Ostermärsche und -aktionen 2007

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05.04.2007


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Ostermärsche und -aktionen 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag bei der Eröffnung des Ostermarsches Ruhr 2007 in Duisburg am 07. April

Liebe Freundinnen und Freunde,

Eberhard Przyrembel (in Duisburg)

- Sperrfrist: 07.04.07, 10 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Der Ostermarsch ist ein Langzeitprotest. Jedes Jahr fast wortgleiche Überschriften gegen Krieg und Militär. Aber die Militarisierung wurde Jahr für Jahr gesteigert. Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, daß wir das Wort "out of area" lernen mußten. Damals war die Frage: dürfen deutsche Soldaten ein Lazarett in Kambodscha einrichten? Dann: in Somalia eingreifen? ...im ehemaligen Jugoslawien ? usw. Und heute wird ganz selbstverständlich Deutschland am Hindukusch verteidigt. Ich beteilige mich seit mehr als 25 Jahren am Kampf gegen die Militarisierung der Politik. Ich engagiere mich besonders bei Pax Christi, der Friedensbewegung in der katholischen Kirche.

Früher war Krieg eben Krieg und Frieden tatsächlich Frieden. Als nach dem 2. Weltkrieg aus Kriegsministern die Verteidigungsminister wurden, sollte der Krieg geächtet werden. "Nie wieder Krieg!" Aber die Verteidigungsminister haben das Kriegsgeschäft fortgesetzt unter dem Schleier von immer neuen Worterfindungen. Tatsachen werden nicht mehr beim richtigen Namen genannt, sondern mit unklaren Formulierungen vernebelt.

Jüngstes Beispiel: Der Krieg Israels gegen Libanon Juli/August 2006. Nur eine kleine Auswahl von Zitaten. Ministerpräsident Olmert erklärt, ohne schamrot zu werden, "es gebe nicht den geringsten Grund für einen Konflikt zwischen uns und dem Libanon" . Israel kämpfe gegen "ruchlose Terroristen", nicht gegen den Nachbarstaat. Der UN-Sicherheitsrat spricht von einem "tödlichen Konflikt" und von "offensiven, militärischen Operationen". Kofi Anan brandmarkt das "unermessliche Blutvergießen und Leid" in der Region. Die UN-Resolution 1701 vermeidet das Wort Krieg statt die kriegerische Zerstörung klar zu verurteilen. Ganz Europa - d.h. das politische Establishment: ist wohl gerade in Ferien - also ganz Europa schweigt zu dem Skandal, denn Israel hat nur drei entführte Soldaten gesucht, die bis heute nicht wieder aufgetaucht sind.

Die Militarisierung missbraucht die Sprache und erfindet Wortungeheuer, die nur verwirren.

Krieg gegen den Terror". Heute ist bekannt, daß nach dem Regierungsantritt 2000 George W. Bush zahlreiche Vordenker (engl.: Think tanks) in Gang brachte, um ein erdumspannendes Imperium zu konstruieren: Supermacht USA als Modell für das Glück aller Staaten unter den Leitworten "Freiheit und Demokratie". Die Umsetzung solche Überlegungen war noch unklar, als das Verbrechen vom 11. 9. 2001 eine Lawine ins Rollen brachte: Kriegserklärung gegen Unbekannt, nämlich "Krieg gegen den Terror".

Krieg wurde früher von einem Staat einem anderen Staat erklärt - gewöhnlich eben nicht "erklärt" sondern "angesagt" - aber jetzt gibt es "Kriege" überall und gegen alles: Krieg gegen Drogen, Krieg gegen Armut, Krieg gegen alle möglichen Phantome. Also auch "Krieg gegen den Terror", ohne zu definieren, wer das ist. Dafür wird dann ein hochtrabender Titel erfunden: "Enduring Freedom", eine Art Aktion "Dauerhafte Freiheit". Tatsächlich aber bedeutet das: Ohne Mandat der UN und ohne von Afghanistan bzw, von den Taliban direkt angegriffen zu sein, lassen die USA das Land bombardieren und Truppen einmarschieren. Ergebnis? Die Zivilbevölkerung ist eingeschüchtert. Der Anbau von Mohn für die Rauschgiftmafia wurde verdoppelt. Nach sechs Jahren ist weder Osama Bin Laden gefangen noch ist Afghanistan eine selbständige Demokratie.

"Krieg gegen den Terror" ist ein Wortungetüm, das die Sicht auf die wahren Probleme verstellt.

"Transformation der Bundeswehr" - Dahinter versteckt sich die "Umrüstung" der - nach einer Grundgesetzergänzung erlaubten - Verteidigungsarmee zu einer Interventions- und Angriffsarmee mit globalem Auftrag. Keine Kriegsbeteiligung in Afghanistan zB. sondern "Einsatz von Waffengewalt im Rahmen streitkräftevernetzter Operationen hoher Kampfintensität." Seit 1992 haben an die 200 000 Bundeswehrsoldaten an Auslandseinsätzen teilgenommen. Das kostete insgesamt 9 Milliarden Euro.

