Oster-
märsche
2006


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag zum Ostermarsch in Augsburg am Samstag, 15.04.06

Liebe Friedensfreundinnen und Freunde!

Christian Artner-Schedler (in Augsburg)

Im lateinischen gibt es einen Spruch, der heißt "quod licet iovi, non licet bovi - was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt". Und wenn ich recht sehe, erfreut sich dieser Spruch großer Beliebtheit und wird gerne in der westlichen Realpolitik angewandt.

Sprich:



Was den Atommächten erlaubt ist, ist dem Iran noch lange nicht erlaubt



Was Israel erlaubt ist, ist den Palästinensern noch lange nicht erlaubt



Was Chirac mit Zustimmung der dt. Bundeskanzlerin erlaubt ist, ist Ahmadinedschad noch lange nicht erlaubt



Was einbürgerungswillige Ausländer wissen müssen, muss ein "Deutscher" noch lange nicht wissen



Was der westlichen Welt erlaubt ist, ist der islamischen Welt noch lange nicht erlaubt



Was einem Ackermann an Gehaltserhöhung erlaubt ist, ist für Otto-Normal-Verdiener noch lange (ja gar nicht) möglich



Was in Abu Greihb und auf Guantanamo usw....


Dies ist kein Weg der Gleichberechtigung und der Gerechtigkeit und damit kein Weg zum Frieden.

Vielleicht liegt in diesem Grundverständnis gerade ein Hauptpfeiler einiger Konflikte weltweit.

Dazu möchte ich kurz aus einer hervorragenden gemeinsamen Stellungnahme vom 21.03.06 der Trägerverbände des Projektes "Christlich-islamischer Friedensarbeit in Deutschland" zitieren. Dazu gehören von muslimischer Seite der Zentralrat der Muslime in Deutschland, Schura, Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, von christlicher Seite die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden und pax christi.

"Der Westen muss endlich zur Kenntnis nehmen und sich ernsthaft darauf einstellen, dass die Traumata, Verletzungen und Demütigungsgefühle der Kolonialzeit in der islamischen Welt nach wie vor lebendig und gegenwärtig sind. Europa und der Westen bedeuten gefühlsmäßig nach wie vor: Kanonenboote, Unterwerfung und Ausbeutung. Sowohl die wirtschaftliche Dominanz wie auch die politische Unterstützung autokratischer Systeme zeigen den Westen in den Augen der muslimischen Bevölkerungen nicht als Botschafter der Moderne, sondern nach wie vor als Hegemonialmacht, der es nicht um Werte, sondern um Beherrschung geht. Das Unvermögen gegen diese Übermacht anzukommen und an der Chancengleichheit und Freiheit des Westens partizipieren zu können, schafft ein Gefühl der eigenen Minderwertigkeit und Feindschaft gegen das Fremde, von Bewunderung und Verachtung, Neid und Hass, das den emotionalen Nährboden für unzählige Menschen in der orientalischen Welt bildet. Vor allem Jugendliche, die keine Perspektive für sich sehen, sind davon erfasst."

Liebe Friedensfreundinnen und Freunde

Europa muss es endlich schaffen - wenn nötig in Abgrenzung zur amerikanischen Politik - die islamische Welt als gleichberechtigte Partner anzuerkennen und einen ehrlichen Dialog "auf Augenhöhe" zu führen.

Dieser interreligiöse und interkulturelle Dialog ist heute sicher eine wichtige Herausforderung gerade für alle Friedensbewegten. Fordern wir dies auch deutlich von der herrschenden Politik.

Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Die Äußerungen des iranischen Präsidenten in Bezug auf Israel sind inakzeptabel und eine Atomwaffenmacht Iran wäre eine völlig falsche Entwicklung. Aber der Weg kann nur heißen:



Weg von Gewalt und Atomkriegsandrohung zur Durchsetzung machtpolitischer und wirtschaftlicher Interessen Krieg ist die verbrecherischste Form von Gewalt und selbst Terror



Weg mit den Atomwaffen der sog. erlaubten Atomländer durch vollständige atomare Abrüstung



Weg mit der Ungleichbehandlung der Länder und der Doppelmoral in Bezug auf Menschenrechte und Demokratie


Langfristig hin zu



vertrauensbildenden Maßnahmen mit der islamischen/ arabischen Welt mittelfristig hin zu



Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in Nah- und Mittelost Kurzfristig hin zu



einer Nichtangriffsgarantie gegenüber dem Iran



zu einem Moratorium von 6 Monaten, um neues Nachdenken zu ermöglichen


Ich möchte und kann hier nicht alle sinnvollen und bereits von kompetenten Friedensfachleuten vorgeschlagenen Schritte der Deeskalation mit dem Iran anführen. ( siehe dazu Infotisch )

Als christliche Friedensorganisation stärken uns gerade die kommenden Ostertage, dass das Leben über den Tod siegt. Wir sind es selbst, die an diesem Aufstand für das Leben, wo immer es bedroht, verletzt oder vernichtet werden soll mitwirken müssen.

Lasst uns diesen Ostermarsch als Ermutigung erfahren auf dem langen Weg zum Frieden - im Fernen und im Nahen.

Lassen wir nicht zu, dass nach der zunehmenden Eskalation wieder ein Krieg steht - die Folgen werden noch verheerender sein als im Irak.

Mobilisieren wir die öffentliche Meinung für eine gewaltfreie Konfliktlösung.

Ich möchte mit einem Kraft gebenden Text der palästinensischen Friedensaktivistin Faten Mukarker enden, die auf die Situation ihres Landes eingeht und einen versöhnenden Weg aufzeigt.

"Ein Aufruf an die Friedfertigen oder ein Tag der Hoffnung

Der Graben zwischen uns ist tief - doch wir können springen.

Die Trauer über die Toten ist groß- doch wir können vergeben.

Die Häuser sind zerstört - doch wir können wieder aufbauen.

Die Olivenbäume sind ausgerissen - doch wir können neue pflanzen.

Das Leid ist groß - doch wir können verzeihen.

Die Wunden hinterlassen Narben - doch wir können vergessen

Die Gegenwart ist dunkel - doch wir können träumen

Die Seelen beider Völker sind verletzt - lasst uns sie gemeinsam heilen.

FRIEDEN bedeutet LEBEN - lasst uns um ihn kämpfen"

In diesem Sinne wünsche ich ihnen allen friedfertige und lebendige Ostertage.



Christian Artner-Schedler ist Referent für Friedensarbeit bei der pax christi Bistumsstelle Augsburg.

E-Mail: pc.augsburg@gmx.de
 voriger

 nächster




       
Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Themen   FriedensForum Ex-Jugo Termine   Aktuelles