Ostermarsch
2008


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Ostermärsche und -aktionen 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den ostermarsch Ruhr 2008 am 22. März in Duisburg

Afghanistan und kein Ende

Inge Höger (in Duisburg)

Anrede,

Sechseinhalb Jahren schon kämpfen die USA mit ihren Verbündeten gegen das Volk von Afghanistan. Vorgestern jährte sich der Einmarsch der USA in den Irak zum fünften Mal. Beim sog. Kampf gegen den Terror in Afghanistan hat die Bundeswehr von Anfang an mit gekämpft. Zuerst mit KSK - Soldaten, dann mit regulären Truppen. Für den Irakkrieg stellt Deutschland Überflugrechte und Logistik zur Verfügung. Die meisten US-Luftangriffe starteten von US-Basen auf deutschem Boden.

Seit der Unterstützung der völkerrechtswidrigen Intervention in Jugoslawien im Jahr 1999 befindet sich Deutschland im permanenten Kriegszustand. Mit unseren Ostermärschen fordern wir ein Ende der Kriege! Wir wenden uns gegen die Militärisierung der Außen- und Innenpolitik!

Dabei geht die Militarisierung der deutschen Außenpolitik in einem Ausmaß und einer Schnelligkeit voran, die sich weder die Friedensbewegung noch die deutsche Bevölkerung hätte träumen lassen. Immer sind auch deutsche Soldatinnen und Soldaten mit dabei, wenn es um Kriege und Militäreinsätze überall auf der Welt geht.

Viele Jahre galt nach dem zweiten Weltkrieg die Devise "von deutschem Boden soll nie wieder ein Krieg ausgehen" und deutsche Soldatinnen und Soldaten sollen sich nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen in anderen Ländern beteiligen. Im Grundgesetz wurde festgeschrieben, dass die deutsche Bundeswehr nur zur Verteidigung aufgestellt ist.

Die Lehren aus zwei Weltkriegen und das Grundgesetz werden von allen Bundesregierungen seit der Teilnahme an dem völkerrechtswidrigen Krieg in Jugoslawien mit Füßen getreten. Seitdem ist die Bundeswehr überall auf der Welt mit dabei, wenn es um Kriegseinsätze geht. Knapp 7.300 Soldatinnen und Soldaten sind gegenwärtig an elf Auslandseinsätzen rund um den Globus beteiligt.

Auch wenn es einigen noch nicht schnell genug geht, die Enttabuisierung des Militärischen (wie Gerhard Schröder das nannte) ist weit fortgeschritten. Krieg wurde von Rot-Grün als Mittel der deutschen Außenpolitik etabliert. Heute spricht Kanzlerin Merkel von der gewachsenen Bedeutung Deutschlands, die die Bundesregierung bewusst wahrnehme. Deutschland will mitspielen beim großen Monopoly um Einflusssphären in der Welt.

Krieg als Mittel der Außenpolitik ist deshalb auch im Weißbuch der Bundeswehr festgeschrieben. Dort wurde festgestellt, dass Deutschland in "hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und freien Transportwegen abhängig" sei. Die deutsche Industrie ist Exportweltmeister und will dies auch mit allen Mitteln bleiben. Energie und Rohstoffsicherung und die Sicherung der Seewege, des freien Handels sind deshalb sicherheitspoltische Aufgaben. Kriegseinsätze im Ausland und nicht mehr die Landesverteidigung bestimmen heute das Kerngeschäft der Bundeswehr.

Dazu wird die Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee umgebaut und mit alten und neuen Waffen aufgerüstet. Der Rüstungshaushalt ist der einzige Haushaltsposten, der Jahr für Jahr beachtliche Steigerungsraten aufweist.

Dem deutschen Volk wurde und wird das Abenteuer in Afghanistan als eine Art Entwicklungshilfe verkauft. Doch seit Anfang des Jahres wird nun scheinbar selbstverständlich von Krieg und Kampfeinsätzen in Afghanistan geredet. Die deutschen Medien begleiten diese Debatte mit Sätzen wie "Wer sich in einen Krieg begibt, wird irgendwann kämpfen müssen."

Dabei hatte es im letzen Jahr eine breite und heftige öffentliche Debatte über die zunehmende Verstrickung Deutschland in kriegerische Auseinandersetzungen gegeben. Die Entscheidung, die NATO-Truppen in ganz Afghanistan bei der Luftaufklärung mit deutschen Tornados zu unterstützen war heftig umstritten. Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung waren gegen die Entsendung deutscher Tornados. Erstmals gab es bei einer Abstimmung im Bundestag über ein Kriegsmandat 157 Gegenstimmen und 11 Enthaltungen.

Die Basis von Bündnis90/DIE GRÜNEN erzwang einen Sonderparteitag. Der Parteitag war gegen die Beteiligung am Afghanistan-Krieg und forderte die Fraktion, gegen die Fortsetzung der Mandate zu stimmen.

Auch in der SPD gab es Diskussion und Teile der SPD verlangten die Einstellung der Beteiligung an der US-geführten Operation Enduring Freedom (OEF).

Die Bundesregierung versuchte der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen durch den Hinweis, dass OEF und ISAF unterschiedliche Aufgaben hätten. Es durfte schon mal Kritik am Vorgehen der US-Truppen gegen die Zivilbevölkerung geäußert werden. Allein schon um zu rechtfertigen, warum man diesen Krieg die USA nicht allein führen lasse. Die Bundesregierung will für Deutschland eigene Interessen in dieser geostrategisch so wichtigen Region sichern und besteht auch deshalb auf einem eigenen Einsatzgebiet ohne Unterordnung unter die Interessen der USA.

Gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung wurde letztendlich die Verlängerung der Mandate von ISAF und OEF durch die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages beschlossen, wenn auch mit vielen Gegenstimmen.

Und ohne große öffentliche Beachtung fanden bereits im Herbst letzten Jahres die ersten größeren Kampfeinsätze im angeblich so friedlichen Norden Afghanistans statt. Unter deutschem Kommando gingen deutsche und afghanische Soldaten mit einer norwegischen Kampfeinheit gegen sog. Aufständische vor. Die Norweger sprachen von den schwersten Kämpfen seit dem zweiten Weltkrieg.

Generalinspekteur Schneiderhan erklärte erstmals, auf Deutschland käme auch die Beteiligung an einer neuen schnellen Eingreiftruppe - einer Quick Reaction Force - im Rahmen von ISAF zu. Immer deutlicher wurde und wird die Entschlossenheit der deutschen Bundesregierung, sich zusammen mit den US-Truppen auf Jahre und Jahrzehnte in Afghanistan festzusetzen.

Deshalb darf es uns nicht überraschen, wenn Berlin sich nun auf offensive Kampfeinsätze vorbereitet und die Quick-Reaction-Force von den Norwegern übernehmen wird. Nach der Entscheidung über den Einsatz von Bundeswehrtornados für die Luftaufklärung auch im umkämpften Süden, nach der Beteiligung an umfangreichen Kampfhandlungen im Norden und Westen im Herbst unter deutschen Oberkommando wäre dies nun der dritte Meilenstein, mit dem sich Deutschland immer tiefer in den Krieg am Hindukusch verstrickt.

Das deutsche Volk soll so nach und nach an die Normalität von Kriegseinsätzen gewöhnt werden. Politiker und Politikerinnen überbieten sich in Floskeln, dass sei eine neue Qualität, aber man müsse diese Aufgabe nun im Rahmen der NATO übernehmen usw. Immer wird das Spiel gespielt, die NATO würde diese Einheiten anfordern, obwohl die Bundesregierung sie ganz im Gegenteil angeboten hat.

In dieses abgekartete Spiel passt auch das Theater über den angeblichen Geheimbrief des US-Verteidigungsministers Gates, in dem er die Bereitstellung deutscher Soldaten für Kampfeinsätze in Südafghanistan fordert. Nicht zufällig fällt das Theater um den Gates-Brief mit dem beschlossenen nächsten Eskalationsschritt des deutschen Kontingents zusammen. Die Salamitaktik geht weiter und es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis deutsche Soldaten nicht nur vorübergehend auch im Süden kämpfen und sterben.

Und es wird von einigen Verantwortlichen auch offen gesagt, warum das nur Schritt für Schritt geht. Schließlich müsse man die deutsche Bevölkerung "mitnehmen` heißt es. Mitnehmen wohin? kann man da nur fragen. In einen Krieg, den die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt. In der Hoffnung, dass das Volk gar nicht merkt, dass sich die Bundesregierung trotz gegenteiliger Behauptungen immer tiefer ins Kriegsgeschehen verstrickt. Das deutsche Volk will weder diesen noch andere Kriege!

Und wie geht es den Menschen in Afghanistan?

6 1/2 Jahre nach Beginn der von der NATO angeführten Intervention geht es den Menschen schlechter denn je und der Krieg ist wieder richtig in Fahrt gekommen. Das Land wird in die Steinzeit zurückgebombt. Den Menschen wird ihre Existenzgrundlage genommen. Die Landwirtschaft liegt am Boden zerstört. 70 % der Afghaninnen und Afghanen leiden an chronischen Nahrungsmangel. 60 % der Menschen haben kein geregeltes Einkommen. 90% der Frauen können weder lesen noch schreiben. Die Mütter- und Kinder-sterblichkeit ist eine der höchsten der Welt.

Die Taliban sind so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr. Der Drogenanbau ist das einzige was funktioniert.

Seit 2002 wurden 85 Mrd. US-Dollar für Militärmaßnahmen aber nur 7,5 Mrd. Dollar für den zivilen Wiederaufbau eingesetzt. Allein Deutschland hat für die Verteidigung am Hindukusch inzwischen mehr als 2 Mrd. ausgegeben. Die Aufrüstung mit immer neuen und sicheren Waffen nicht mitgerechnet.

In Afghanistan ist mit militärischen Mitteln kein Frieden erreichbar. Ganz im Gegenteil sind terroristische Gruppen so stark wie nie zuvor. Die Macht der Warlords ist ungebrochen. Afghanistan ist heute von demokatischen Verhältnissen ähnlich weit entfernt, wie zu Beginn des Krieges. In den meisten Regionen regieren Warlords und Drogenbarone. Die Autorität der Karsai-Regierung reicht nicht über Kabul hinaus. Karsai wird deshalb häufig "Bürgermeister von Kabul" genannt.

Es gibt nur eine Möglichkeit, um aus diesem Dilemma herauszukommen. Der Zerstörung des Landes und der Menschen muss ein Ende gesetzt werden. Alle ausländischen Truppen müssen abgezogen werden. Deutschland sollte den Anfang machen. Das garantiert noch keinen Frieden und keine Stabilisierung des Landes. Aber es könnte die Voraussetzung für einen Friedensprozess sein, der von den Afghanen selbst ohne äußere Einmischung getragen wird.

Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Kein Krieg nirgendwo!



Inge Höger ist Bundestagsabgeordnete für die Linkspartei. Vita siehe hier

E-Mail: inge (Punkt) hoeger (at) bundestag (Punkt) de

Website: www.inge-hoeger.de
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