Ostermärsche und -aktionen 2007


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Ostermärsche und -aktionen 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede beim Ostermarsch 2007 in Landstuhl am Karsamstag 7.4.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Wolfgang Krauss (in Landstuhl)

Selig sind, die Frieden machen. So sagt es Jesus in der Bergpredigt seinen Jüngern, der Volksmenge und aller Welt.

Du bist naiv! Das höre ich oft. Denn ich gehöre zu denen, die meinen, Christen müssten Pazifisten sein. Friedensmacher eben, denn nichts anderes heißt Pazifist: Einer der Frieden macht. Naiv! So einfach lässt sich Frieden nicht machen. So ähnlich hat es gestern auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth gesagt und die Ostermärsche kritisiert. Man könne nicht einfach gegen jede militärische Gewalt sein, man müsse das differenzierter sehen.

Ja, seit den Zeiten Kaiser Konstantins im 4. Jahrhundert ist alles anders. Die ursprüngliche Friedenshaltung der Kirche der ersten Jahrhunderte verwandelte sich in ihr Gegenteil. Das hatte Folgen: Noch mein Vater zog für Führer, Volk und Vaterland in den 2. Weltkrieg, durchaus mit dem Segen seiner pfälzischen protestantischen Kirche. Diese Woche wurden deutsche Tornado-Kriegsflugzeuge nach Afghanistan geschickt und Minister Jung wünschte den Piloten nicht nur Glück, sondern auch Gottes Segen, und auf Militärseelsorger müssen sie bei ihrem Einsatz dort nicht verzichten. - Auch die meisten in der Umgebung Landstuhls stationierten US-Soldaten glauben, dass sich Kriegsdienst und christlicher Glaube gut vereinbaren lasse. So hören sie es von ihren Militärpfarrern.

Doch Soldaten fangen an zu zweifeln. Wir hörten es von meinem Vorredner Michael Sharp. Eine zunehmende Zahl will nicht mehr kämpfen im Irak und auch nicht anderswo. Manche entdecken dabei den Jesus der Evangelien; den Jesus der seinen Feinden entgegengeht in der Liebe seines Vaters; den Jesus, der sich lieber Gewalt antun lässt, als selbst Gewalt zu üben; der sich ans Kreuz schlagen lässt; der bittet für seine Feinde und Mörder: "Vater, sie wissen nicht, was sie tun." Der so den Kreislauf, die Spirale der Gewalt unterbricht. Der alle Menschen einlädt auf diesen Weg der Gewaltfreiheit und der Liebe.

Wir kommen von Karfreitag her, die Christen unter uns gedachten gestern des Todes Jesu " erinnerten sich, wie er gefoltert wurde, wie er hingerichtet wurde als Verbrecher, als Bedrohung der damals Herrschenden. Wie sollen Christen noch foltern oder töten können, wo doch ihr Herr gefoltert und grausam getötet wurde und sich nicht wehrte?

Für Jesus war tötende Gewalt kein Mittel, auch nicht das letzte. Seine "ultima ratio" sein letztes Mittel war das Kreuz, freiwilliges Leiden, das war seine Waffe. "Wer mir nachfolgen will, der nehme das Kreuz auf sich und folge mir nach!" Die Einladung ist ernst gemeint, auch heute noch. Das Kreuz steht hier für die Bereitschaft zum Leiden im Einsatz für die kommende neue und bessere Welt Gottes. Es gab durch die Zeiten immer wieder Bewegungen und Menschen, die so das Kreuz aufgenommen haben. Als Mennonit stehe ich in der Tradition der Täufer, der "Wiedertäufer", von denen im 16. Jahrhundert 1000nde hingerichtet wurden, weil sie keine Gewalt anwenden wollten. Am bekanntesten in unserer Zeit sind Gandhi und Martin Luther King. Beide erreichten mit den Waffen des gewaltfreien Kampfes große politische Ziele, sie zählten auf die Bereitschaft 1000nder zum freiwilligen Leiden. Beide starben als gewaltfreie Märtyrer.

