Ostermärsche und -aktionen 2007

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08.04.2007


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Ostermärsche und -aktionen 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch Ruhr 2007 in Bochum am 7. April

Es bleibt dabei:
Unser Marsch ist eine gute Sache für die Abschaffung aller Atomwaffen

Reiner Braun (in Bochum)

- Sperrfrist: 07.04.07, Redebeginn: (ca) 16 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Nuklearwaffen, ist das überhaupt noch ein Thema, sind die nicht wie die Berliner Mauer verschwunden, mindestens aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit und leider auch bei einigen Friedensbewegten.

Tagespolitisch abgehakt wird dann schnell auch, wenn der IAEO Generalsekretär El Baradei davon spricht, dass die Atomkriegsgefahr noch nie so groß war wie jetzt (siehe Spiegel Interview) oder dass der ehemalige stellvertretende UN Generalsekretär Blix (der bis zu letzt die US Intervention im Irak abwenden wollte) eine aufsehenserregende Studie "weapons of terror" vorlegt, die die Gefahren der weltweiten Verbreitung der Atomwaffen und ihren Einsatz in regionalen Kriegen in drastischen Worten beschreibt und uns alle zum handeln auffordert: die Politik und die Menschen.

Und vergessen wir nicht:

Die Gefahr eines Atomkrieges gegen den Iran bleibt. Der militärkritische US-Journalist Jorge Hirsch formuliert es zugespitzt in seinem faktenreichen Artikel "Nuklear Strike in Iran is still on the Agenda": Die neue Atommacht Korea beschwört eine atomare Aggression der USA gegen den Iran erst recht herauf, will die Bush Administration doch jetzt mit allen Mitteln verhindern, dass eine weitere Nation (vermeintlich) zu einer Nuklearmacht wird. Die mit Nuklearwaffen bestückten Schiffe sind schon auf dem Weg in die Region, die Atommacht Israel steht bereit. Jorge Hirsch verweist dann auch noch auf die weitgehende Isolierung Irans, keine etablierte Atommacht wird sich für dieses Land ernsthaft in die Bresche werfen (anders als bei Nord Korea). Angesichts der aktuellen internationalen und nationalen politischen Defensivsituation amerikanischer Außenpolitik, ihrer militaristischen Reflexhaltung und der unterstützenden Position der Europäer besteht damit eine extrem gefährliche Situation.

International: Vieles ist in Bewegung

Erneut bekräftigte die UN-Generalversammlung 2006 die Notwendigkeit der atomaren Abrüstung und klagt den § 6 des NPT-(Non-Proliferation-Treaty)-Vertrages ein. Die Konferenz der 118 Nicht-Paktgebundenen Staaten forderte im September in Havanna die Abschaffung aller Atomwaffen. Eine Resolution, die uns die bürgerlichen Medien fast vollständig verschweigen. Es ist ja "nur" die große Mehrheit der Staatengemeinschaft. Diese Position bekräftigten die Nicht-Paktgebundenen Staaten noch einmal in einer bemerkenswerten Erklärung zum Atomtest Nordkoreas, in deren Mittelpunkt die Verantwortung der Atommächte für die nukleare Abrüstung steht.

Ein kleiner Erfolg auch unserer Bemühungen ist die Vereinbarung über eine atomwaffenfreie Zone in Zentralasien: Am 8. September 2006 unterzeichneten die Außenminister der fünf zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan in Semipalatinsk den Vertrag über eine kernwaffenfreie Zone in Zentralasien. Auf dem Territorium dieser fünf ehemaligen Sowjetrepubliken befanden sich zu Zeiten der UdSSR mehr als 1400 strategische und über 700 taktische Nuklearwaffen, die inzwischen auf russisches Gebiet abgezogen wurden.. Mit dieser neuen atomwaffenfreien Zone sind zwei Drittel unseres Planeten atomwaffenfrei.

Erfreulich sicher auch der Reife- und Bewusstseinsprozess alter konservativer Männer: Schultz, Kissinger, Perry - amerikanischer Außen- und Verteidigungsminister fordern die Abschaffung aller Atomwaffen und vergrößern damit die Deligitimierung dieser Mörderwaffen und den politischen Druck auf alle Politiker, die immer noch an Massenvernichtungswaffen festhalten

Diese Aussage soll aber zu keinen Illusionen verleiten. Gewarnt sei erneut vor jeglicher Verharmlosung der Atomkriegsgefahr, besonders vor den Kriegsplänen der USA, die Atomwaffen zu Einsatzwaffen erklären und mit den geplanten Mini Nukes eine ganz neue Generation von Atomwaffen entwickeln

10 verlorene Jahre für Nuklearabrüstung

Das letzte Jahrzehnt waren 10 verlorene Jahre für die Abrüstung und brachten fast nicht für möglich gehaltene Rückschläge. Dazu eine unvollständige Liste von Beweisen:



Der umfassende Kernwaffenteststoppvertrag (CTBT) ist nach wie vor nicht in Kraft getreten. Die USA verkürzen die Vorlaufzeit für die Wiederaufnahme von Kernwaffentests in Nevada auf 1 1/2 Jahre.