"Humanitäre Interventionen" sind als Modewort längst verschwunden. Heute wird von der Verpflichtung, "Sicherheit zu gewähren" geredet und zwar durch Stabilisierungseinsätze mit Stabilisierungskräften. Statt einen Konflikt direkt beim Namen zu nennen, wird nachdrücklich von Verteidigung der eigenen Sicherheit geredet. Nach dem neuen Bundeswehrweißbuch gibt es weltweit fast kein Problem mehr, daß nicht militärisch gelöst werden soll. So konnte die US-Regierung zu ihrer Verteidigung 135 000 Soldaten in den Irak schicken - Das war und ist ein illegaler Krieg - Und jüngst planen die USA ebenfalls zu ihrer Verteidigung - das ist nicht ironisch gemeint ! - Raketen in Polen aufzustellen, die von Tschechien aus bedient werden. Israel verteidigt sich, indem Hubschrauber und Flugzeuge Einzelpersonen mit Raketen jagen.

Horst Eberhard Richter spricht von "der psychischen Krankheit Friedlosigkeit" (IPPNW-Brief vom Januar 2007). Nämlich gestützt auf technische Überlegenheit entsteht die wahnhafte Haltung, "sich als der Stärkste in der Machtkonkurrenz von allen Abhängigkeiten befreien und unverletzbar machen zu können."

Weil es immer Kriegsgefangene gegeben hat, wurden früher klare Regeln für die Behandlung der gefangenen Menschen vereinbart (Zuletzt 4 Genfer Abkommen zum Schutz der Kriegsgefangenen und Zivilbevölkerung, 12.8.1949 ). Unter dem jetzigen US-Präsidenten wurde der Begriff "Feindlicher Kämpfer" erfunden und willkürlich auf missliebige Menschen angewendet. Wer zur falschen Zeit (nach dem 11. 9. 2001) am falschen Ort (zB. Pakistan) war und verdächtig aussah, konnte Pech haben und buchstäblich verschwinden - nämlich in den Geheimgefängnissen der CIA.. Alle wissen inzwischen, was "Guantanamo" bedeutet: Rechtlos, schutzlos, unter aller Menschenwürde, ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Perspektive in Käfigen "leben". Nur: Keiner der Verantwortlichen hat ein schlechtes Gewissen, noch fühlt sich jemand schuldig. Im Gegenteil! "Feindlicher Kämpfer"? Das müssen Untermenschen sein.

"Guantanamo" ein Einzelfall? Die "einzige Demokratie im Nahen Osten", also Israel, hält über 9000 Palästinenser gefangen, sogar Mitglieder der palästinensischen Regierung. Unter diesen illegal Gefangenen befinden sich an die tausend Jugendliche - allesamt "mutmaßliche Terroristen"! Weder Angehörige noch Rechtsanwälte haben Zugang. Im Irak halten die USA und irakische Sicherheitskräfte mehr als 24 000 Iraker ohne Anklage in Gefängnissen fest.... In jedem Fall sollen wir glauben, daß diese undemokratische Praxis legitime Selbstverteidigung ist!

Welches Niveau die selbsternannte Vormacht in unserer Welt erreicht hat, beschreibt die NEW YORK TIMES (im Januar 2007) so: "Das letzte Sicherheitsgesetz gibt Herrn Bush die Macht, so ziemlich jeden den er will, und so lange wie er will, ohne Anklage ins Gefängnis zu werfen, einseitig die Genfer Konvention auszulegen, das zu autorisieren, was normale Leute als Folter ansehen, und Hunderten, die irrtümlich verhaftet wurden, Gerechtigkeit zu verweigern."

Da kann ein Politiker ohne sich zu schämen, von Demokratisierung reden, aber Demütigung durch Folter und Menschenverachtung praktizieren und nach jeder Rede "Gott segne Amerika!" sagen.

Ich habe früher `mal gelernt, daß die "habeas corpus-Akte" als wesentlicher Fortschritt zu einer demokratischen Zivilisation anzusehen sei (grundlegendes engl. Gesetz von 1679: kein engl. Untertan darf ohne richterliche Überprüfung und Anordnung verhaftet und in Haft gehalten werden. - Entwicklung der Freiheitsrechte des Einzelnen von der Magna Carta 1215 bis zur Erklärung der bürgerlichen Rechte 1789 und Deklaration der Menschenrechte 1948).

Früher formulierte ein Gesetz das anerkannte Recht Einzelner oder von Staaten. Heute werden Gesetze gemacht, um politisches Handeln zu legitimieren, auch wenn es himmelschreiendes Unrecht ist. Zum Beispiel: Am 17.Dezember 2006 hat das Oberste Gericht in Jerusalem entschieden, gezielte Tötungen von Terroristen verstießen nicht gegen israelisches oder internationales Recht.. Früher nannte man so etwas (weil ohne Gerichtsverhandlung) Lynchjustiz und kein Rechtsstaat hat das anerkannt.