Wir gehen auf Ostern zu. Ostern - die Auferstehung - ist die Antwort Gottes auf die Ermordung, die unschuldige Hinrichtung seines Boten Jesus Christus. Wie wir uns das auch vorstellen mögen, bei vielen - schon damals - versagt da die Vorstellungskraft. Doch Jesus bleibt nicht tot. Bis heute wirkt er in seinem Geist, wie Christen bezeugen, bis heute wirkt er in seinem Leib, der Kirche, so ungehorsam sie bisweilen auch sein mag. Bis heute wirkt er weit darüber hinaus. Gott kann Steine zu Zeugen seiner Liebe machen. Er hat den Hindu Gandhi die Methoden und Waffen des gewaltfreien Kampfes neu entdecken lassen, mit ungeahnten Folgen bis heute.

Ich höre, Helmut Kohl ist vorgeschlagen für den Friedensnobelpreis. Bei allem Respekt und so gern ich endlich emo en Pälzer als Nobelpreisträger hett. De Nobelpreis geheert net dem Kohl, der geheert de Montagsdemo in Leipzisch un annerschdwo 1989. Haben wir schon vergessen, dass die deutsche Teilung ohne Gewalt überwunden wurde. Die Mauer durch Kerzen und Sprechchöre "keine Gewalt" gestürzt wurde?

Je nach Umfrage 63-77% der Deutschen sind gegen die Entsendung der Tornados nach Afghanistan. Warum schickt unsere große Koalition die Tornados doch? Warum lassen 63-77% sich das gefallen? Warum sind hier und heute nicht mehr Menschen auf der Straße?

Bevor ich euch von einem Rabbi erzähle, den ich letztens in Palästina getroffen habe, möchte ich uns an einige Ereignisse dieser Woche erinnern.

De Kurt Beck war in Afghanistan. Er hat dort etwas gesagt, was sich zuvor keiner öffentlich getraut hat. Man müsste auch mit den Taliban, mit gemäßigten(!) Taliban reden. Gibt`s denn sowas? Gemäßigte Taliban?. Bisher hatten unsere Medien die doch nur mit dem Adjektiv "radikal islamisch" erwähnt. "Radikal islamisch"= "terroristisch" - wer so bezeichnet wird, ist eindeutig dem Bösen zugeordnet und kann nur tödlich bekämpft werden. Dabei hatte der Westen doch noch vor gar nicht langer Zeit, solche Leute gegen ein anderes Reich des Bösen ausgerüstet und unterstützt. - Nebenbei gefragt, warum sollte der Westen militärisch mehr Erfolg haben, wo die geballte militärische Macht der Sowjet Union gescheitert ist. - Also unser Kurt Beck will mit de Taliban redde. Gut, sag ich. Denn Frieden machen kann nur, wer mit dem Feind redet und so herausfindet, wie sich der Krieg beenden lässt. Vielleicht stößt man auf gemeinsame Interessen, nämlich dass die Völker in Frieden leben wollen, dass das Land aufgebaut wird, dass man sich gegenseitig Sicherheit garantiert.

Naiv, ich weiß. Es geht noch um ganz andere Dinge. 9/11. Öl. Geostrategische Interessen. Ich bin sicher, de Kurt Beck weeß des aa, awwer er denkt, redde wär halt e guti Idee.

Ein anderes Beispiel. Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Kongresses und Führerin der Demokratischen Partei, sagt nicht nur "Reden wäre eine gute Idee." Sie hat es auch gleich gemacht. Diese Woche Mittwoch ist sie einfach so mir nichts dir nichts nach Syrien geflogen. Sie hat die Isolation Syriens durch die USA durchbrochen und mit Präsident Baschar al Assad gesprochen, offen und kritisch und der ebenso mit ihr. Noch dazu hat sie eine Friedensbotschaft von Ehud Olmert, dem israelischen Ministerpräsidenten, mitgebracht. Wahnsinn, Wahnsinn - sagten viele, damals, als die Mauer fiel. Nein: Vernunft, Vernunft, Vernunft - sollten wir sagen. Endlich schmeißt Gott Hirn vom Himmel.

