Ostermärsche und -aktionen 2007

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06.04.2007


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Ostermärsche und -aktionen 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für die (Oster-)Mahnwache in Erfurt am 05.04.2007

Liebe Freudinnen und Freunde,

Gabi Zimmer (in Erfurt)

- Sperrfrist: 05.04.07, Redebeginn: 17 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Vor gerade acht Jahren begann die NATO ihren Bombenkrieg gegen Jugoslawien. Angeblich ging es um elementare Rechte der albanischen Frauen und Männer im Kosovo.

Die EU war an diesem Krieg beteiligt.

Die internationale KFOR-Besatzungstruppe im Kosovo ist vor allem EU-europäisch.

Unter der deutschen Ratspräsidentschaft wird nun über den weiteren Umgang mit dem Kosovo entschieden. Wir sollten genau hinsehen, was hier in den nächsten Wochen und Monaten entschieden wird. Ich habe es jetzt jedenfalls zum ersten Mal erlebt, dass selbst im Europäischen Parlament eine Mehrheit von Abgeordneten - nicht nur konservative Abgeordnete - bereit ist, für die Unabhängigkeit des Kosovo die Verletzung von UN-Beschlüssen zu akzeptieren.

Gerade erst bejubelten die Regierenden in Berlin den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge.

Abgesehen davon, dass die als historisch gelobte Erklärung, hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wurde, möchte ich dazu folgendes feststellen:

Diese "Berliner Erklärung" beschreibt weder einen Traum noch die Realität innerhalb der Europäischen Union. Im Gegenteil.

Es ist die weitere Verweigerung der Realität, die die Staatschefs der Union daran hindert, die Krise, in der die EU steckt, auch klar zu benennen.

Folglich gibt es auch keine Initiative, die einen Ausweg weist.

Damit wachsen weiterhin die Gefahren von Desintegration und Re-Nationalisierung.

Es gibt keine Absage an eine neoliberale, sozial und ökologisch zerstörerische Freihandelszone, an eine weitere Militarisierung der EU.

In der Erklärung wird nicht ein Wort zur Lage von Millionen Menschen in der EU gesagt, die von Armut, lang anhaltender Arbeitslosigkeit, Prekarität und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Sie gehören de facto nicht dazu.

Die Botschaft der Erklärung richtet sich nur an die Regierenden und Herrschenden selbst, nicht aber an die Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten selbst.

Von Identitätsstiftung kann keine Rede sein.

Hört man Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin oder auch andere Regierungschefs reden, dann verkaufen sie ohne jegliche Nachdenklichkeit die Geschichte der EU als friedenspolitische Erfolgsgeschichte.

Der Krieg gegen das ehemalige Jugoslawien wird ausgeblendet, ebenso wie die Beteiligung von EU-Mitgliedsstaaten am Irak-Krieg - ob mit direkter Truppenpräsenz oder eben mit unterstützenden Maßnahmen wie die Bereitstellung von Truppenplätzen, Luftraumkorridoren.

Auch in Afghanistan haben EU-Mitgliedsstaaten längst ihre Unschuld verloren. Nicht nur diejenigen, die mit Bodentruppen im Süden Afghanistans kämpfen.

Der Einsatz von Bundeswehr-Tornado-Aufklärungsflugzeugen ist eine klare militärische Einsatzoperation!

Es ist schade, dass nur die Bundestagsfraktion DIE LINKE geschlossen gegen die Erweiterung des Einsatzes der Bundeswehr gestimmt hat.

Es ist gut, dass darüber hinaus eine ganze Reihe von Abgeordneten auch aus anderen Fraktionen der Meinungsmanipulierung widerstanden hat.

Die von der Linksfraktion eingereichte Klage gegen diesen Einsatz ist noch nicht vom Tisch.

Es wird sich im übrigen auch bei der Entscheidung zu dieser Klage zeigen, inwieweit das im Grundgesetz verankerte Nichtangriffsgebot der Bundeswehr durch die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes noch Bestand hat.

Durch die politische Praxis ist es längst ausgehebelt worden!

Es ist deshalb wichtig und gut, dass sich viele Menschen aus der Friedensbewegung auch in die Kämpfe um ein anderes, ein soziales, demokratisches, ökologisches, soziales und vor allem friedliches Europa einmischen.

Unsere gemeinsame Alternative, die wir der transatlantischen EU-USA-Machtoption entgegensetzen, muß die demokratische Entwicklung der Europäischen Union zu einem zivilen und solidarischen Akteur in der Welt zum Ziel haben.

Die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 50 Jahren hat dafür Voraussetzungen geschaffen, in dem die Kriege führenden Länder Deutschland, Frankreich und Italien eingebunden wurden.

Andererseits nahmen am feierlichen Akt auch Kolonialmächte teil, die weiterhin mordeten und bombten. Ich erinnere an den blutigen Algerienkrieg Frankreichs, die Rolle Belgiens im Kongo und vieles mehr.

Es ging in Rom 1957 nicht allein um Frieden in Westeuropa und das Wohl der Bürgerinnen und Bürger in den Unterzeichnerstaaten, sondern um Vorteile in der internationalen Konkurrenz und den Kampf gegen Alternativen zum Kapitalismus.

Fast 50 Jahre nach Vertragsunterzeichnung demonstrierten vierzigtausend Menschen im italienischen Vincenza gegen den Ausbau der US-amerikanischen Stützpunkte.

Ihnen gilt unsere Solidarität genauso wie wir den Kampf gegen die Stationierung neuer amerikanischer Raketensysteme, dem neuen SDI, in Polen und in der Tschechischen Republik unterstützen!

