Ostermarsch
2008


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Ostermärsche und -aktionen 2008

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Ostermarschrede zum diesjährigen Mainz-Wiesbadener Ostermarsch in Wiesbaden am 22. März 2008

Bundeswehr raus aus Afghanistan! und neue, verstärkte Rekrutierung von SoldatInnen

Hans Ripper (in Wiesbaden)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 22. März 2008, Redebeginn: ca. 12.30 Uhr -



Anrede,

A) Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Nahezu alle diesjährigen Aufrufe zum Ostermarsch fordern die Bundesregierung auf, die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen. Es gibt keinen vernünftigen Grund dieses Land mit Krieg zu überziehen und es bis zum Sankt Nimmerleinstag besetzt zu halten. Seit 2001 kämpfen deutsche Soldaten in Afghanistan. Bereits ein Tag nach dem Anschlag vom 11. September 2001, sprach der damalige Bundeskanzler Schröder von einer "Kriegserklärung an die zivilisierte Völkergemeinschaft." Die Angriffe seien "nicht nur ein Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika. "Sie sind eine Kriegserklärung an die gesamte zivilisierte Welt.," so Schröder. Deshalb habe er dem US-Präsidenten "die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands zugesichert." Schröder wollte offensichtlich mitmischen. Vielleicht hatte die US-amerikanische Regierung eine Unterstützung durch die BRD noch nicht mal nachgefragt.

Die Informationsstelle Militarisierung e.V. schloss am 16..11.01. "Rasch begann man in Berlin, die unübersichtliche politische Lage und die sich entwickelnde Dynamik im Zuge der Bildung der Antiterror-Allianz als Gelegenheit zu begreifen, deutsche Interessen zur Geltung zu bringen."

Diese deutschen Interessen sind geostrategischer Natur, Wirtschaftsinteressen. Im Weißbuch der Bundeswehr, das im Herbst 2006 veröffentlicht wurde, kommt das Wort Interessen auf 16 Seiten vor. Und es handelt sich jeweils um Außenpolitik. Oft dient so ein Weißbuch der Rechtfertigung des eigenen politischen Handelns.

Im Verhältnis zum Kriegselend, mit dem das Land Afghanistan überzogen wird, sind die Interessen geradezu verwerflich. Krieg ist eben ein Verbrechen! Seit fast 30 Jahren ist in Afghanistan Krieg und Bürgerkrieg. Die afghanische Bevölkerung leidet. Dazu war bereits Ende 2001 in einem Aufruf von Medico International zu lesen: "Aus unterstützenden militärischen Aktionen zur Verhaftung eines Terroristen ist ein umfassender Angriff gegen eines der ärmsten Länder der Welt sowie seine von Hunger und Armut gepeinigte, von Entwurzelung und Tod bedrohte Bevölkerung geworden. Die Spaltung der Welt in Arm und Reich war nicht die Ursache des mörderischen Anschlags vom 11. September. Nun aber vertiefen die Angriffe auf Afghanistan diese Spaltung und mehren damit die Gründe, den Westen und seine Zivilisation zu hassen." Übrigens hat Medico International für seine Demilitarisierung durch Minenräumung von Kriegsgebieten 1997 den Friedensnobelpreis zusammen mit einer Partnerorganisation erhalten.

Wie bekannt, ließ sich die Mehrheit der politischen Elite der BRD nicht durch diesen und weiteren Aufrufe davon abhalten im November 2001 im Bundestag mit Mehrheit und nur dem Gewissen unterworfen, 1.200 Soldaten nach Afghanistan zu entsenden. Heute sind dort über 3.500 Soldaten stationiert. Offensichtlich waren noch ein paar Abstimmungen im Bundestag. Ich habe sie nicht gezählt. Eine Kampfeinheit mit 250 Soldaten und deutschem Kommandeur kommt diesen Sommer noch dazu.

Mit so genannten Wiederaufbauteams gibt die Bundeswehr vor, humanitäre Hilfe zu leisten.

Ich komme zurück zum Weißbuch. Das Wort humanitäre Hilfe kommt darin nicht vor. Wenigstens dort sind sie ehrlich. Soldaten sind zum Kämpfen da. Auch zum Sterben. Und nicht zu vergessen produzieren sie auch die vielen Kollateralschäden. Versehentlich getötete Menschen, Alte, Junge, Männer, Frauen, Kinder manchmal auch ganze Familien, die gerade mal für Terroristen gehalten werden. Die zu Krüppeln Geschossenen werden in aller Regel nicht gezählt. Oft Jahre später hört man dann von Versorgung mit Prothesen durch Hilfsorganisationen in Kriegsgebieten. Das bezieht sich nicht nur auf Afghanistan.

"Provincial Reconstruction Teams" (PRT) heißen die Wiederaufbauteams in der NATO-Sprache. Sie werden von allen an dem mörderischen Krieg beteiligten Staaten gestellt. Sie werden national geführt, stehen unter dem Kommando der NATO und agieren im Rahmen der von den UN mandierten ISAF. Sogar innerhalb der Nato sind sie umstritten. Ein Koordinator für eines von der NATO organisierten Seminare über Erfahrungen mit PRT`s kommt in einem Bericht zum Schluss, dass sie völlig uneineinheitlich arbeiten und manche sogar zum Schluss kommen, man müsste mehr militärische Mittel einsetzen, "um eine glaubwürdige robuste Präsenz zu erreichen." Die Wiederaufbauteams sind nicht nur umstritten, sie sind sogar fragwürdig.