Naiv - ich weiß. Es ist alles viel komplizierter mit dem Frieden in Nahost. Ich habe im November noch auf den Golanhöhen gestanden, die Syrien von Israel zurück haben will. Ein wahnsinnig gutes Schussfeld hat man von da oben auf das Ufer des ganzen See Genezareth. Auch auf den Kibbuz, wo wir übernachtet haben. Ich habe das fruchtbare syrische Land oben auf dem Golan gesehen. Es wird jetzt von israelischen Farmern bewirtschaftet und ich kann verstehen, dass Syrien diese Kornkammer zurück haben will. - Alles kompliziert, ich weiß. Aber zugleich, so wahnsinnig einfach, Vernunft anzunehmen und mit dem Gegner, dem Feind zu sprechen. Nur dann wird man jenseits aller gegenseitigen Dämonisierungen sehen, ob Ausgleich und Frieden möglich ist.

Wenn ich sage, wer in meinen Augen den Vogel abgeschossen hat in dieser Karwoche, dann werdet ihr mich gleich für obernaiv halten. Ich meine, es ist Mahmut Achmadinedschad, der iranische Präsident. Erstens hat er alle verblüfft. Zwar hatten beide Iran und Großbritannien Anfang der Woche schon ihre Sprache gemäßigt, waren zu direkten Verhandlungen bereit. Auch bereit, untersuchen zu lassen, wo die von Iran gefangengenommenen britischen Soldaten denn nun tatsächlich aufgegriffen wurden. In iranischen oder irakischen Gewässern. Das ist angesichts des umstrittenen Grenzverlaufs im Schatt el Arab nicht so leicht festzustellen. Anscheinend hätte Iran rechtmäßig gehandelt, wenn es die Soldaten in iranischen Gewässern aufgegriffen hätte. Aber - naive Frage - was haben denn britische Soldaten in irakischen Gewässern verloren?

Mahmud Ahmadinedschad hat die feindlichen Soldaten nicht nur freigelassen. Ohne Gegenleistung, ohne die ursprünglich von London verlangte Entschuldigung. Er hat auch gesagt: "Wir vergeben ihnen." Er lobte die gemäßigtere Haltung der Briten in den letzten Tagen und forderte auch US-Präsident George Bush zur Mäßigung auf. Verdrehte Welt, der in all unseren Medien als Hardliner dargestellte fordert zur Mäßigung auf. Als Anlass nannte Ahmadinedschad den Geburtstag des Profeten, das iranische Neujahrsfest - und irgendwo hieß es auch, Freilassung und Vergebung kämen ganz passend zu Karfreitag, Ostern und zum jüdischen Passahfest.

Ich weiß, auch hier ist alles viel komplizierter. Was ist mit den antisemitischen Reden Ahmadinedschads, seinem Hass auf Israel, will er nicht Atomwaffen entwickeln?

Komplizierte Fragen. Ich kann auf ihre Komplexität nicht eingehen. Es war Iran der angegriffen wurde, vom Irak des Saddam Hussein, damals mit USA verbündet. Der demokratisch gewählte Präsident Mossadegh wurde von britischem und amerikanischem Geheimdienst gestürzt. Es ist also alles komplizierter. Aber warum sollte man Vergebung nicht beim Wort nehmen?

