Oster-
märsche
2006


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede auf der Kundgebung vor der Kasernenanlage Hohe Düne in Rostock, Ostermarsch 2006, 15.4.06

Liebe Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer,

Cornelia Mannewitz (in Rostock)

wer heute mit der Fähre zu uns gekommen ist, der hat von Hohe Düne als erstes Folgendes gesehen:

die Yachthafenresidenz Hohe Düne mit Kongresszentrum, Boutiquen, Bars, Restaurants und Fünf-Sterne-Hotel und natürlich Yachthafen mit Internetzugang am Bootssteg, Brötchenservice und Shuttle zu Bahnhof und Flughafen, neuerdings auch ein Anziehungspunkt für die Hanse Sail,

die Anfänge des Wohnparks Hohe Düne mit fast 700 Wohnungen in 1-A-Lage am Wasser.

Diese auch sehr (wie man sagt) hochwertigen, auch touristisch bedeutsamen zivilen Einrichtungen lassen manchmal vergessen, dass wir uns hier und im Umkreis an einem wichtigen Standort der Bundeswehr befinden.

1.100 Soldaten sind in Hohe Düne stationiert. Die Fläche des Stützpunktes beträgt 248 Hektar an Land (hier stehen 92 Gebäude) und 86 Hektar Hafen (hier liegen zur Zeit zwei Tender, zehn Schnellboote, bestückt mit Flugkörpern, - die deutsche Schnellbootflottille - und ein Ölauffangschiff).

Das ist natürlich nur ein Teil der Marine. Die deutsche Marine hat 14 Fregatten, 20 Minensuchboote, außerdem Schnellboote, U-Boote, Versorger, schwimmende und fliegende Einheiten. Mehr als 20.000 Soldaten gehören zur Marine.

Nach Auffassung der Flottenführung ist die Marine trotz knapper Kassen für die Zukunft gut aufgestellt, auch im internationalen Vergleich. Allerdings transformiert sie sich. In den nächsten Jahren werden Einheiten verlagert und Standorte umgebaut. Der Standort Rostock und Hohe Düne soll dabei noch wichtiger werden. Der ehemalige Inspekteur der Marine sagte dazu: "Hohe Düne ist eine Perle unter unseren Stützpunkten und für die Marine so wichtig wie Kiel und Wilhelmshaven." [OZ vom 27.2.06, S. 3] Allein seit 2000 wurden in Hohe Düne 40 Millionen Euro investiert.

Die Versorgung und Ausrüstung aller ca. 90 Kampfschiffe und Boote der deutschen Marine besorgt der Logistikbereich des Marineamtes. Dieses wurde vor wenigen Jahren verlegt - nach Rostock. Damit wird auch die Ausbildung der Marinesoldaten und die gesamte Infrastruktur der Marine von Rostock aus verwaltet. Bis 2010 sollen auch Teile des Stabes der Flotte aus Bremerhaven nach Rostock kommen. Rostock wird also ein immer wichtigeres Führungszentrum für die Marine.

Insgesamt will die Marine in den Ausbau ihrer Standorte in Mecklenburg-Vorpommern bis 2011 noch einmal 41 Millionen Euro investieren. Davon entfallen 36 Millionen auf Rostock, genauer: auf den Marinestützpunkt Hohe Düne. Bis 2008 werden hier fünf Korvetten stationiert. Dazu müssen unter anderem der Stützpunkt verbreitert, Brücken gebaut und der Hafen ausgebaggert werden. Hohe Düne wird dann der modernste Marinestützpunkt Deutschlands sein. Fast schon keine Rolle spielt da der Preis für eine Korvette: 240 Millionen Euro. Eine Korvette hat außerdem 65 Mann Besatzung und braucht weiteres Personal für Wartung und Versorgung.

Dieser Tage wurde anlässlich des Befehlshaberwechsels in der Flotte von einem noch weiteren Ausbau des Marinehafens Rostock-Warnemünde gesprochen. Möglicherweise wird die sogenannte Rüstungsflotte hier stationiert (das sind Sicherungsboote für das Schießgebiet der Marine in der Hohwachter Bucht vor Schleswig-Holstein). Dazu kämen weitere Marineschutzkräfte zur Objektsicherung.

Das alles bedeutet auch einen weiteren Ausbau der Marine als Wirtschaftsfaktor für die Region. Allein die Werften des Landes haben 2005 Aufträge für Überholung und Neubau von Kriegsschiffen im Umfang von 21 Millionen Euro erfüllt. Dass damit die wirtschaftliche Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern noch enger zusammenhängt mit der Entwicklung der Instrumente militärischer Macht, kann uns als Friedensbündnis nicht gleichgültig sein.

