recht stolz verkündete Errungenschaften menschlicher Zivilisation. Eigentlich Selbstverständlichkeiten, die leider hier und jetzt im Jahre 2006 erneut ausgesprochen werden müssen und deren Einhaltung gefordert werden muss. Fordern wir an erster Stelle die Einhaltung des Grundgesetzes, des Völkerrechtes und gemäß NVV die Abschaffung der Atomwaffen, und lösen wir uns von der Vorstellung, diese Region bräuchte das Militär. Gleichermaßen sind wir Grundsätzen der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet. Jedem leuchtet sofort ein, dass wir die Erde nicht so zu Grunde richten dürfen, dass unsere Nachkommen nicht mehr leben können. Hierfür gibt es aus der Sicht der Verantwortlichen offenbar keine "zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses"

So wird momentan die Autobahn A6 sechsspurig ausgebaut, Grundwasserverschmutzung durch das US-Militär ist ein Kollateralschaden, genauso wie die Gesundheitsgefährdung durch das Ablassen von Flugbenzin oder die Gesundheitsgefährdung durch Abgase von mehr als 37000 militärischen Flugbewegungen jährlich. Ich habe am Anfang von intelligenten Ansätzen zur Lösung der Menschheitsprobleme gesprochen. Dazu gehört sicher keine ressourcenverschlingende unproduktive militärische Anlage, mit der man den Zugang zu immer knapper werden Rohstoffen freibomben will.

- Dieser Dinosaurier ist ein Auslaufmodell.

Die Zukunftsperspektive kann nur heißen:

- Weg vom Öl,

- Weg von nuklearer Energiegewinnung, Hin zu regenerativer Energiegewinnung, wie Biogasanlagen, dezentrale Energieversorgung, Umstellung auf Hybrid-, Alkohol- und letztlich Wasserstoffautos.

Dies wäre ein sehr guter Ansatz für ein Konversionsprojekt hier in Ramstein mit vielen Arbeitsplätzen.

Unsere Gesellschaft kann sich den Luxus eines milliardenverschlingenden Militärs schlichtweg nicht mehr leisten.

Dies gilt gleichermaßen für die Bundeswehr. Die MwSt. wird erhöht, die Sozialleistungen immer drastischer beschnitten, weil kein Geld mehr da ist.

Und obwohl wir lt. Grundgesetz ausschließlich eine reine Verteidigungsarmee haben dürfen und nicht bedroht werden, wird für Milliarden Euros hochgerüstet für den weltweiten Einsatz.

Wann zieht Deutschland endlich die Konsequenz aus der Erfahrung zweier Weltkriege, die nur massive Abrüstung sein kann. Ich fasse noch einmal die Aspekte Ramstein betreffend zusammen: Krieg von deutschem Boden ausgehend, Atomwaffen, Folterflüge, Umweltzerstörung großen Ausmaßes, die nur dazu dient, diese völkerrechtswidrigen Aktivitäten aufrecht zu erhalten und auszubauen sind unverantwortlich und müssen von uns angeprangert werden.

Wir fordern von den verantwortlichen Politikern, umgehend dafür zu sorgen, dass geltendes Recht und Gesetze in Deutschland wieder eingehalten werden. Der derzeitige Zustand ist unerträglich. 60 Jahre Airbase Ramstein sind genug oder sogar schon zu viel. Kürzlich las ich:

Tradition heißt nicht automatisch, dass alles gut ist. Man kann auch jahre- oder jahrzehntelang alles falsch machen. Dies trifft für eine andere Tradition, nämlich die, die wir morgen feiern, mit Sicherheit nicht zu.

In diesem Sinne wünsche ich allen: Frohe Ostern.



E-Mail: klawir@web.de
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