Ostermarsch
2008


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Rede beim Ostermarsch am 22. März 2008 in Stuttgart

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

Odilo Metzler (in Stuttgart)



- Es gilt das gesprochene Wort -



wir haben den Ostermarsch am Deserteursdenkmal begonnen, erinnernd an den Widerstand der Weißen Rose gegen Nazi-Deutschland und seinen Raubkrieg. Die Scholls und andere Mitglieder der Gruppe haben diesen Widerstand mit dem Leben bezahlt so wie der österreichische Bauer Franz Jägerstätter. Seiner Kriegsdienstverweigerung haben wir im Oktober am Deserteursdenkmal gedacht.

Aus der Katastrophe des letzten Weltkriegs wurde der Bundeswehr die Möglichkeit verwehrt, Angriffskriege und Wirtschaftskriege zu führen. Das steht im Grundgesetz und das war bis vor wenigen Jahren Konsens in Deutschland. Diesen Konsens, dass von unserem Land aus kein Krieg für wirtschaftliche Interessen geführt werden darf, hat die Bundesregierung mit dem Weissbuch zur Sicherheitspolitik vor gut einem Jahr aufgekündigt. Denn Wohlstandssicherung und die Zugriffe auf Energieressourcen (wie auch die Abwehr von Armutsflüchtlingen) gehören zum neuen Sicherheitsverständnis, das für die Bundeswehr gelten soll. Das ist unglaublich, dass die Bundeswehr die Aufgabe bekommen soll, Rohstoffkriege zu führen. Das ist ein Verfassungsbruch. Dazu sagen wir Nein, weil so der Frieden in unserer Welt und die Zukunft unseres Landes verspielt wird.

Von Deutschland geht wieder Krieg aus. Das hat die Unterstützung unserer Behörden für den Irak-Krieg gezeigt. Und damit kein Ende. Vor einem Jahr entschied US-Präsident Bush, dass hier in Stuttgart, in Möhringen, in den Kelley-Barracks das AfriCom, die neue Kommandozentrale der USA für Militäreinsätze in Afrika aufgebaut wird. Das AfriCom ist nach dem EuCom in Vaihingen der zweite Ort, wo von Stuttgart aus Kriege in anderen Ländern geplant werden. Dies sind zwei Orte in Stuttgart, die außerhalb der Nato und außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes liegen. Die USA haben versucht, ein afrikanisches Land zu gewinnen, in dem das AfriCom seinen endgültigen Standort findet. Zuletzt hat Bush das selbst versucht bei seiner Afrika-Reise im Februar. Alle afrikanischen Regierungen haben NEIN gesagt, weil sie befürchten, dass ihr Land dadurch zum Brennpunkt von Rohstoffkriegen oder Terroranschlägen wird. Sie haben sich getraut, was sich unsere Regierung nicht traut: sie sagen NEIN.

Wir stehen heute hier, weil wir uns für eine andere Politik einsetzen, eine Politik, die Verantwortung wahrnimmt und sich nicht aus falscher Loyalität in Großmacht-Strategien hineintreiben lässt. Wir wollen eine Politik, die Konflikte beilegt, und nicht neue Gewalt schürt. Die Militarisierung unserer Außenpolitik ist verantwortungslos. Es ist verantwortungslos, Israel mit atomwaffenfähigen U-Booten auszurüsten, weil dies den Nahostkonflikt immer noch mehr verschärft. Das gilt genauso für Rüstungsexporte in andere Regionen.

Wir fordern hier und heute eine Politik der Konfliktlösung, die Gegner an einen Tisch bringt und einem Ausgleich der Interessen verpflichtet ist. Das gilt für China und Tibet genauso wie für Burma und Israel-Palästina. Wo Konflikte durch militärische Dominanz unterdrückt werden, werden die historischen Chancen für friedliche Lösungen zerstört. Wo nicht mit Gegnern geredet wird, wo Besatzung, Unterdrückung und Apartheid betrieben werden, dürfen sich die deutsche und europäische Regierungen nicht zu Komplizen machen, wie es unsere Bundekanzlerin gerade in Israel getan hat. Wir fordern ein sicheres Leben und eine friedvolle Zukunft für die Bevölkerung in Israel. Wir fordern ebenso Freiheit für das palästinensische Volk und eine gerechte Lebensperspektive für seine Menschen. Denn für beide Völker gibt es nur eine gemeinsame Zukunft. Das kann nicht ein landesweites Militärlager für die einen und ein landesweites gefängnis für die anderen sein. Für eine gemeinsame Zukunft beider muss deutsche und europäische Politik Verantwortung übernehmen. Deshalb treten wir hier ein für ein Ende der über 40jährigen völkerrechtswidrigen Besatzung Palästinas. Und deshalb treten wir hier ein für die Achtung von Menschenrechten und Völkerrecht im Nahen Osten wie in den anderen Erdteilen, wo sie verletzt werden. Und wir setzen auf zivile Konfliktlösung. Ein Beitrag von Pax Christi sind zwei Friedensfachkräfte, in Jerusalem, die ein Netzwerk zwischen Menschen auf beiden Seiten aufbauen. Ähnliches machen andere Organsisationen in verschiedenen Konfliktregionen.

Doch alles deutet darauf hin, dass unsere Regierung den Weg der Militarisierung weiter geht. Dazu sagen wir heute und morgen NEIN. Wir fordern den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Unsere Sicherheit wird nicht am Hindukusch verteidigt, sondern der Friede wird dort verspielt, wo immer mehr Menschen zu wenig zum Leben haben und andere den Kragen nicht voll genug bekommen: in unserem Land und weltweit. Das ist schon ein Wirtschaftskrieg ohne Militär. Dazu sagen wir NEIN.

Ostermarsch heißt für Christinnen und Christen auch, dass Gewalt nicht das letzte Wort hat. Ostern ist die Hoffnung, dass jenseits der Gewalt, des Mordens und des Todes neues Leben entsteht, neue Solidarität und Menschlichkeit. Vor Ostern wird uns das Wort Jesu in Erinnerung gerufen: "Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen." (Mt 26,52). Ostern heißt: Es gibt eine Zukunft jenseits der Macht der Schwerter. Deshalb sind wir heute hier. Danke.



Odilo Metzler ist Vorsitzender von Pax Christi in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Hochschulseelsorger und Pastoralreferent in Stuttgart-Hohenheim. Vita siehe hier

E-Mail: ometzler (at) oehg (Punkt) de
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