Gerade weil die USA erst eben wieder erklärten, daß sie selbst im Fall einer fehlenden Einigung mit Rußland an der Stationierung der neuen Raketensysteme in Mitteleuropa festhalten werden, sollte unser Gruß den Menschen in Tschechien und Polen gelten, die sich gegen diese neue Form von Mißbrauch ihrer Regionen wehren!

Im Entwurf der "Charta der Prinzipien für ein alternatives Europa", die aus dem europäischen Sozialforumsprozeß hervorgegangen ist, wird deutlich gesagt: Wir wollen ein ziviles Europa, das auf eine NATO verzichtet.

Deren Abwicklung beginnt mit dem Kampf gegen US-amerikanische Militärpräsenz in der Europäischen Union und Europa.

Das ist etwas anderes als die Stärkung der EU-europäischen Militärmacht innerhalb der NATO, um den USA etwas entgegenzusetzen.

Die sind mit über 700 Stützpunkten in mehr als 50 Staaten der Welt der potenziale globale Aggressor Nr. 1.

Unsere Solidarität sollte deshalb heute von diesem Platz auch jenen gelten, die sich gegen die Ansiedlung des Hauptquartiers der europäischen US-Streitkräfte in Wiesbaden zur Wehr setzen.

Die USA haben nach der Sowjetunion einen wesentlichen Beitrag zur Zerschlagung des deutschen Faschismus geleistet.

Die sowjetischen Truppen sind - auch wenn ihre Militärinterventionen nach dem 2.Weltkrieg weiterhin von links aus verurteilt werden müssen - würdevoll abgezogen.

Die US-amerikanischen Truppen sollen ihnen endlich folgen.

"Thank you and Good bye!"

Der Abzug aus dem Irak ist etwas völlig anderes.

Da geht es um ein lautes "Go Home", das der US-amerikanischen Friedensbewegung mit ihrem "Bring our boys home" solidarisch zur Seite steht.

Friedensbewegung, linke und alternative Akteure können und müssen heute für von US-Militär freie Staaten, Staatenverbünde und Kontinente kämpfen.

Sie können und müssen zugleich für Frieden im Nahen Osten eintreten.

Angesichts des Holocaust muß das Verhältnis der nicht-jüdischen Deutschen zu Juden, zu allen, die sich als solche verstehen, von besonderer Zurückhaltung und Sensibilität geprägt sein.

Das ist für uns selbstverständlich.

Wir sind zugleich verpflichtet, dem religiösen Antijudaismus und dem rassistisch motivierten Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.

Israels Sicherheit kann auf Dauer nur gewährleistet werden, wenn es Bürgerinnen und Bürgern sowie Nachbarn hat, die mit ihren Lebensbedingungen so zufrieden sind, dass sie jene Probleme, die den ganzen Nahen Osten betreffen - Stichwort Wasser - gemeinsam mit Israel lösen wollen.

Die Sicherheit und Unversehrtheit Palästinas und der Palästinenser ist nur denkbar, wenn Israelis nicht fürchten müssen, ins Meer getrieben zu werden.

So entschieden wie wir politische Konzepte und Strategien ablehnen, die den Staat Israel beseitigen wollen, so entschieden wenden wir uns gegen die Blockade jener, die von Palästinenserinnen und Palästinensern als ihre Interessenvertreter gewählt wurden.

Ich fordere die EU-Ratspräsidentin Angela Merkel auf, sich entschieden für die Wiederaufnahme von EU-Hilfsleistungen " die in allererster Linie der palästinensischen Bevölkerung zu gute kommen, einzusetzen.

Die Demütigung von Menschen hat noch nie dazu beigetragen, extremistischen Gruppen den Zulauf zu entziehen!

Liebe Freunde,

die Interessen Deutschlands und der EU werden nicht am Hindukusch oder an einem anderen Ort der Welt verteidigt, der außerhalb der EU liegt.

Die Interessen der Menschen in der EU, in Europa und anderswo werden dann am besten wahrgenommen, wenn wir uns für ein soziales, friedliches, solidarisches Europa einsetzen und wenn wir endlich aufhören, unsere eigenen ungelösten Aufgaben in andere Regionen der Welt zu exportieren.

Wenn es den Regierenden um Angela Merkel und den anderen Staatschefs ernst wäre mit ihrem Versprechen von Berlin, die EU bis zu den Wahlen 2009 auf eine "tragfähige erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen", dann hätte das folgende Konsequenz:

Aus dem gesamten Entwurf der Europäischen Verfassung sind all jene Passagen zu streichen, die auf wirtschaftspolitische Liberalisierung, Privatisierung und Militarisierung drängen.

Die Diskussion über jene Europäische Union, die sich die Mehrzahl der in ihr lebenden Menschen wünschen, ist endlich zu eröffnen!

Der dritte Teil des Verfassungsentwurfs sollte ganz gestrichen werden.

Statt dessen brauchen wir klare Kompetenz-und Verfahrensregeln, die demokratische, transparente, solidarische und gerechte Politiken ermöglichen.

Artikel I/41(3) muß durch ein klares Verbot des Angriffskrieges und die Festlegung auf das Völkerrecht ersetzt, die im Vorgriff auf den EU-Verfassungsvertrag schon arbeitende Rüstungsagentur geschlossen werden!

Zweifellos ist ein "Weiter so" unmöglich und zerstörerisch.

Engagieren wir uns für die politische Gestaltung der EU und der europäischen Integration, weil wir ein zukunftsfähiges solidarisches und friedliches Europa wollen.





Gabi Zimmer ist Mitglied des Europäischen Parlamentes für die Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne (GUE/NGL). Vita siehe hier

E-Mail: gabriele (Punkt) zimmer-assistant (at) europarl (Punkt) europa (Punkt) eu
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