Ostermärsche und -aktionen 2007

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09.04.2007


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Ostermärsche und -aktionen 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag beim Ostermarsch 2007 am 09.04. in Frankfurt

Liebe Freundeinnen und Freunde,

Thomas Carl Schwoerer (in Frankfurt)

- Sperrfrist: Ostermontag, 09.04.07, 14 Uhr -

- Es gilt das gesproche Wort -

ich spreche zu euch als Bundessprecher und Aktiver der Gruppe Frankfurt der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, der ältesten und einer der wenigen bundesweiten Friedensorganisationen, gegründet 1892.

Farzaneh Sharifi aus dem Iran hat uns wichtige Sachen gesagt. Auch wir machen uns große Sorgen wegen eines Krieges gegen den Iran. Derzeit befinden sich die beteiligten Staaten auf einem gefährlichen Konfrontationspfad. Der Befehl zu einem massiven Luftangriff gegen den Iran könnte innerhalb weniger Stunden ausgeführt werden - mit allen damit verbundenen fatalen Konsequenzen. Man muss kein Freund des Holocaust-Leugners Mahmud Ahmadinedschad sein, um die Alternative zu erkennen: Weitere Verhandlungen, in denen die USA und Europa endlich Angebote in der für den Iran entscheidenden Währung machen: Sicherheit. Uns hat noch keiner erklären können, warum Teheran nicht Sicherheitsgarantien gegen Aggressionen erhält. Wir fordern Kanzlerin Merkel auf, im Namen Deutschlands und der EU aktiv Sicherheit für den Iran zu fordern und dem Einsatz militärischer Gewalt eine unmissverständliche Absage zu erteilen.

Die Kanzlerin hat vor zwei Wochen die Berliner Erklärung vorgelegt mit der Zeile: "Wir setzen uns dafür ein, dass Konflikte in der Welt friedlich gelöst und Menschen nicht Opfer von Krieg, Terrorismus oder Gewalt werden." Schon mit ihrem Einsatz für die EU-Verfassung straft sie diesem Satz Lügen. Es ist ein Skandal, dass ein Verfassungsentwurf die Mitgliedsstaaten verpflichten will, "ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Keine andere Verfassung enthält einen solchen Zwang zur Aufrüstung. Die Mitgliedsstaaten sollen sich auch verpflichten zu "Kampfeinsätzen als Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet", also etwa im Hindukusch - ein extrem weit gefasstes Mandat mit völlig offener Grenzziehung. Frau Merkel arbeitet darauf hin, dass solche Sätze bereits Anfang Juni von den europäischen Regierungschefs beschlossen werden. Vermasseln wir ihr die Tour - setzen wir uns dafür ein, dass diese Passagen nicht zu Leitsätzen europäischer Politik werden!

Auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr widersprechen diametral dem erwähnten Satz der Berliner Erklärung. Man wirft der Friedensbewegung mangelnden Realismus vor. Aber wie naiv muss eine Afghanistan-Politik sein, die meint, komplexe politische Probleme ließen sich mit militärischen Mitteln lösen? Schon heute ist die Lage in Afghanistan nicht besser als nach dem sowjetischen Einmarsch. Vor 18 Jahren zog die sowjetische Armee geschlagen aus Afghanistan ab. Aber nicht mangels Truppenstärke - und schon gar nicht mangels Luftaufklärung! Auch sonstwo hat militärische Überlegenheit nicht zum Sieg geführt - nicht in Tschetchenien, nicht im Libanon. Liebe Freunde, auch dieser Krieg ist nicht mit militärischen Mitteln zu gewinnen. Wer diesen Weg weiter geht, wird eine ähnliche Situation wie im Irak herbeiführen. Wer hingegen in Afghanistan Sicherheit will, muss sich um den zivilen Aufbau des Landes kümmern, und zwar massiver als bisher - der darf nicht jährlich fast fünfmal so viel Mittel ausgeben für die Stationierung der Bundeswehr in Afghanistan und den Einsatz der Tornados wie für den zivilen Aufbau.

