Ostermärsche und -aktionen 2007

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09.04.2007


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Ostermärsche und -aktionen 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag beim Ostermarsch Ruhr 2007 in Dortmund am 09. April

Liebe Friedensfreunde,

Bernd Hahnfeld (in Dortmund)

- Sperrfrist: 09.04.07, Redebeginn, 16 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

Wir demonstrieren für eine friedliche Welt. Ich weiß, dass Friede viel mehr ist als die Abwesenheit von Krieg. Die ökonomische und ökologische Grundsicherung, die Achtung der Menschenrechte und der Gleichberechtigung sind vielen ein unmittelbares Anliegen. Mir als Jurist und langjährigem Richter liegt der Einsatz gegen Krieg und militärische Gewalt, gegen Lügen und Rechtswillkür besonders am Herzen. Hinzu kommt, dass ich noch sehr genaue Erinnerung an die Schrecken des 2. Weltkrieges habe, bei dessen Ende ich fünf Jahre alt war. Soldaten und Panzer, Kanonen und Bomben haben mich in meinen Träumen jahrelang verfolgt.

1.

Ich befasse mich zunächst mit der Frage, ob durch die Beachtung des geltenden Rechts Kriege verhindern werden können. Welche Rolle spielen Recht und Gerechtigkeit bei der Wahrung und bei der Sicherung des Friedens?

Urteilen Sie selbst:

1.1

Unter dem Eindruck der Greuel des zweiten Weltkrieges und des Scheiterns des Völkerbundes wurden 1945 die Vereinten Nationen gegründet. Hauptziel war die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, um "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren". Grundlagen dafür sollten sein



das universelle Gewaltverbot,



das Selbstbestimmungsrecht der Völker,



ein Verfahren zur friedlichen Streitbeilegung und



ein System der kollektiven Sicherheit.


Leider haben die Regeln der UN-Charta nicht jeden Krieg verhindern können. Denn nicht jede Regierung hat sich in Konfliktsituationen an das internatonale Recht gehalten. Auf der anderen Seite haben jedoch fast alle Staaten der Welt ihren Wunsch nach Frieden und nach der Herrschaft des Völkerrechts kundgetan, indem sie den Vereinten Nationen beigetreten sind. Und mit einer Ausnahme stellt sich keine Regierung offen gegen das für alle verbindliche Völkerrecht.

1.2

Im zerstörten Deutschland wurde 1949 das Grundgesetz verabschiedet - "im Bewusstsein der Verantwortung und von dem Willen beseelt, dem Frieden der Welt zu dienen". Das Grundgesetz enthält ein klares Friedensgebot und das ausdrückliche Verbot eines Angriffskrieges. Seit 1956 aber auch die Vorschrift, dass Streitkräfte zur Verteidigung aufgestellt werden. Aber nur zur Verteidigung!

So steht es immer noch in unserer Verfassung.

1.3

1973 haben die beiden deutschen Staaten durch die Aufnahme in die UN die Friedensziele der UN-Charta vorbehaltslos akzeptiert.

1.4

m Zwei-plus-Vier-Vertrag hat Deutschland 1990 nochmals verbindlich erklärt, dass "von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird".

2.

Es stellt sich die Frage, ob unsere Regierungen diese Rechtspflicht zur Friedensstaatlichkeit wirklich ernst nehmen.

2.1

1999 hat sich die rot-grüne Bundesregierung von den USA und ihren Verbündeten in den Jugoslawienkrieg ziehen lassen - ohne sich um das Völkerrecht zu scheren. Mit Hilfe der Medien wurde der Bevölkerung weisgemacht, dass der Krieg nötig sei, um Morde, Vergewaltigungen und Vertreibungen der Serben an Kosovo-Albanern zu verhindern. Wer mochte das noch glauben, als zur "Verteidigung" der Vertriebenen und Vergewaltigten Bomben eingesetzt wurden, die - auch von deutschen Piloten - aus 5000 Metern Höhe abgeworfen wurden! Zuletzt gezielt auch auf Zivilisten. So sieht keine Nothilfe aus.

