Ostermarsch
2008


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Ostermärsche und -aktionen 2008

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Redebeitrag für den Ostermarsch Ruhr 2008 am 24. März in Dortmund-Dorstfeld

Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen!

Joachim Schramm (in Dortmund-Dorstfeld)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 24.03.08, Redenbeginn: ca. 14 Uhr -



Liebe Friedensfreundinnen und -freunde, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Vor fünfzig Jahren fand der erste Ostermarsch statt. Erfunden wurde er von der britischen Friedensbewegung. Am 07. April 1958 bewegte sich in London vom zentralen Platz Trafalgar Square aus der erste Ostermarsch durch die Straßen. Mit dem Ruf "Ban the bomb" (Verbietet die Bomben) zogen Tausende Kernwaffengegner zum britischen Atomforschungszentrum Aldermaston. Sie forderten, dass Großbritannien seine Kernwaffen, insbesondere die Wasserstoffbombe vernichtet.

Trotz schlechten Wetters an diesem Ostersonntag waren Tausende gekommen. Aus der kleinen Campaign for nuklear Disarmement (Kampagne für nukleare Abrüstung) war beinahe über Nacht eine Massenbewegung geworden. Die Initiative fand breite Unterstützung von Parlamentsabgeordneten der Labour-Party, von Kommunisten, von Kirchenführern und von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Ihr Zeichen war das, was wir heute noch als Ostermarschzeichen überall sehen: das über einander kopiertes N und D aus der Flaggensignalsprache. ND stand für Nuclear Disarmament.

Auch deutsche Friedensaktivisten nahmen an dem Marsch teil und brachten die Idee mit herüber. 1960 fanden auch in der BRD Ostermärsche statt. Pazifisten und Kriegsdienstverweigerungsgruppen in den vier norddeutschen Städten Hamburg, Bremen, Hannover und Braunschweig beschlossen, in einem Sternmarsch 3 bis 4 Tage über Ostern nach Bergen-Hohne zu marschieren, wo die US-Army die Honest John Raketen als Träger für Atomwaffen erprobte. Der erste Ostermarsch in Deutschland war alles andere als eine Massenbewegung. Prof. Andreas Buro, noch heute bekannter Aktivist der Friedensbewegung erinnerte sich: "Aus Braunschweig standen wir zu 24 zwischen zwei Stützpfeilern der Kirche, deren Pfarrer uns mit bewegenden Worten in die kalte und nebelige Landschaft hinaus schickte. Ich wäre lieber zwischen den Pfeilern stehen geblieben. Damals waren die meisten von uns das Demonstrieren noch nicht gewöhnt. Drei Tage Marsch bei Kälte und Schnee und vielen Anfeindungen. Wir lernten schnell, wie wichtig die Gruppe für unsere seelische Stabilität war. Am Tag der Vereinigung mit den anderen "Marschsäulen" war es eine große Erleichterung zu sehen, dass auch andere den Protest mittrugen."

Die Ostermarschbewegung hat seitdem ihr Hochs und Tiefs erlebt. Aber unser Engagement ist heute genauso wichtig wie damals zu Hochzeiten des Kalten Krieges. Und immer noch sind es die Atomwaffen, die unseren Protest herausfordern.

Ende der 80/Anfang der 90er Jahre schien es, als sei die größte atomare Bedrohung gebannt. Der INF-Vertrag führte zum Abbau der Mittelstreckenraketen in Europa. Die START-Verhandlungen sollten auch im Interkontinentalbereich für Abrüstung sorgen. 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Androhung oder Anwendung von Gewalt mittels Atomwaffen für unrechtmäßig.