Mman sagt uns, der Krieg in Afghanistan sei gegen den Terrorismus gerichtet. In Wirklichkeit spielen wir den Terroristen damit in die Hände. Afghanistan ist dabei, ein ähnliches Rekrutierungsfeld für Terroristen zu werden wie der Irak. Nein, Terroristen lassen sich nur dadurch bekämpfen, dass man sie wie andere Kriminelle von ihrer Umgebung isoliert - nicht indem man ihnen Nachwuchs zuführt.

Liebe Freunde, in weniger als zwei Monaten findet der G8-Gipfel statt. Sorgen wir dafür, dass in Heiligendamm eine starke Protestbewegung sichtbar wird gegen Militarisierung und Krieg, die kriegerische Weltordnungspolitik der G8-Staaten und die Hochrüstung der Bundeswehr. Am Freitagabend, den 1. Juni, wenn Karawanen und Euromärsche in der Kyritzer Heide eintreffen auf dem Weg nach Rostock, wird die Friedensbewegung den dort geplanten Bombenabwurfplatz neu besiedeln. Seit 15 Jahren verhindert die Bevölkerung, dass dieses 140 Quadratkilometer große Gelände für Bundeswehr-Kriegsübungen genutzt wird. Am nächsten Tag, den 2. Juni findet die Internationale Großdemonstration in Rostock statt. Am darauffolgenden Dienstag, den 5. Juni, kommen die G8-PolitikerInnen am Militärflughafen Rostock-Laage an. An diesem Tag wird der Flughafen blockiert, zumal dort die ersten deutschen Eurofighter stationiert sind und von dort Tarnkappenbomber während der Fußball-WM aufstiegen. Auf nach Heiligendamm!

Liebe Freunde, der Politische Pazifismus kennt schon immer zwei Arten von Aktionsformen: Kundgebungen wie die Ostermärsche und den zivilen Ungehorsam, bei dem man sich über Forderungen hinaus querstellt. Dazu zählt die Blockade des Flughafens Rostock-Laage, dazu zählt auch das individuelle Nein zum Krieg. Ob das nun Jürgen Rose ist, der sich als erster Bundeswehrsoldat weigert, beim Tornado-Einsatz mitzumachen. Oder Osman Murat Ülke, einer der ersten Kriegsdienstverweigerer in einem Land, in dem es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt: der Türkei. Osman wurde bereits fast zwei Jahre lang inhaftiert und kann jederzeit wieder verhaftet werden. Er darf keinen Pass beantragen, kein Konto eröffnen und keine Arbeit annehmen, und er ist nicht der einzige. Jüngst wurde auch Halil Savda zu 15 Monaten Haft verurteilt. Auch der GI Agustin Aguayo wird sich künftig jedem Krieg verweigern. Er geht lieber acht Monate ins Gefängnis als zum Krieg in den Irak. Schließen wir uns diesen vier Freunden an und protestieren gegen jeden Krieg als Verbrechen an der Menschheit! Fordern wir bei uns und anderswo die Abschaffung der Wehrpflicht als Signal gegen den Krieg! Und zitieren wir bei jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr Carl Friedrich von Weizsäcker "Man kann zwar Gewalt durch Gewalt eindämmen, man wird aber immer die Folgen zu tragen haben, dass man sich dem Prinzip, das man bekämpfte, unterworfen hat...Die Meinung..., man könne gewissermaßen zum letzten Mal Gewalt anwenden und - weil die Gewalt für das Gute ausgeübt wird - danach werde dann das Gute herrschen und nicht die Gewalt, ist einer der gefährlichsten Irrtümer und eine der Hauptquellen mörderischer Kriege." Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.



Thomas Carl Schwoerer ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG/VK). Vita siehe hier

E-Mail: schwoerer (at) campus (Punkt) de
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