Entsprechend ist die Reaktion ziviler NGO`s. So stellt Jürgen Lieser von Caritas International die Frage, ob Helfer Handlanger sein können. Er schreibt in einem Bericht über "Humanitäre Hilfe in den Zeiten der neuen Kriege" unter anderem, ich zitiere: "Aus den gleichen Gründen steht Caritas international auch der Forderung nach militärischem Schutz von humanitärer Hilfe skeptisch gegenüber. Jetzt, wo auch die humanitären Helfer zunehmend zur Zielscheibe von Anschlägen werden, wird der Ruf nach militärischem Schutz lauter. Die Helfer wissen aber zu gut, dass verstärkte militärische Präsenz nicht unbedingt mehr Sicherheit bringt. Das Gegenteil ist oft der Fall: je mehr die humanitären Helfer sich unter den Schutz einer Militärmacht begeben, desto eher werden sie von den Feinden dieser Militärmacht bedroht. Die Attentate auf UN, Internationales Rotes Kreuz und andere Hilfsorganisationen in Afghanistan und im Irak haben dazu geführt, dass Hilfsorganisationen inzwischen ihre Identität lieber verbergen und unsichtbar bleiben wollen. Sie haben ihre Aufkleber von den Fahrzeugen entfernt und die Helfer tragen nicht mehr die T-Shirts mit dem Logo ihrer Organisation. Die militärische Absicherung von humanitärer Hilfe steht im Widerspruch zum Neutralitätsprinzip und macht die Hilfsorganisationen unglaubwürdig."

Ach, dann noch das dumme Geschwätz vieler Medien, die zur Sprache der Militärs finden. Die zivilen Aufbauteams, die NGO`s müssten doch geschützt werden. Hier zeigt sich, die NGO`s wollen in aller Regel nicht geschützt werden. Militärpräsenz gefährdet ihre Arbeit. Und nicht nur das, Militärpräsenz gefährdet auch ihr Leben. Die Menschen, die in zivilen NGO`s Hilfe leisten, sind sich der Gefahr, in die sie sich begeben absolut bewusst.

Solche schon äußerst fragwürdigen Wiederaufbauleistungen durch Streitkräfte werden zusätzlich durch die Kampfeinsätze verbündeter Kameraden konterkariert. Ab diesen Sommer wird die Bundeswehr selbst an solchen Kampfeinsätzen teilnehmen. Das sind diese 250 Soldaten, die der Bundestag mit der regelmäßig sicheren Mehrheit noch vor den diesjährigen Parlamentsferien nach Afghanistan entsenden wird.

Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist dagegen, dass die Bundeswehreinsätze ausgeweitet werden und die Soldaten an Kampfhandlungen teilnehmen.

Aber Verteidigungsminister Jung, eigentlich ein Kriegsminister, sprach vor wenigen Tagen während der 41. Kommandeurtagung zu seinen Generälen und Obristen, dem militärischen Führungspersonal der BRD, über die Einsätze der Bundeswehr, "...auch der Charakter unserer Einsätze wird sich den Herausforderungen anpassen müssen! Neben den Schwerpunkten der Stabilisierung und militärischen Absicherung von Wiederaufbaumaßnahmen werden künftig mit der Aufgabe "Herstellen von Sicherheit" robustere Maßnahmen ins Zentrum rücken. Gerade in Afghanistan müssen wir uns auf ein schwieriges Umfeld einstellen." "Robustere Einsätze" sind nichts anderes als Kampfeinsätze. Und das lehnen eben dreiviertel der Bevölkerung in Deutschland ab.

B) Neue, verstärkte Rekrutierung von SoldatInnen

Die Bundeswehr wirbt immer offensiver um Rekruten für den Krieg. Sie zeigt Präsenz auf Messen, Märkten und Volksfesten, drängt mit ihren Positionen in die Schulen und nicht zuletzt versucht sie, aus der beruflichen Perspektivlosigkeit und der sozialen Zwangslage vieler jugendlicher Erwerbsloser Kapital zu schlagen. Die Kooperation von Arbeitsagenturen und Jobcentern mit der Bundeswehr ist mittlerweile nichts Neues mehr. Langzeitarbeitlosen unter 25 kann sehr leicht die Unterstützung gestrichen und die eigene Wohnung verweigert werden.

Gleichzeitig gibt es noch immer den gesetzlichen Zwang zum Kriegsdienst. Während viele europäische Staaten von Portugal bis Rumänien den Zwang zum Kriegsdienst abgeschafft oder ausgesetzt haben, hält die CDU/CSU/SPD-Koalition krampfhaft daran fest. Hinter dem Gerede der SPD von einer so genannten freiwilligen Wehrpflicht steckt die Absicht, den Kriegsdienstzwang wider alle Gegenargumente beizubehalten. Der Vorschlag der SPD läuft letztendlich sogar auf eine noch viel weitergehende Dienstpflicht hinaus. CSU und Junge Union fordern sogar ganz offen eine Dienstpflicht, obwohl eine solche dem Zwangsarbeitsverbot internationaler Menschenrechtskonventionen widerspräche. Man fürchtet offenbar, dass sich trotz Massenarbeitslosigkeit nicht genügend Freiwillige fürs Töten und Sterben finden könnten. Bisher überstieg die Todesrate bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht das im Inland Übliche. Das wird sich ändern. Es kommen auch immer mehr Soldaten traumatisiert aus den Kriegen zurück.

Wir fordern:

Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Schluss mit den Auslands- und Inlandseinsätzen der Bundeswehr

Das Menschenrecht auf Kriegsverweigerung

Die Abschaffung der Bundeswehr und von Krieg und Militär weltweit



Hans Ripper ist aktiv bei der DFG-VK Gruppe Mainz.

E-Mail: h (Punkt) ripper (at) t-online (Punkt) de
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