Verhandlungen zum Fissile Material Cutoff Treaty (FMCT) konnten nicht beginnen.



Die USA haben den ABM-Vertrag im Dezember 2001 gekündigt.



START II wird daraufhin von Russland nicht ratifiziert und wird nicht in Kraft treten.



Der SORT-Vertrag hat keinerlei Verifikationsmaßnahmen, gilt nur bis 2012 und erfordert nicht die Demontage von Kernwaffen.



Die US Nuclear Posture Review von 2003 schlägt den Einsatz von Kernwaffen auch als Reaktion auf einen Angriff mit biologischen oder chemischen Waffen vor. Die Schwelle zwischen dem Einsatz nuklearer Waffen und konventioneller Waffen wird dramatisch gesenkt, ihr Einsatz in "normalen" Kriegen politisch, militärisch und psychologisch vorbereitet. Man fühlt sich an Konrad Adenauer erinnert: die Atomwaffen sind nur die moderne Artillerie.



Die USA produzieren seit 2004 wieder Tritium für Kernwaffen und tun dies in einem zivilen Reaktor.



Weiterhin bestehen weltweit rund 20.000-30.000 nukleare Waffen, davon sind nach wie vor rund 4000 in höchster Alarmbereitschaft.



Die Arsenale aller Atomwaffenmächte werden massiv und umfassend modernisiert. Erinnert sei nur an die aktuelle britische Debatte um die Modernisierung von Trident. Entwickelt wird mit der Mini- Nukes eine völlig neue Atomwaffe, im Westentaschenformat, einsetzbar auch in "asymmetrischen" Kriegen



Erwähnt sei auch, das die Gefahr der Weiterverbreitung angesichts der Atompolitik der Atomwaffenmächte fast täglich steigt und siehe Indien bei "Freunden der USA auch wohlwollend betrachtet wird.Nur Doppelmral und doppelte Standarts waren noch nie eine Grundlage für Friedenspolitik und die Schaffung von Vertrauen. Sie provozieren Aufrüstung und Konflikte



Zu den neuen Raketenstationierungsprogrammen der USA in Polen und Tschechien gäbe es viel zusagen: hier nur zwei kurze Anmerkungen. Diese Programm bereiten eine neue Runde des Wettrüstens vor und die Antwort nicht nur von Russland sondern aller potentiell betroffenen oder sich betroffen fühlenden Ländern wird eine verstärkte oder beginnende atomare Aufrüstung sein.


In dieser Situation bereitet die IALANA (Internationale Juristen gegen Atomwaffen), gemeinsam mit IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges), INES (Internationales Netzwerk von Wissenschaftlern und Ingenieuren für globale Verantwortung), IPB (Internationales Friedensbüro) eine neue Kampagne vor.

World Court Project II

1996 hat der Internationale Gerichtshof in einem die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehendes Urteil folgendes erklärt: "Die Bedrohung durch oder Anwendung von Atomwaffen steht generell im Widerspruch zu den in einem bewaffneten Konflikt verbindlichen Regeln des Internationalen Rechts und insbesondere den Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts." Atomwaffen sind also generell völkerrechtswidrig und müssen - so unsere Folgerung - deshalb abgeschafft werden. So auch der Gerichtshof in seinem Urteil: "Es gibt eine Verpflichtung, Verhandlungen in gutem Glauben fortzusetzen und abzuschließen, die zu atomarer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und effektiver internationaler Kontrolle führen."

Damit griff der IGH auf Artikel VI des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT-Vertrag) zurück, wo es heißt wie folgt: "Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationale Kontrolle." Über diese Formulierung ging der IGH noch hinaus, indem er nämlich forderte, dass die Staaten nicht nur verhandeln, sondern solche Verhandlungen auch "abschließen" (,come to a conclusion") müssten. Das Ergebnis 10 Jahre später kennen wir: Wir haben gefährlichere Atomwaffen und mehr Atomwaffenstaaten auf der Erde.