Was ist aus dem "Atomwaffennichtverbreitungsvertrag" von 1968 geworden? Außer den 5 Atommächten (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, VR .China) verfügen inzwischen Israel, Indien und Pakistan über Atombomben - bezeichnenderweise hat keiner dieser 3 Staaten den Sperrvertrag unterschrieben! Statt ernsthaft abzurüsten entwickeln die USA sogar Mini-Atombomben, um möglichst umweltschonend tief gelegene Bunker sprengen zu können. Zudem die schier unendliche Diskussion über eine eventuelle Atomwaffenrüstung des Iran, mit bedrohlichen Tönen, die an die Vorbereitung des illegalen Irakkrieges 2003 erinnern.

Doch wo hört oder liest man etwas über "Uranmunition"? Auf allen Kriegsschauplätzen, in Irak, im Kosovo. in Afghanistan, tritt das "Golfkriegsyndrom" auf, bei Soldaten wie bei Zivilpersonen: dh überraschende Sterbefälle und Genschäden, die Babys mit Geburtsfehlern verursachen. Statt gründliche Untersuchungen dieser merkwürdigen Fakten zuzulassen, wird der Zusammenhang zwischen der Verwendung von Uranmunition mit solchen Schädigungen geleugnet. Eine Wand der Geheimhaltung verhindert die präzise Information der Öffentlichkeit.

Seit dem Golfkrieg 1991 wird in großem Maßstab "Uranmunition verwendet. Das physikalisch "dichtere" Uranmetall verleiht solchen Bomben und Granaten größere Durchschlagskraft (Wasser 1gr/cm3; Eisen 7,8 gr ; Blei 11gr ; Uran 18,7 gr ), macht sie besser panzerbrechend. Für diese "durchschlagende" Munition wird abgereichertes Uran verwendet, das bei der Atomwirtschaft in riesigen Mengen als Abfall übrig bleibt. Dieser Abfall wird durch die Verwendung in der Waffenproduktion auch noch entsorgt.

An sich gilt abgereichertes Uran, weil niedrig strahlend, als relativ ungefährlich, wenn man genügend Abstand hält (Der Physiker Bequerel staunte vor fast 100 Jahren, daß seine Haut rote Reizflecken bekam, nachdem er etwas Radium längere Zeit in der Hosentasche getragen hatte). Aber da wo "Uranmunition" explodiert, entsteht strahlender Feinstaub, der eingeatmet zB im menschlichen Körper hochgiftig wirkt. Wo "Uranmunition in großen Mengen eingesetzt wird, werden ganze Regionen bis ins Grundwasser kontaminiert, dh ebenfalls vergiftet.

Die Reaktion der heute für "Uranmunition" verantwortlichen Politiker erinnert an das Verhalten der USA nach dem Atombombeneinsatz in Japan. Im Oktober 1945 wurde offiziell verkündet, daß es in Hiroshima und Nagasaki keine Sterbefälle in Folge der Atombombe mehr geben würde. Gleichzeitig wurde japanischen Ärzten und Wissenschaftlern verboten, an den Überlebenden Untersuchungen anzustellen. Nur einem Professor fiel Ende der 40er Jahre auf, daß bei den Überlebenden sehr viel häufiger Leukämie festgestellt wurde. Er überredete einen seiner Studenten, alle Opfer der Atombombe mit Leukämie heimlich zu dokumentieren. Dieser junge Mann entnahm den Patienten Blutproben und vermerkte den Ort, an dem sie sich befunden hatten, als die Bombe fiel. Heute steht fest, daß mehr als 30 000 Menschen noch an den Folgen der Atomexplosion in Hiroshima und Nagasaki sterben mußten. Doch das ist vergessen, und alle Regierungen, die "Uranmunition" einsetzen, leugnen den Zusammenhang mit dem rätselhaften "Golfsyndrom", obwohl (oder weil? - was da an Entschädigungen zu zahlen wäre !) wieder Hunderttausende betroffen sind (vgl ZEIT-FRAGEN, 24.und 30.10.06).

(Buch: Prof. Dr. S. G. Günter, zwischen den Grenzen)

Schlußbemerkung - ohne verwirrende neue Wortungeheuer zu gebrauchen:

In den 4 Jahren illegaler Irakkrieg sind mehr als 3000 US-Soldaten gestorben.

Der Krieg selbst kostete mehr als 300 Milliarden Dollar.

Mehr als 600 000 Iraker sind getötet worden, und das Land wurde fast vollkommen zerstört.

Auf den Trümmern tobt ein Bürgerkrieg (vgl ZEIT-FRAGEN 5. 1. 07) Eine regelrechte "Entführungsindustrie" verbreitet im Irak Angst und Schrecken ( So eine Überschrift in der FR vom 14.2.07 ).Jeden Tag bis zu 30 Entführungen ! Und wenn dann einmal zwei Deutsche betroffen sind, rauscht bei uns der Blätterwald. Sogar der Bundespräsident schaltet sich sehr besorgt ein. Das soll genügen. Ich glaube dennoch, daß eine andere Welt möglich ist.



Eberhard Przyrembel ist aktiv bei der Pax Christi Basisgruppe Duisburg. Vita siehe hier

Website: www.friedensforum-duisburg.de
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