2.2

Unter dem Schock des 11. September 2001 ließen deutsche Politiker alle moralischen, ethischen und rechtlichen Bedenken fahren und beteiligten sich mit Kampfeinheiten der Bundeswehr an der Taliban-Jagd der Amerikaner in Afghanistan. War die US-Armee wirklich auf die Nothilfe durch einige deutsche Soldaten angewiesen? Warum wurde der Einsatz vor der deutschen Bevölkerung geheim gehalten? Lediglich die Beteiligung deutscher Soldaten am ISAF-Einsatz der UN wurde öffentlich breit diskutiert.

2.3

Einen vorläufigen Höhepunkt der Verlogenheit zeigten deutsche Politiker im letzten Irak-Krieg der USA und der "Koalition der Willigen". Während der Kanzler aus wahltaktischen Gründen öffentlich wiederholt erklärte, dass Deutschland sich an dem Krieg nicht beteiligen werde, leistete die Bundesregierung den USA und Großbritannien bei ihrem illegalen Angriffskrieg tatkräftig Unterstützungshilfe.

Zur Drehscheibe des Krieges wurde Ramstein in der Pfalz, die größte US-Militär-Basis außerhalb der Vereinigten Staaten. Die meisten Soldaten, Waffen und Versorgungsgüter sind über Deutschland in den Irak geschafft worden. Die Bundesregierung war jedoch nach ihrer öffentlichen Neutralitätserklärung verpflichtet gewesen, den USA das Überfliegen des Bundesgebietes zu verbieten und die Nutzung von Ramstein und anderen Standorten für Kriegstransporte zu untersagen. Sie war auch verpflichtet, die Übernahme der Bewachung der US-Militärbasen zu verweigern, soweit diese dem Zweck diente, die freigewordenen US-Soldaten in den Krieg zu schicken. Auch durfte unsere Regierung den deutschen Soldaten in den AWACS-Fugzeugen nicht gestatten, ihre Aufklärungsdaten der US-Armee für die Kriegsführung in Irak zur Verfügung zu stellen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das bekräftigt und in dem Urteil vom 21.6.2005 festgestellt, dass Deutschland seine Neutralitätspflicht verletzt hat und zum Beteiligten eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges geworden ist. Selbst diese Entscheidung des Bundesgerichtes hat unsere verantwortlichen Politiker nicht davon abgehalten, den USA und Großbritannien weiterhin die Nutzung von Ramstein für die fortdauernde Kriegsführung im Irak zu gestatten - anstatt ihnen in den Arm zu fallen. Was muss eigentlich noch passieren, damit das Friedensgebot des Grundgesetzes und des Völkerrechts beachtet werden?

2.4

Das letzte verheerende Beispiel für die Missachtung des Völkerrechts ist der Einsatz von deutschen Tornados im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan. Vom UN-Mandat gedeckt ist nur der ISAF-Einsatz zum Schutz des zivilen Wiederaufbaus des Landes und nicht der willkürliche Krieg der USA im Rahmen ihrer "operation enduring freedom". Selbstverteidigung ist das nicht. Bundesregierung und Bundestag haben nicht die Courage besessen, sich dem Drängen der USA und der anderen Kriegswilligen zu widersetzen, die zielgerichtet beide Einsätze vermengen und für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Wir sind gespannt auf den Ausgang der dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht erhobenen Organklage.

3.

Was verlangen wir von unseren Politikern? Nicht mehr, als sie selbstverständlich auch von uns verlangen: Dass sie sich an Gesetz und Recht halten. Für die Politiker hat diese Verpflichtung sogar Verfassungsrang: Die Regierung ist als vollziehende Gewalt nach Art. 20 Absatz 3 Grundgesetz "an Recht und Gesetz gebunden".

Darüber hinaus haben die Kanzler und ihre Minister jeweils feierlich in ihren Amtseiden erklärt:

"... Schaden von dem deutschen Volk zu wenden, das Grundgesetz und die Bundesgesetze zu wahren und zu verteidigen, die Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben..."

Das klingt ein wenig wie Hohn, finden Sie nicht auch?

