Ostermarsch
2008


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede für den Ostermarsch 2008 in Frankfurt,

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Wolfgang Strengmann-Kuhn (in Frankfurt)

nachdem ich in den letzten Jahren immer als Teilnehmer am Ostermarsch mitgelaufen bin, freue ich mich, heute als neuer Frankfurter Bundestagsabgeordneter zu Euch sprechen zu dürfen.

Die Notwendigkeit der Ostermärsche und einer starken Friedensbewegung ist ungebrochen. Denn leider sind wir von einer friedlichen Welt immer noch weit entfernt. Seit fünf Jahren wütet ein schrecklicher Krieg im Irak. Auch die Situation im Nahen Osten ist nach wie vor bedrohlich. Es gibt die Massentötungen und Vertreibungen in Darfur. Es gibt die Auseinandersetzungen in Tibet. In vielen Teilen der Welt gibt es kriegerische Konflikte, die nicht einmal in den Medien vorkommen. Als wir Anfang der 80er Jahre zum Ostermarsch auf die Straße gingen, ging es vor allem um die atomare Bedrohung. Noch heute sind in Deutschland Atomwaffen stationiert. Die müssen weg! Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern wir brauchen eine weltweite Abrüstung - nicht nur von atomaren, sondern auch von konventionellen Waffen. Im Moment droht eine erneute Aufrüstungsspirale. Auch um das zu verhindern, brauchen wir eine starke Friedensbewegung.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich bin gebeten worden zu der Situation in Afghanistan zu Euch zu sprechen, weil es dazu ja durchaus unterschiedliche Meinungen und Einschätzungen bei den Grünen, aber auch innerhalb der Friedensbewegung gibt und es sich meines Erachtens lohnt über diese unterschiedliche Sichtweise zu streiten.

Wir sind uns einig in der Ablehnung des "Kriegs gegen den Terror", der "Operation Enduring Freedom" im Süden Afghanistans. Mittlerweile ist dies auch die überwiegende Meinung der Grünen Partei und es ist Konsens in der Grünen Bundestagsfraktion. Dies war nicht immer der Fall.

"Der Krieg gegen den Terror ist nicht zu gewinnen!" ist ein richtiges Argument. Ich frage Euch aber: Was wäre eigentlich, wenn es möglich wäre diesen Krieg zu gewinnen? Wären wir dann dafür? Würde es die Bombardierung von Dörfern und die Tötung von Frauen, Männern und Kindern rechtfertigen? Ich finde: Nein! Krieg ist ein Verbrechen! Immer und Überall.

Die Positionierung gegenüber ISAF im Norden Afghanistans ist allerdings nicht so einfach und ich bin skeptisch gegenüber allen, die dazu eine einfache Antwort haben. Nach allem, was ich aus Afghanistan höre - auch von denen, die einen sofortigen Abzug der Bundeswehr fordern - ist es notwendig, den zivilen Aufbau auch militärisch zu schützen. Im Norden Afghanistan gibt es durchaus Fortschritte beim zivilen Aufbau und auch ein großer Teil der afghanischen Bevölkerung im Norden wünscht den Schutz durch ISAF und insbesondere die Bundeswehr hat - noch - ein hohes Ansehen. Würde die Bundeswehr sofort abziehen, besteht die Gefahr, dass es zu einem neuen Bürgerkrieg kommt. Deshalb stimme ich der Forderung nach einem sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan nicht zu. Ich sehe mich dabei in Übereinstimmung mit zahlreichen Hilfsorganisationen, die in Afghanistan tätig sind. Andererseits ist es aber auch richtig, die Frage zu stellen, ob die Unterscheidung zwischen dem Schutz der Bevölkerung durch ISAF im Norden und dem Krieg gegen den Terror so einfach möglich ist. Es ist sicher auch richtig, dass hinter ISAF auch noch andere Ziele stehen, als der Schutz der Bevölkerung.

Die bisherigen Fortschritte sind dadurch gefährdet und das Ansehen von ISAF und der Bundeswehr sinkt auch im Norden, wozu auch die Entscheidung für die Tornados beigetragen hat, die ich für einen Fehler halte.

Trotzdem müssen wir uns die Frage stellen - dafür haben wir gerade auch als Friedensbewegung ein Verantwortung - wie wir Frieden in Afghanistan schaffen und welche Rolle dabei auch ein militärischer Schutz spielen muss. Das ist für eine Bewegung, die mit dem Ziel "Frieden schaffen ohne Waffen" angetreten ist, eine - zugegebenermaßen - ausgesprochen schwierige Frage, der wir uns aber stellen müssen.

Auch wenn ich finde, dass ein gewisses Maß an militärischem Schutz in Afghanistan notwendig ist, ist aber klar: Militär schafft keinen Frieden! Deswegen brauchen wir einen Strategiewechsel in Afghanistan. Wir brauchen eine deutlichen Ausbau der Mittel für den zivilen Aufbau, insbesondere für Bildung, für die Armutsbekämpfung und für den wirtschaftlichen Aufbau. Wohlstand und Bildung sind die besten Vorraussetzungen für Frieden! Armut und Unmgerechtigkeit sind der Nährboden für Krieg und Terrorismus.

Und es ist auch klar: je mehr Geld wir für Militär ausgeben, desto weniger Geld steht für zivile Mittel zur Verfügung. Selbst dann, wenn die Tornados nur ein paar harmlose Fotos schießen würden, wäre ich dagegen, weil das Geld dafür an anderer Stelle wesentlich besser eingesetzt wäre, z.B. zur Armutsbekämpfung. Wir brauchen einen Strategiewechsel mit einer klaren Priorität für zivile Friedensschaffung.

Wir brauchen aber auch noch in anderer Hinsicht einen Strategiewechsel. Es kann nicht sein, dass wir im Bundestag jedes Jahr wieder Ja und Amen zu der Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes sagen. Und auch wenn ich finde, dass ein sofortiger Abzug nicht richtig ist, müssen wir endlich einen Prozess beginnen an dessen Ende ein selbstbestimmtes Afghanistan steht.

Ich denke dabei nicht an einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren, sondern wir sollten wesentlich schneller und in kleineren, nachvollziehbaren Schritten den Abzug der ausländischen Truppen organisieren. Ich finde es ist an der Zeit innezuhalten und zu überlegen, wie wir es schaffen, dass Afghanistan ohne ausländisches Militär und selbstbestimmt seinen eigenen Weg gehen kann.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich bin gegen den Krieg gegen den Terror, aber ich bin gegen einen sofortigen Abzug der Bundeswehr in Afghanistan, aber wir brauchen einen Strategiewechsel. Wenn es den nicht gibt, ist es an der Zeit zu sagen: ein weiter so darf es nicht geben. Wenn es keinen Strategiewechsel gibt - und nach einem Strategiewechsel sieht es zur Zeit nicht aus - werde ich einer Verlängerung von ISAF nicht zustimmen.



Wolfgang Strengmann-Kuhn ist MdB, Bündnis 90/ Die Grünen.

E-Mail: wolfgang (at) strengmann-kuhn (Punkt) de

Website: www.strengmann-kuhn.de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome