Ostermarsch
2008


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Ostermärsche und -aktionen 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2008 in Landshut am 24. März

Liebe Friedesaktivistinnen und Aktivisten,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Hans-Dieter Schenk (in Landshut)

wir demonstrieren zu Ostern und in guter Tradi-tion für eine friedliche Welt.

Darfour, Afghanistan, Irak, Palästina, Türkei, Tibet, usw. und sofort, ich kann sie nicht alle aufzählen, ich will sie auch gar nicht alle aufzählen, nirgendwo bringt Krieg eine Lösung. Die USA und weitere Industrieländer, darunter auch Deutschland, kämpfen um die Herrschaft über rohstoffreiche bzw. geostrategisch wichtige Regionen.

Anrede,

Am 30. Januar gedachten wir 75 Jahre der Machtergreifung von Adolf Hitler. Das Regime der Nazis brachte in Deutschland Elend und Tod. Nach dem Terrorregime der Nazis war die politische und gesellschaftliche Meinung eindeutig. Von deutschen Boten sollte nie mehr ein Krieg ausgehen. Deutsche Soldaten sollten nie mehr Elend und Tod über die Welt bringen. Die Situation heute sieht ganz anders aus. Die Bundeswehr wird von einer Verteidigungsarmee zur Invasionsarmee umgerüstet.

Die Lobbyisten der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie drängen schon seit Jahren darauf, dass ein größerer Anteil des Militärhaushaltes für sogenannte rüstungsinvestive Ausgaben bereitgestellt werden soll. Ganz offensichtlich wird ihr Wunsch erhört. Wie fast jedes neoliberale Unternehmen arbeitet auch die Bundeswehr daran, einerseits ihre Personalkosten zu senken und andererseits ihre Investitionsausgaben zu erhöhen.

Auslandseinsätze der Bundeswehr, egal ob Besatzungs- oder Kriegseinsätze gibt es nicht zum Nulltarif. Je mehr es zur Selbstverständlichkeit wird, dass Bundeswehrsoldaten rund um den Globus im Einsatz sind, umso mehr schlägt sich dieser Druck auf den Bundeshaushalt nieder.

Allein im Jahr 2008 stieg der Haushaltsansatz für den sogenannten Verteidigungshaushalt um etwa 1 Milliarde Euro auf 29,3 Milliarden an. Im Jahr 2010 sollen dann 30 Milliarden in den Haushalt des Verteidigungsministers fließen. Wenn bis dahin nicht noch weitere Erhöhungen des Haushaltsansatzes beschlossen werden. Eine solche Entwicklung scheint sehr wahrscheinlich, da sowohl die zunehmenden Auslandseinsätze im Rahmen von NATO und Europäischer Union als auch zahlreiche neue Rüstungsprojekte immer mehr Gelder verschlingen.

Anrede,

Die Politiker geben damit unser Geld für Rüstung und Krieg aus. Es ist unser Geld und sie dürften es eigentlich nicht ausgeben wenn sie sich die Umfragen anschauen würden, denn drei Viertel der Bevölkerung der Bundesrepublik sind gegen den Afghanistaneinsatz sind.

Ich sage, Milliardenausgaben nicht für Rüstung, sondern für Bildung, Gesundheit, Forschung und für den Klimaschutz, dort wäre unser Geld besser aufgehoben.

Anrede,

Wir haben damit Rüstungsausgaben wie im Kalten Krieg. Damals standen sich Warschauer Pakt und NATO feindlich gegenüber. Der Warschauer Pakt hat sich mittlerweile aufgelöst. Warum sich im Zuge dieser Tatsache die NATO nicht auch aufgelöst hat? Eigentlich wäre es angebracht gewesen.

Die NATO als einziges Militärbündnis sucht sich neue Betätigungsfelder und wir mit unserer Bundeswehr sind mit dabei.

Anrede,

Die Nato hat ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf ihrer Agenda in denen das Bündnis und damit auch Deutschland militärisch aktiv werden müsse. So der NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Er führte kürzlich auf einer Konferenz Folgendes aus:

"Da so viele der führenden Öl- und Gasförderländer mit politischer Instabilität konfrontiert sind, ergeben sich mehrere Szenarien für eine militärische Intervention, bei der die NATO einen Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung leisten könnte.

Das neue Sicherheitsumfeld bedeutet, dass Interventionen in Ölförderländern, Marineaktivitäten entlang strategisch wichtigen Meerengen und Terrorabwehroperationen gegen Ölchihadisten, welche die Weltwirtschaft durch Angriffe auf unsere Energieversorgung lahm legen wollen, nahezu vorprogrammiert sind."

Ich sage: Dieser Weg führt ins Verderben, weil er weitere Kriege heraufbeschwört. Und lasst es mich mal verkürzt sagen: Diese Kriege dienen nur der Gewinnmaximierung einiger großer Konzerne und deren Aktionären.

Und dieser Weg steht im krassen Gegensatz zu einem Ausspruch, der auch auf dem Flyer steht von Albert Schweizer, der da lautet: Humanität besteht darin, dass nie ein Mensch einem Zweck geopfert wird. Die NATO betreibt gerade das Gegenteil und ist somit ein inhumaner, kriegslüsterner Haufen.

Anrede,

Warum geben wir denn den Ländern der Dritten Welt nicht was ihnen gehört und handelt faire Preise für ihre Bodenschätze aus? Ausbeutung ist nicht der richtige Weg. Wir brauchen eine Weltordnung, die allen Menschen gerecht wird. Nicht im militärischen Gegeneinander sondern nur in gemeinsamer Anstrengung lässt sich eine bessere Welt verwirklichen.

Um die NATO von europäischer Seite her besser unterstützen zu können hat die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft benutzt um die abgelehnte EU-Verfassung unter dem neuen Namen "Reformvertrag" auf den Weg zu bringen.

Unsere Bundeskanzlerin hat sich da ja sehr hervorgetan. Über Verfahrensweisen und Abstimmungsprozeduren wurde öffentlich heiß diskutiert und gestritten - über die Inhalte in der Öffentlich aber kaum diskutiert.

So, sehr geehrte Damen und Herren, wird Europa für die Bürger nicht akzeptabler. Der Reformvertrag schreibt einerseits eine neoliberale Wirtschaftspolitik fest. Freihandel, ein schrankenloses Profitstreben, und das Aushebeln betrieblicher Mitbestimmung sind deren Kennzeichen. Arbeitskräfte in Europa gelten nur noch als Kostenfaktor.

Andererseits zementiert der Vertrag die Verpflichtung zur kontinuierlichen Aufrüstung. Die militärischen Kapazitäten werden vereinheitlicht, ein Rüstungshaushalt eingerichtet und Kampftruppen aufgestellt. Dafür ist dann genug Geld da, obwohl wir immer wieder hören müssen, wir leben über unsre Verhältnisse und wir müssen den Gürtel enger schnallen. Deshalb sage ich "Nein" zum EU-Reformvertrag und ein noch entschiedeneres "Nein" zur Europäischen Verteidigungsagentur. Dafür ein entschiedenes "Ja" für Wirtschaftsstrukturen in Europa, die an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet sind.

Anrede,

Am Irakkrieg hat sich die Bundesrepublik zwar nicht direkt beteiligt, aber indirekt hängen wir da auch mit drin. Indem wir nämlich der US-Armee Überflüge gestatten und schließlich wird dieser Krieg von den Militärbasen von Deutschland aus unterstützt.

Und dieser Krieg ist ein hirnloses Produkt amerikanischer Rüstungsindustrie und von George W. Busch.

500 Milliarden Dollar geben die USA jährlich für den Kampf gegen Terrorismus aus. Einen Großteil im Irakkrieg. 500 Milliarden für Kriege auszugeben und andererseits eine Bankenpleite im Land ohne nennenswerte Gegensteuerung hinzunehmen, ist schon sehr menschenverachtend.

Ein Land, das sich selbst als Weltspitze betrachtet, und eine Krise von sagen wir mal Häuslebauern nicht durch Hilfen eindämmen kann, ist meines Erachtens nach nicht Weltspitze, sondern ...... Im Irak, das wissen mittlerweile alle, geht es ums Öl. Die Ölreserven im Irak werden auf 220 - 300 Milliarden Barrel geschätzt. Auch von Alan Greenspan, Exchef der US-Notenbank, also der mächtigsten Menschen auf der Welt, haben wir in den letzten Tagen zu diesem Thema erhellendes gehört. Erschreibt in seinen Memoiren: "Es macht mich traurig, dass es politisch unziemlich ist, etwas zuzugeben, was alle wissen: Im Irakkrieg geht es vor allem ums Öl."