Doch die Atommächte denken nicht daran, auch ihrer Verpflichtung aus dem Atomwaffensprerrvertrag nachzukommen, und endlich ihre Waffenarsenale zu verschrotten. Ganz im Gegenteil ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Gefahr durch Atomwaffen wieder gewachsen. In den USA wurde schon unter Präsident Clinton die Atomwaffendoktrin so geändert, dass nun auch Atomwaffen gegen Staaten angewendet werden sollten, die selbst nicht über diese Waffen verfügen. Der Verdacht auf den Besitz von biologischen oder chemischen Waffen sollte ausreichen als Grund für einen nuklearen Angriff. Selbstverständlich war damit der mögliche Schlag gegen den Irak gemeint, dem man ja den Besitz solcher Waffen nachsagte.

Doch damit nicht genug! Anfang 2002 wurde der Inhalt einer Überarbeitung der US-Atomwaffendoktrin bekannt, die Nuklear Posture Review. Sie zielt nicht etwa auf eine Reduzierung der Gefahr durch Atomwaffen. Nein, sie zielt auf die Vereinfachung der Anwendung dieser grausamen Waffen! Vor dem Hintergrund der sogenannten asymetrischen Kriege, in denen den hochtechnisierten Armeen der Industriestaaten eher schlechter bewaffneten Heeren oder Guerillatruppen kleiner Länder gegenüberstehen, sollen Atomwaffen diese Kriege für die USA noch leichter gewinnbar machen. Daher sollen kleine Atomwaffen (mininukes) oder Bunker Buster die Anwendung von Nuklearwaffen auf dem Schlachtfeld möglich machen, kombiniert mit dem Einsatz konventioneller Waffentechnik. Schon heute gibt es Atombomben, deren Sprengkraft man den militärischen Erfordernissen anpassen kann. Doch auch eine Kleine Atombombe hat eine verheerende Wirkung, deshalb will man sie ja anwenden!. Auch kleine Atombomben hinterlassen Strahlung, erzeugen nuklearen Fallout, der über ganze Landstriche niedergeht.

Auch der präventive Einsatz von Atomwaffen wird in der Nuklear Posture Review der USA aufgeführt. Der Einsatz also gegen Länder, denen man einen Angriff nur unterstellt oder sogar nur die Entwicklung einer bestimmten Bedrohung. Einzelne Länder als Ziele für mögliche Atomangriffe der USA wurden in dem Dokument direkt benannt: China, Rußland, Irak, Nordkorea, Iran, Libyen und Syrien.

Vor wenigen Wochen erst haben fünf ehemalige Oberbefehlshaber aus den USA, GB, D, F und NL den präventiven atomaren Erstschlag der NATO auch gegen Staaten verlangt, die in den Besitz von Atomwaffen gelangen wollen. Das es hier aktuell um den Iran geht, liegt auf der Hand.

26.000 Atomsprengköpfe gibt es heute weltweit. 15.000, also weit mehr als die Hälfte besitzen die USA. 8-9.000 besitzt Russland, dann folgen die anderen Atomstaaten Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel, Nordkorea. Sie alle haben wieder begonnen, ihre Arsenale zu modernisieren, neue Sprengköpfe zu entwickeln, neue Raketen und andere Trägermittel. Wir werden also Zeugen eines neuen atomaren Wettrüstens. Seit Anfang letzten Jahres steht die Weltuntergangsuhr wieder auf fünf vor zwölf. Die Mitglieder des Bulletin of Atomic Scientists - unter ihnen 18 Nobelpreisträger - rückten die Zeiger dieser mahnenden Uhr um gleich zwei Minuten vor. Denn das Risiko eines Atomkriegs, sagen diese Experten, sei so hoch wie seit 1981 nicht mehr.

3.500 Atomwaffen sind aktuell in höchster Alarmbereitschaft, können also jederzeit gezündet werden. Sie können auch jederzeit durch einen technischen Fehler, durch menschliches Versagen oder durch eine politische Fehleinschätzung zum Einsatz kommen - mit schrecklichen Folgen.

Atomwaffen lagern nicht irgendwo - sie lagern nur hundert Kilometer von hier entfernt! Knapp hinter der Grenze, im holländischen Volkel, im belgischen Kleine Brogel und in Büchel in Rheinland-Pfalz bei Cochem. Jeweils 20 Atombomben der USA sind an den drei Standorten vorhanden, zusammen haben sie die Wirkung von fast 1.000 Hiroshima-Bomben! Büchel ist ein Stützpunkt der Bundesluftwaffen, deutsche Piloten trainieren hier mit ihren Tornado-Bombern den Einsatz dieser Atomwaffen. So hat auch fast 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges das laut Atomwaffensperrvertrag nuklearwaffenfreie Deutschland im Rahmen der Nuklearen Teilhabe der NATO indirekten Zugang zu Atomwaffen. Im Weißbuch, dass die Bundesregierung 2006 herausgegeben hat, heißt es zu den Atomwaffen: "Für die überschaubare Zukunft wird eine glaubhafte Abschreckungsfähigkeit (...) neben konventioneller weiterhin auch nuklearer Mittel bedürfen."

Zu dieser menschenverachtenden Politik sagen wir NEIN! Und mit uns fordern überall auf der Welt Menschen die Abschaffung der Atomwaffen. 2.000 Organisationen aus 90 Ländern der Erde haben sich im Netzwerk "Abolition2000" zusammengeschlossen und verlangen die Abschaffung aller Atomwaffen. Die "Bürgermeister für den Frieden" (Mayors for Peace), ein vom Bürgermeister von Hiroshima gegründetes internationales Netzwerk hat die Kampagne "Atomwaffenfrei 2020" gestartet, mit der Vision einer atomwaffenfreien Welt im Jahre 2020. 60 Bürgermeister allein in NRW haben sich dieser Initiative angeschlossen. Sorgen wir dafür, dass es mehr werden, dass sich jede Stadt in NRW den Mayors for Peace anschließt. Die Kampagne "Unsere Zukunft - atomwaffenfrei" startete im letzten August mit dem Ziel, bis 2010 alle Atombomben aus Deutschland herauszubekommen. Die DFG-VK unterstützt diese Kampagne, mit ihr sagen wir "Hands up" gegen Atomwaffen: hebt Eure Hand für die Beseitigung der Atomwaffen.

Im August diesen Jahres werden am Atomwaffenstützpunkt Büchel eine große Demonstration und andere Aktionen stattfinden. Dort müssen alle friedensbewegten Menschen aus NRW teilnehmen! Lassen wir es nicht länger zu, dass so nah bei uns Atomwaffen auf ihren Einsatz warten, dass ein tödliche Bedrohung knapp hinter der Grenze von NRW weiter bestehen bleibt. Organisiert mit uns Busse nach Büchel, sprecht Leute an, am 30. August nach Büchel zu fahren. Mehr Infos gibt es nachher am Wichernhaus am Stand der DFG-VK

Aus einer Broschüre der Hibakusha, der Überlebenden der ersten Atombombenabwürfe: "Die Atombombe hat dem menschlichen Körper viele Schäden zugefügt. Hierzu gehören Brandwunden durch Hitzestrahlen und Feuer (um das Epizentrum ca. 4.000

C), Wunden durch die Druckwelle (1,3 km vom Epizentrum 120m/s) und Erkrankungen durch Strahlen (...). In den ersten 14 Tagen kamen mehr als 100.000 Menschen ums Leben (...), dann starben bis zum Ende des Jahres 1945 in Hiroshima ca. 130.000-150.000 Menschen. Der atomare Tod hält bis heute noch an"

Lassen wir es nicht zu, dass sich dieses Grauen wiederholt.

Atombomben raus aus Deutschland

Atomwaffen abschaffen - weltweit!



Joachim Schramm ist Landesgeschäftsführer der DFG-VK NRW. Vita siehe hier

E-Mail: joachimschramm (at) arcor (Punkt) de

Website: www.dfg-vk.de
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