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Ostermärsche und -aktionen 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede beim Ostermarsch Rheinland 2006 in Düsseldorf am 15. April

Liebe Freundinnen und Freunde,

Ulla Jelpke (in Düsseldorf)

Wir sind hier, um unseren Protest zu bekunden gegen eine Politik, die immer mehr aufs Militär und immer weniger auf ziviles und friedliches Zusammenleben setzt.

Wir sind hier, um den Herrschenden in der BRD, in der EU und der Nato zu zeigen: Ihr handelt nicht in unserem Namen!

Sie handeln nicht in unserem Namen, wenn sie behaupten, die Sicherheit zu verteidigen, indem sie Afghanistan und den Irak besetzen, in den Kongo marschieren und den Iran bedrohen.

Sie reden von Sicherheit, aber sie meinen die Sicherheit der Ausbeutung und der Plünderung von Rohstoffen, sie meinen die Sicherheit ihrer eigenen Herrschaft.

Sie schildern uns in schrillen Farben die Gefährdung, die von islamistischen Terroristen ausgehe und der wir angeblich am Hindukusch begegnen müssten.

Sie stellen die Fußball-Weltmeisterschaft als Hauptziel von Terroristen dar, sie beschwören die Gefahr, dass Flugzeuge in die Bankentürme in Frankfurt rasen, sie reden dabei heuchlerisch von Menschenrechten, und immer lauter fordern sie den Einsatz der Bundeswehr im Inland.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Wir fallen auf diese Propaganda nicht herein!

Der Völkermord, der 1999 im Kosovo stattgefunden haben soll, hat sich als Kriegslüge herausgestellt. Von den Massenvernichtungswaffen im Irak ist nicht eine einzige aufgetaucht. Genausowenig steht der Iran vor einem atomaren Erstschlag - und das auszusprechen, hat nichts mit irgendwelcher Sympathie für einen antisemitischen Hetzer zu tun!

Fragt man die Bundesregierung, welche konkreten Erkenntnisse über terroristische Gefährdungen eigentlich vorliegen, kriegt man jedes Mal zur Antwort: Keine!

Aber das hindert sie nicht, über die Massenmedien eine regelrechte Angstkampagne zu betreiben, und wie der Retter aus der Not erscheint dann die weitere Aufrüstung von Polizei und Militär.

Jedes Problem, und seien es streikende Arbeiter, wird heute als Sicherheitsproblem bezeichnet. Und Sicherheitsprobleme, so die Logik der Herrschenden, rechtfertigen Sondergesetze.

70 Prozent des Etats im Innenministerium, fast drei Milliarden Euro, sind für die so genannte Sicherheit vorgesehen. Im Klartext: Die Repressionsapparate werden gestärkt, noch mehr Daten gesammelt, noch mehr Menschen ins Elend abgeschoben. Immer mehr Freiheitsrechte bleiben auf der Strecke. Polizei und Geheimdienste arbeiten immer enger zusammen, auch auf internationaler Ebene, wo sich ein arbeitsteiliges Folternetzwerk etabliert hat.

Liebe Freundinnen und Freunde,

das eigentliche Sicherheitsproblem ist diese Bundesregierung mit ihrer verfassungswidrigen Politik!

Sie ist es, welche die Grundrechte aushebelt, welche die Bundeswehr in verfassungswidrige Angriffskriege hetzt und die Bestimmungen des Grundgesetzes immer weiter aushöhlt!

Und wir sind es, die dieser Politik Widerstand entgegensetzen müssen!

Den nächsten Angriff auf die Verfassung hat die Große Koalition seit Monaten vorbereitet: Den Einsatz der Bundeswehr im Inland.

Über 7.000 deutsche Soldaten sind derzeit in aller Welt stationiert, sie nehmen Besatzeraufgaben wahr und geben ihren Verbündeten Rückendeckung für weitere Angriffskriege. Aber das reicht offenbar nicht mehr: Nach der Militarisierung der Außenpolitik soll nun die Militarisierung der Innenpolitik erfolgen.

Den aberwitzigen Plan, mit dem Luftsicherheitsgesetz zivile Passagiermaschinen abzuschießen, hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht gestoppt. Aber anstatt sich daran zu halten, denkt die Regierung fieberhaft darüber nach, mit welchen zweideutigen Formulierungen sie das Urteil umgehen kann. Sie will mit aller Gewalt die Bundeswehr in die Innenpolitik marschieren lassen, die Verfassung ändern und das, was bisher unter "Verteidigung" verstanden wird, willkürlich umdefinieren.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Die Fußball-Weltmeisterschaft soll dabei als Türöffner dienen. Seit Monaten wird die WM generalstabsmäßig vorbereitet - und ich meine im wörtlichen Sinne "generalstabsmäßig".