Ich komme zum Schluss und möchte euch noch einen weniger bekannten Zeitgenossen vorstellen. Kein Präsident, kein Parlamentsprecher, kein Ministerpräsident, aber ich bin ihm selbst begegnet. Menachem Froman ist ein einfacher jüdischer Rabbi. Politisch nicht korrekt: Er lebt in der nach internationalem Recht illegalen jüdischen Siedlung Tekoa auf palästinensischem Gebiet in der Westbank südlich von Bethlehem. Dort besuchte ich ihn mit einer Reisegruppe. Für einen Siedlerrabbi hat er ungewöhnliche Gedanken. Er meint, die säkularen Politiker hätten ihre Chance gehabt. Nun seien die Gläubigen, die Frommen dran. Fromme Juden und fromme Muslime, wenn sie mitmachen wollten auch fromme Christen, sie sollten miteinander den Krieg beenden und Frieden machen. Er predigt das nicht nur. Er macht ernst, er knüpft Kontakte zur Hamas, die kommt auch in unseren Medien nur mit dem Beiwort radikalislamisch vor. Dort gibt es fromme Muslime, mit denen müssen wir frommen Juden reden und uns verständigen. Wir sind beide spirituelle Menschen, wir haben eine Ebene, die die säkularen Politiker nicht haben. Rabbi Froman war auch ein Freund des verstorbenen Jassir Arafat. Er hat ihn oft besucht und gesprochen. Auch ein frommer Mann, sagt Menachem, wie oft musste ich auf ihn warten, weil er erst zuende beten wollte.

Naiv ich weiß, doch es kommt noch naiver. Rabbi Froman entwirft ein biblisch politisches Szenario. Jerusalem sei die ewige und ungeteilte Hauptstadt Israels, meint er und beschreibt damit die offizielle isarelische Position. Viel zu wenig, sagt der Rabbi, wir haben die Macht, viel mehr aus Jerusalem zu machen. Wie es schon der jüdische Profet Jesaja schreibt: Jerusalem ist die Haupstadt der Welt, die Hauptstadt der Völker, hierher sollen nach der profetischen Vision die Völker kommen und Gottes Wege lernen, sie sollen Gott als Schiedsrichter ihrer Konflikte anerkennen, ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden, ihre Lanzen zu Rebmessern - alle Waffen sollen abgeschafft werden. In Jerusalem, auf dem Berg Zion, sollen die Völker das Kriegführen verlernen. Das sollen wir in Wirklichkeit umsetzen, sagt Rabbi Froman. Im Westen könnte Jerusalem durchaus israelische Hauptstadt sein, im Osten palästinensische Kapitale - aber zwischen beiden: die Hauptstadt der Welt.

Echt naiv, ein Spinner, dieser 70jährige Rabbi mit seinem langen weißen Bart und den weißen Locken unter der Kippa.

Doch welche Hoffnung hätten wir sonst, die wir so unmögliches fordern, wie die Abschaffung der Atomwaffen oder gar die Abschaffung des Krieges. Ich schöpfe Hoffnung aus dieser profetischen Verheißung: so wie die Völker einst den Krieg lernten, so können sie ihn wieder verlernen. Und jedesmal, wenn ich in Jerusalem bin, lerne ich neue Inititiativen für Frieden und Versöhnung kennen. Nirgendwo auf der Welt gibt es auf ein paar Quadratkilometern mehr gewaltfreie Gruppen. Das muss doch etwas zu bedeuten haben, trotz aller auch vorhandenen Konfrontation.

Es gibt Hoffnung, wo Feinde aufeinander zugehen. In Jesus Christus, das glaube ich zutiefst, kommt Gott seinen Feinden, uns Menschen, entgegen und macht Frieden. Das geht nicht einfach. Zunächst schlagen die Menschen ihn ans Kreuz.

Doch Gott lässt es nicht dabei, das Leben siegt über den Tod.

In diesem Sinn: Frohe Ostern!



Wolfgang Krauss ist aktiv beim Deutsches Mennonitisches Friedenskomitee (DMFK). Vita siehe hier

E-Mail: dmfk (Punkt) menno (Punkt) peace (at) t-online (Punkt) de
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