Deshalb arbeiten wir am Entwurf einer neuen Resolution für die Generalversammlung der Vereinten Nationen, mit der der Internationale Gerichtshof um ein weiteres Gutachten gebeten werden soll. Bei dem Projekt geht es nicht mehr um die "generelle" Völkerrechtswidrigkeit der Atomwaffen, sondern um die fehlende Erfüllung der Verpflichtung aus Art. VI NPT. Es gibt erste Entwürfe für eine Resolution und Gutachtenfragen. Die Fragen sollen etwa wie folgt lauten:



1.Wendet sich die Verpflichtung aus Art. VI NPT-Vertrag an alle Staaten, gleichgültig ob sie dem Vertrag beigetreten sind oder nicht? Diese Frage richtet sich ersichtlich an Israel, das dem NPT-Vertrag nicht angehört. Seine Atombewaffnung stellt das ernsteste Hindernis für den Frieden im Nahen Osten dar.



2.Welche sind die generellen Rechtsprinzipien und -kriterien, die bei den Verhandlungen der Staaten in gutem Glauben beachtet werden müssen?



3.Umfasst die Verpflichtung zu Verhandlungen in gutem Glauben auch den Abschluss der Verhandlungen in einer angemessenen Frist?



4.Könnten sich Mängel der Verhandlungen in gutem Glauben auch aus den folgenden Handlungen oder Unterlassungen ergeben?


Keine 13 Schritte nach NPT- Konferenz 2000

Dieser Frage folgen dann einige Beispiele, etwa das Fehlen des Beginns von Verhandlungen über die vollständige Abrüstung seit dem 8. Juli 1996. Weiterhin wird die fehlende Umsetzung der Verifikations- und Transparenzverpflichtungen sowie der Unumkehrbarkeit der Entwicklung, die sich aus den 13 Schritten (,thirteen steps") ergeben, die die NPT-Überprüfungskonferenz im Jahre 2000 beschlossen hat. Diese 13 Schritte bieten daher ein gutes Anschauungsmaterial, Beispiele für die Fortschritte - oder Nichtfortschritte - bei der Abrüstung finden sich auch in den Empfehlungen der Blix- Kommission vom Juni 2006, in deren Bericht ca. 60 Schritte zur Abrüstung und Rüstungskontrolle aufgenommen sind. Einige Fragstellungen sind noch kontrovers. Es findet deshalb ein spannender und interessanter Findungsprozess statt. Gespräche mit Politik, Diplomaten und anderen Friedensgruppen begleiten diesen Prozess.

Nur mit großem öffentlichem Druck, durch vielfältige dezentrale Aktivitäten und eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit, wird diese Kampagne erfolgreich sein. Die Friedensbewegung ist gefordert: unsere alte Vision: eine Welt OHNE Atomwaffen gemeinsam zu erstreiten.

So richtig diese Forderung ist, hat sie ein unabdingbare Konkretisierung (dies sage ich gerade zur Politik der Parteien, die uns mehr oder weniger nahe stehen: blumige allgemeine Abrüstungsparolen reichen nicht!

Die erste Forderung ist: Bei uns anfangen:

Dies heißt, die ca. 100 Atomwaffen " die immer noch auf deutschem Boden in Ramstein und Büchel stationiert sind, müssen abzogen werden und die unselige nukleare Teilhabe beendet. werden. Die Tornados kann man einfach ersatzlos verschrotten.

Frieden mit Atomwaffen wird und kann es nicht geben, deshalb ist Friedensbewegung nicht nur aber auch zu Ostern, immer eine Bewegung gegen die Atomwaffen.

Nur wer den Mut hat zum Träumen hat auch die Kraft zum Kämpfen:

Ostern 2010: die erste Meldung in der Tagesschau "Dies Jahr sind die Ostermärsche der Friedensbewegung erstmals nicht nur eine Protestaktion gegen Kriege und Atomwaffen sondern ein riesige, dezentrale hunderttausendfach besuchte Friedensfeiern: es gibt keine Atomwaffen mehr auf deutschen Boden und die UN hat letzt Nacht die Nuklearwaffenkonvention für die Abschaffung aller Atomwaffen bis 2020 beschlossen

Dieses Ziel ist Grund erneut zu sagen:

Unser Marsch ist eine gute Sache: Visionen werden Realität durch uns!



Reiner Braun, Geschäftsführer der IALANA und Vorstandsmitglied der Naturwissenschaftlerinitiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit. Vita siehe hier

E-Mail: hr (Punkt) braun (at) gmx (Punkt) net

Website: www.ialana.de
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