Die Bundeswehr ist fester Bestandteil der Vorbereitung, sie ist bei jedem Manöver dabei, sie stellt die Logistik für Zeltstädte, Evakuierungsmaßnahmen und Notfallversorgung. Bis zu 7000 Soldaten will Schäuble einsetzen, und über allem kreuzen die AWACS-Flugzeuge. Der Generalinspekteur der Bundeswehr spricht davon, er müsse "Truppe in Verfügung" halten, um die WM als militärische Herausforderung zu meistern.

Wo leben wir eigentlich, wenn so an ein Sportereignis herangegangen wird?

Innenminister Schäuble hat vor wenigen Wochen gesagt, er verstehe nicht, wieso die Bundeswehr nicht im Inland eingesetzt werden dürfe.

Soll das heißen, der Innenminister versteht die Verfassung nicht, auf die er vereidigt ist?

Das wäre ja nicht das erste Mal.

Aber ich glaube, er versteht sie sehr wohl. Er weiß sehr genau, dass Militär im Inland immer eingesetzt wurde, um gegen demokratische Bewegungen vorzugehen, sei es gegen die Revolution 1918, sei es gegen die Linksregierungen in Thüringen und Sachsen 1923.

Schäuble sagt, die Politik müsse "an einem neuen Weg arbeiten".

Liebe Freundinnen und Freunde,

dieser Weg ist nicht neu, er ist im Gegenteil uralt, und wir wissen, dass er in Krieg und Elend führt.

Ich rufe Euch auf: verweigern wir uns diesem Weg, lasst uns eine völlig andere Richtung einschlagen, gegen Kriegstreiberei und Unrecht!

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Planungen für Kriegseinsätze im Inland wie im Ausland finden auch hier vor Ort, auch hier in Düsseldorf statt. Ich will nur drei Beispiele nennen:

Die Firma Rheinmetall, die seit Jahrzehnten Kriegswaffen produziert, hat vor wenigen Wochen einen neuen Geschäftsbereich namens "Öffentliche Sicherheit" geschaffen.

Rheinmetall will sich damit der Ausstattung und dem Training von so genannten Sicherheitskräften widmen und außerdem der Grenzsicherung.

Grenzsicherung, das heißt: diejenigen Menschen, die vor den Auswirkungen der Rheinmetall-Waffen und ihrer Sicherheitskräfte fliehen, sollen an der Festung Europa verbluten, so wie es die ganze Welt erst vor wenigen Monaten in den spanischen Exklaven in Nordafrika sehen konnte!

Das zweite Beispiel: Die Düsseldorfer Firma ecolog ist überall zur Stelle, wo die Bundeswehr hinmarschiert, übrigens auch im Irak. Die Firma entlastet die Bundeswehr, indem sie ihr die Sorgen um Müllentsorgung und Wasseraufbereitung abnimmt. Das sind scheinbar profane Dinge, aber sie sind unentbehrlich, um Auslandseinsätze durchführen zu können. Ecolog betreibt Beihilfe zur Kriegführung und nichts anderes!

Drittens: Die Bundeswehr will am 13. Juni einen Großen Zapfenstreich in Düsseldorf abhalten. Soldaten sollen vom Rathaus zum Ehrenhof ziehen, mitten durch die Stadt, und bei nächtlichem Fackelschein ein vormodernes Szenario durchführen.

Solche Militäraufmärsche sind ein widerliches Spektakel, das wir ablehnen!

Die Militarisierung des öffentlichen Raums zielt punktgenau darauf, Militär und Krieg als normalen Bestandteil unseres Lebens erscheinen zu lassen. Wir sollen uns daran gewöhnen, dass Soldaten in Uniform und mit Waffen in der Hand auf unseren Straßen patrouillieren.

Nein, Liebe Freundinnen und Freunde,

daran werden wir uns nicht gewöhnen!

Solchen Entwicklungen stellen wir uns in den Weg- und das meine ich, gerade im Blick auf den Zapfenstreich, ebenfalls wörtlich!



E-Mail: ulla.jelpke@bundestag.de

Website: www.ulla-jelpke.de
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