4.

Wir protestieren hier auch gegen den Umbau unserer Bundeswehr zu einer internationalen Interventionsarmee. Wie verblendet muss man eigentlich sein, um zu behaupten, Deutschland werde am Hindukush verteidigt. Mir scheint, verteidigen muss sich Deutschland eher gegen Politiker, die uns mit verlogenen Argumenten weltweit in Kriege hineinführen und uns noch dazu zumuten, diese mit unseren Steuergeldern zu finanzieren. Das Grundgesetz gestattet den militärischen Kampfeinsatz grundsätzlich nur zu Verteidigungszwecken. Verteidigung bedeutet aber, dass bewaffnete Angriffe auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik oder die Staatsgebiete der Verbündeten abgewehrt werden sollen. Wozu benötigt unser Land bewaffnete, für die Tropen ausgerüstete Interventionstruppen?

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, in Not geratenen Völkern und Staaten durch zivile Maßnahmen zu helfen und "Streithammel" international zu isolieren. Warum denken so viele Politiker und Journalisten im Konfliktfall zuerst an militärisches Einschreiten? Die UN-Charta sieht den Einsatz von Militär bei Bedrohung des internationalen Friedens als allerletztes Mittel vor - und das auch nur mit ausdrücklichem Mandat der UN.

Ausgenommen ist nur die unmittelbare Selbstverteidigung. Die unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was für jeden von uns im Alltag gilt:

"Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich und geeignet ist, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden."

Uns Bürgern droht beim Verstoß gegen diese Regeln der Staatsanwalt. Der UN-Sicherheitsrat ist da leider viel nachsichtiger. Vor allem, wenn ein ständiges Mitglied völkerrechtswidrig Krieg führt. Hier zeigt das System der Vereinten Nationen leider noch große Lücken.

5.

Mein letztes Thema sind die von den USA in Deutschland stationierten Atomwaffen: 130 lagern einsatzbereit in Ramstein und 20 in Büchel. Dort steht eine Tornado-Staffel der Bundeswehr bereit für den Einsatz der Waffen. "Nukleare Teilhabe" nennt man diese Mitverfügung der Deutschen an den US-Atombomben.

Diese "Nukleare Teilhabe" ist illegal und wird dennoch von unserer Regierung praktiziert. Illegal ist sie, weil Deutschland sich mit der Unterschrift unter den Atomwaffensperrvertrag 1969 verpflichtet hat, keinerlei Verfügung über Atomwaffen auszuüben und diese Verpflichtung im Zwei-plus-Vier-Vertrag 1990 nochmals feierlich bekräftigt hat.

Illegal ist die "Nukleare Teilhabe" auch deswegen, weil der Internationale Gerichtshof in Den Haag 1996 entschieden hat, dass der Einsatz dieser Waffen und die Drohung damit grundsätzlich völkerrechtswidrig sind.

Wacht auf, Politiker! Sollten die stationierten Atombomben jemals eingesetzt werden, müsstet Ihr deswegen nach dem Völkerstrafrecht wegen Völkerrechtsverbrechen bestraft werden - ebenso wie die militärischen Befehlshaber und selbst die Tornado-Piloten.

Die in Deutschland stationierten Atomwaffen stellen eine latente Gefahr dar. Die US-Regierung hat angedroht, jedes Land, das versuchen sollte, sich selbst atomar zu bewaffnen, auch mit Atomwaffen anzugreifen. Kann die Bundesregierung darauf vertrauen, dass die USA nicht von Ramstein aus atomar bewaffnete Flugzeuge gegen den Iran in Marsch setzt? Wie der gegenwärtige Irak-Krieg erneut beweist, lassen sich die USA durch völkerrechtliche Verbote und Verpflichtungen nicht davon abhalten ihre weltweiten Interessen gewaltsam durchzusetzen.

Was hindert die Bundesregierung, von den USA den endgültigen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu verlangen? Dazu ist die Bundesregierung sogar rechtlich verpflichtet. Denn nach Art. 20 Absatz 3 GG an Gesetz und Recht gebunden darf sie einen völkerrechtswidrigen Zustand nicht stillschweigend hinnehmen.