Auch viele US-Veteranen, die Frieden und Freiheit für den Irak bringen sollen, protestieren mittlerweile gegen die Strategien von George W. Busch. Sie prangern den Krieg als unmenschlich und sinnlos an und (Anrede), sie sollten es wissen, denn sie waren da. Ich erinnere wieder gern an Albert Schweizer: Humanität besteht darin, dass nie ein Mensch einem Zweck geopfert wird. Der Krieg Irak hinterlässt Tod und Elend und ist allenfalls ein Gewinn für die Rüstungs- und Energiekonzerne.

Anrede,

Ein für uns heißerer Kriegsschauplatz: Afghanistan. Dort am Hindukusch werden angeblich unsere Interessen verteidigt, wie es der ehemalige Verteidigungsminister Struck einmal formuliert hat. Werden dort wirklich unsere Interessen verteidigt oder geht es um die Bodenschätze in Afghanistan? Eisen und Kupfererze, Erdgas, Kohle und Halbedelsteine. - Kampf gegen Taliban - Verteidigung von Frauenrechten - Aufbau des Landes -

Ich frage mich, sind dazu 37.400 Soldaten nötig?

Auch die Bevölkerung Afghanistans sieht in der Mehrheit mittlerweile die angeblich humanitären Helfer mehr als Besatzer und das ist wahrscheinlich gar nicht so falsch. Seit Beginn des Krieges gab es in Afghanistan insgesamt 6 500 Opfer, davon 6 222 Soldaten, darunter 26 deutsche Soldaten. 6 500 Opfer für einen humanitären Zweck? Wobei Humanität darin besteht, dass nie ein Mensch für einen Zweck für einen Menschen geopfert wird.

Nachdem die Bundesregierung bereits im März letzten Jahres Tornadoflugzeuge nach Afghanistan geschickt hat, die auch Zieltaten für die US-Kriegsführung im Süden liefern können, verstrickt sich nun die Regierung nun noch tiefer in den Krieg.

Im Februar dieses Jahres hat sie beschlossen, eine schnelle Eingreiftruppe der Bundeswehr mit 250 Mann für den NATO-Krieg zur Verfügung zu stellen. Diese Eingreiftruppen sind für offensive Kriegsführung ausgebildet und ausgerüstet. Sie können und sie werden Angriffe gegen Talibanverbände durchführen. Damit ist eindeutig, dass die von der Bundesregierung verbreitete Version einer Trennung von Aufbauarbeit im Norden und Kriegsführung im Süden eine Lüge ist. Auch dass der neue Einsatz, der im Juli beginnen soll, von einem ISAF-Mandat gedeckt ist, ist reine Zweckpropaganda.

Leider geht der Entsendebeschluss dieser schnellen Eingreiftruppe in der öffentlichen Debatte fast unter. Die USA hat jetzt anlässlich der Sicherheitskonferenz in München klare Forderungen erhoben: Die Bundesrepublik solle sich konkret auch am Krieg im Süden mit Kampftruppen beteiligen. US-Verteidigungsminister Gates nannte den Krieg beim Namen. Der erste Bodenkrieg in der Geschichte der NATO und dabei dürfe es keine "Luxusmissionen" für die einen und "blutige Kampfeinsätze" für die anderen geben. Das ist in einem Bündnis von Gleichen in der Tat nicht einzusehen. Ich aber sage, wenn Bündnispartner einen irrsinnigen Krieg führen, darf die Konsequenz nicht lauten, ihnen hinterherzulaufen, sondern im Bündnis einen Strategiewechsel durchzusetzen - oder eben auszusteigen.

Aber weit gefehlt. Stattdessen werden die Stimmen bei Bundestagsabgeordneten immer lauter, die eine positive Antwort auf die US-Forderung nach regulären Kampftruppen unterstützen. Was das für deutsche Soldaten heißt, machen sich diese Politiker wohl keine Gedanken. Was es heißt, Mann gegen Mann zu stehen, was es heißt, jemanden auf Befehl umzubringen... Amerikanische Veteranen aus dem Vietnamkrieg.. die vorhin angesprochenen Veteranen im Irakkrieg..

Vielleicht würde die Abstimmung anders ausfallen, wenn von jeder Fraktion die zustimmt, 10 Abgeordnete zum Einsatz geschickt werden würden.

Anrede,

Vielleicht würden Viele umdenken, weil sie über ihr Handeln und die Konsequenzen daraus intensiver nachdenken müssen. Eine der Konsequenzen machte kürzlich der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Gertz deutlich: "Man müsse damit rechnen, dass nach solch einem Kampf Kameraden in Holzkisten zurückkommen." Gewisse politische Kreise, die sich für besonders intelligente außenpolitische Denkschmiede halten, werfen den Politikern vor, die deutsche Bevölkerung bislang nicht klar genug auf den Krieg eingestimmt zu haben. Bedauerlicherweise gebe es eine pazifistisch bis isolationistisch eingestellte deutsche Öffentlichkeit, resümiert die Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik. Ich finde diese Haltung von drei Viertel der Bevölkerung sehr gut.

Es ist keine leichte Herausforderung für uns alle gegen diese klar formulierte Politik anzugehen. Der Krieg in Afghanistan, der schon vor dem 09.11. beschlossene Sache war, wird um geostrategischer Interessen Willen geführt. Im Interessenfall Afghanistan werden diese Herrschaftsinteressen in diesem Jahr immer deutlicher auf die Gegeninteressen von unten fallen. Wir, wir alle hier haben die Chance, eine Politikalternative zu beschreiben und durchzusetzen, die in der Bevölkerung mehrheitsfähig ist. Der Druck von unten auf die herrschende Politik muss in diesem Jahr allerdings noch gewaltig ansteigen.

Das beliebteste Argument gegen die Warnungen der Friedensbewegung vor militärischen Interventionen kommt jedes Mal: Das Kind sei aber jetzt in den Brunnen gefallen. Für die mittel- und langfristig wirkenden zivilen Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung sei es zu spät. Deshalb bleibe jetzt aus menschenrechtlichen, antifaschistischen Erwägungen nur das Militär als Ultimaration. Und dieses Argument ist so falsch wie es alt ist. Wir brauchen ein Primat nichtmilitärischer Konfliktbearbeitung weltweit.

Anrede,

Wir müssen uns auch wieder dazu aufmachen, auf Völkerrecht und Grundgesetz besser zu achten. Mit dem Recht des Stärkeren propagieren die USA präventive Erstschläge. Mit dem Recht des Stärkeren verweigern die USA den Menschen die sie auf Guantanamo gefangen halten die Menschrechte und wenden die Folter als legitimes Mittel im "Krieg gegen den Terror" an. Die EU ihrerseits duldet geheime Gefangenentransporte der CIA und stellt Militärbasen wie Ramstein oder Stuttgart für unkontrollierbare militärische Aktionen bereit.

In Deutschland sind wir zunehmend der Überwachung durch den Staat ausgesetzt. Bundeswehr und Polizei, ja zum Teil sogar Geheimdienste werden vernetzt um gemeinsam besser agieren zu können. Innenminister Schäuble ist ein alter Fan von Bundeswehreinsätzen auch im Inneren. Das grundgesetzliche Verbot des Bundeswehreinsatzes im Inneren wird immer weiter ausgehöhlt.

Bestes Beispiel: Beim G 8-Gipfel im letzten Sommer in Heiligendamm gab es einen verfassungswidrigen Bundeswehreinsatz. Wir sollen an die Gegenwart des Militärs in allen Lebenslagen gewöhnt werden. Aus angeblichen Sicherheitsgründen werden in Deutschland die demokratischen Rechte immer weiter eingeschränkt und zunehmend immer mehr Überwachungsgesetze eingeführt.

Wir demonstrieren heute auch für die Einhaltung der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen. Wir stellen uns gegen die menschenverachtende Folterpraxis, wir stellen uns gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren und wir streiten für mehr demokratische Kontrolle der Geheimdienste.

Und wir machen vor allem deutlich, dass Krieg kein Mittel zur Lösung von Konflikten ist. Im Gegenteil. Krieg bringt Leiden und Tod, Krieg verhindert die Freiheit, Krieg hat überhaupt nichts mit Menschenrechten zu tun, Krieg wollen wir nicht, Krieg brauchen wir nicht! Was wir brauchen ist eine Weltordnung, die allen Menschen gerecht wird. Nicht im militärischen Gegeneinander, sondern nur in einer gemeinsamen Anstrengung lässt sich eine bessere Welt verwirklichen.

Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit.



Hans-Dieter Schenk ist DGB-Regionssekretär für die Region Landshut. Vita siehe hier

E-Mail: hansdieter (Punkt) schenk (at) dgb (Punkt) de

Website: www.region-landshut.dgb.de/index_html
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