Mit ebensolcher Besorgnis sehen wir Schiffe und Mannschaften von Hohe Düne bei Auslandseinsätzen:

Auslandseinsätze gehören inzwischen auch für die Marine zum Alltag. Man begründet das unter anderem mit der terroristischen Bedrohung, zum Beispiel für deutsche Rohstoffimporte, die über See kommen. Eine bekannte Argumentation. Was ist alles möglich? Es geht natürlich auch um die Begleitung militärischer Aktionen. Militärische Aktivitäten auf dem Wasser finden heute nicht mehr als Seeschlachten statt. Seit Anfang der 90er Jahre haben Kriegsschiffe Begleitschutzaufgaben, oder sie unterstützen militärische Aktionen an Land von See aus, in "entfernten Randmeeren" (so die Bundeswehr-Terminologie). 2002-2003 haben Schnellboote aus Hohe Düne mit Aufgaben der Seeraumüberwachung an der Operation Enduring Freedom im Golf von Aden am Horn von Afrika teilgenommen, 2003-2004 an der Operation Strait of Gibraltar am Eingang zum Mittelmeer. Ab Dezember 2006 werden vier Schiffe aus Hohe Düne wieder zu "Identifikation, Überwachung und Aufklärung" am Horn von Afrika eingesetzt sein. Sie übernehmen die Führung des dortigen multinationalen Verbandes.

Und: Laut Presseberichten forderte der scheidende Chef der Flotte ein Seesicherheitsgesetz. Ein solches Gesetz sollte es der Marine erlauben, zur Gefahrenabwehr präventiv tätig zu werden. Einen Einsatz der Marine gemäß einem solchen Gesetz halte er auch für sinnvoll - und auch das geht uns in Rostock unmittelbar an - zum Beispiel 2007 zum G-8-Gipfel im Ostseebad Heiligendamm [NNN vom 13./14.4.06, S. 1].

Hohe Düne hat seit 1913 auch ein militärisches Gesicht. Es war zunächst Seefliegerhorst. Hier fanden auch Flugwettbewerbe statt.

Während des Ersten Weltkriegs wurde der Flughafen ausgebaut. Auf dem Stützpunkt Hohe Düne war ein Seeflugversuchskommando stationiert, das neue Flugzeuge, Waffen und Ausrüstungen zu testen hatte.

Nach dem Ersten Weltkrieg führte eine Fluglinie Berlin - Warnemünde - Kopenhagen - Stockholm über Hohe Düne.

1922 mietete der Flugzeugkonstrukteur Ernst Heinkel eine Flugzeughalle und begann mit dem Bau von Flugzeugen; er blieb dort bis 1934. Später siedelte sich auch Arado hier an.

1925 entstand in Hohe Düne die Seeflug GmbH, in Wirklichkeit eine Ausbildungsstätte der Marine für Seeflugzeugführer und -beobachter.

1945 wurde Hohe Düne für kurze Zeit noch einmal Verkehrsflugplatz, als Ersatz für Berlin-Tempelhof.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Flugplatzanlagen in Erfüllung des Potsdamer Abkommens gesprengt oder demontiert.

1945 bis 1956 wurde Hohe Düne von den sowjetischen Seestreitkräften als Ausgangsbasis für Minensuche und Küstensicherung genutzt.

1956 bis 1990 war in Hohe Düne die 4. Flottille der DDR-Marine stationiert.

Nach 1990 blieb Hohe Düne Militärstandort.

1994 wurde die Schnellbootflottille der Marine hierher verlegt.

Und im zivilen Bereich: Ab 1953 entstand auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes von Arado die erste AWG-Siedlung der DDR. Gebaut wurden 96 Häuser. In ihnen wohnten Arbeiter der Warnowwerft. Heute stehen diese Häuser unter Denkmalschutz. In dem Namen "Platz des Friedens" für den Platz, auf dem wir hier stehen, drückten die Bewohner von Hohe Düne ihre Erfahrungen mit dem zerstörerischen Krieg aus, den sie erlebt hatten. Diesen Gedanken sollten wir weitertragen.



E-Mail: cornelia.mannewitz@uni-rostock.de

Website: rostocker-friedensbuendnis.de
 voriger

 nächster




       
Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Themen   FriedensForum Ex-Jugo Termine   Aktuelles