Einen unüberwindbaren Anspruch auf die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland haben die USA nicht. Deswegen hat der US-Verteidigungsminister Rumsfeld in einem Spiegel-Interview zutreffend erklärt, es sei Sache der Deutschen, ob hier weiter Atomwaffen stationiert seien.

Was hindert die Bundesregierung, die "nukleare Teilhabe" durch Erklärung gegenüber den NATO-Partnern zu beenden und sich aus der nuklearen Planungsgruppe der NATO zurück zu ziehen? Auch dazu ist sie rechtlich verpflichtet. Einer Grundgesetz-Ergänzung oder eines Bundesgesetzes bedarf es nicht. Laut Bundesverfassungsgericht ist das strategische Konzept der NATO kein Vertrag, der förmlich gekündigt oder abgeändert werden müsste.

6.

Der einzelne Bürger hat leider keine Möglichkeit, die Regierung im Klagewege zu rechtstreuen Verhalten zu zwingen. Er kann den Wahlschein benutzen und - wie wir hier - öffentlich Kritik üben.

Ich bin jedoch überzeugt davon, dass wir jedenfalls den Abtransport der restlichen Atomwaffen aus Deutschland erreichen können. Voraussetzung dafür ist, dass aus dem Nicht-Thema ein heißes Eisen wird, so dass deutsche Politiker keine andere Wahl haben, als von der US-Regierung den Abzug der Waffen zu verlangen, weil der Verbleib der Atomwaffen von zu vielen Wählern nicht mehr hingenommen wird.

Zeigen Sie Flagge und bekunden Sie öffentlich Ihr Missfallen an der Atomwaffenstationierung! Machen Sie mit bei den Kundgebungen gegen Atomwaffen! Fahren Sie am ersten Sonntag im September nach Büchel in der Eifel und begleiten Sie die ansässigen Bewohner bei der Umrundung des Atomwaffenstandortes. Bringen Sie Ihre Kinder mit. Sie werden Vergnügen haben bei dem dreieinhalbstündigen Spaziergang in einer wunderschönen Landschaft und Sie werden Kontakt bekommen mit Pfarrern, Schülern, Lehrern, Winzern und Apothekern der Region - um nur einige zu nennen, die sich seit Jahren tatkräftig gegen die dort stationierten Atombomben engagieren.

7.

Auch wenn wir unmittelbar nicht viel erreichen - eine Alternative zur Herrschaft des Rechts gibt es nicht. Auch gibt es keine Alternative zur Anerkennung der Vereinten Nationen und des Völkerrechts. Das UN-System ist in der Lage, bei einer Gefährdung des Friedens wirksame Maßnahmen durchzusetzen, wenn die Mitgliedsstaaten dazu bereit sind. Etwas Besseres als die UN haben wir nicht, wenn wir Hochrüstung und Kriege vermeiden wollen. So mangelhaft sie auch ist, bei gutem Willen kann die UN funktionieren und Konflikte zum Vorteil aller lösen. Die UN-Charta ist ein wertvoller Schatz aus dem Nachlass des zweiten Weltkrieges. Unter den gegebenen Umständen wäre es undenkbar, dass sich 190 Staaten der Welt auf etwas Vergleichbares einigen würden. Denn wir müssen leider feststellen, dass noch nicht einmal eine Einigung über die - an sich notwendige - Reform zustande kommt. Auf Reformen der UN-Strukturen sollten wir deshalb nicht hoffen, sondern lieber die vorhandenen Möglichkeiten nutzen.

Wir lassen nicht nach, unsere Gedanken, Befürchtungen und Wünsche den Verantwortlichen zuzurufen. Wenn wir damit ihre Köpfe und Herzen erreichen, wird der Friede am besten gesichert.



Bernd Hahnfeld ist Richter a.D. und Mitglied in der Juristenvereinigung IALANA (Internationale Vereinigung von Juristen gegen Atomwaffen).

E-Mail: bernd (Punkt) hahnfeld (at) t-online (Punkt) de

Website: www.ialana.de
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