Ostermarsch
2008


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Ostermärsche und -aktionen 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag zum Ostermarsch 2008 in Mannheim am 22. März

Konversion

Ruth Weidenauer und Hedi Sauer-Gürth (in Mannheim)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Anrede,

Welche militärischen Einrichtungen gibt es Mannheim?

In Mannheim und Umgebung gab es (Stand 1980) ursprünglich 36 militärisch genutzte Anlagen, davon werden z. Z. noch 9 Kasernen genutzt. Zusätzlich gibt es die Benjamin-Franklin-Village in Käfertal. Es ist eine Kleinstadt, die als Unterkunft für die Soldaten und ihre Familien dient, ihre Infrastruktur umfasst u. a.: Einkaufszentrum, Schulen, Kirche, Kino, Bowlingcenter, Sportplatz und Sporthalle.

Als aktive Kasernen und ihr Ausmaß zählen wir heute:



1.Coleman-Kaserne (216 ha)



2.US Tanklager (12 ha) beide sind in Blumenau und Schönau



3.Sullivan-Kaserne (44 ha) in Käfertal



4.Funari-Kaserne (11 ha) ebenfalls in Käfertal; Taylor-Barracks (46 ha), Vogelstang



5.US Autobahn - Kaserne (4 ha) Friedrichsfeld



6.Friedrichsfeld Service Center (22 ha)



7.Hammond Barracks(9 ha) Seckenheim



8.Spinelli- Barracks (82 ha) hier in Feudenheim



9.Benjamin-Franklin-Village BFV (88 ha)


Diese Militäranlagen nehmen eine Fläche von insgesamt 534 ha ein. Welche immense Fläche das ist, zeigt ein Vergleich mit verschiedenen Stadtteilen. Schönau beispielsweise nimmt 295 ha ein, die Vogelstang 316 ha.

Vor welcher Kaserne stehen wir hier?

Das ist die Spinelli! Die Spinelli beherbergt Soldatenunterkünfte, Verwaltungs- und Wartungseinrichtungen und sie dient der Lagerung und Erhaltung von Kampfausrüstungen und hält Transportkapazitäten bereit.

Während des Irakkriegs wurden hier Kampfausrüstung zwischengelagert und per Bahn und Lkw und anschließend mit dem Schiff weiterbefördert. Nach der Verlagerung und Auflösung von Teileinheiten sind inzwischen weniger Soldaten stationiert und Militärmaterial gelagert.

Spinelli ist die zweitgrößte US-Kaserne in Mannheim mit einer Fläche von 82 ha. Sie ist etwa doppelt so groß wie der Luisenpark(40 ha). Ursprünglich hieß die Kaserne Pionierkaserne und wurde während der NS-Zeit angelegt.

Die Kaserne blockiert den Grünzug Nordost, das ist eine Frischluftschneise, die für die Durchlüftung der innenstadtnahen Stadteile von Bedeutung ist.

Man könnte dieses Gelände mit Gebäuden doch im sozialen Wohnungsbau besser nutzen, damit z.B. Obdachlose ein Dach überm Kopf haben. Kannst du dir vorstellen, dass es diese Kaserne nicht mehr gibt?

Ja, es gibt doch schließlich Konversionen!

Konversion? Was meinst du mit Konversion?

Konversion kommt aus dem lateinischen und bedeutet Umwandlung oder Abkehr. Die geänderte Nutzung von Gebäuden (u. U. nach Sanierung ist eine Konversion. Typische Beispiele einer Konversion ist die zivile Nutzung von ehemaligen Kasernegeländen.

Nach Freigabe durch Abzug des Militärs (Engländer, Franzosen, Russen, Amerikaner, Bundeswehr) waren Kasernengebäude und -gelände ungenutzt. So macht es Sinn diese öffentlich oder privat zu nutzen.

Beispiele in Baden-Württemberg sind:

a) Die Panzerhalle in Tübingen

Wo früher die Panzer gewartet wurden, findet heute urbanes Leben in vielfältiger Ausprägung statt. In der Panzerhalle übt vormittags die Verkehrspolizei mit den Schulklassen, nachmittags spielen Kinder Basketball oder Fußball und abends wird sie zum Treffpunkt für Ältere. Am Wochenende kommen Flohmärkte, Feste, Konzerte und Ausstellungen hinzu. Der besondere Reiz: Auch wenn das Dach vor Regen und starker Sonne schützt, vermittelt die Halle, die keine Wände hat, das Gefühl des "Draußen-Seins.

b) Die Vauban-Siedlung in Freiburg

Die militärische Nutzung durch die Vauban-Kaserne hat das Gelände fast 60 Jahre lang der Stadtentwicklung entzogen. Es befindet sich ca. 2,5 km vom Stadtzentrum entfernt. Im August 1992 wurde das Gelände schließlich von der französischen Armee frei gegeben. 1993 beschloss der Gemeinderat Entwicklungsmaßnahme gemäß Baugesetzbuch anzuwenden. Dies erlaubt der Kommune, Grundstücke zum entwicklungsunbeeinflussten Wert zu verkaufen. Die erschlossenen Baugrundstücke sind an Bauwillige zu veräußern. Die Qualität des Wohngebietes wird durch einen alten, schützenswerten Baumbestand verstärkt: Wohnen im Park, nicht auf dem Parkplatz

Gibt es denn in Mannheim Beispiele für die Konversion von Militäranlagen?

Ja, durchaus. Die 10 verschieden militärisch genutzten Flächen im Käfertaler Wald liegen z.T. brach oder verrotten. Die Bundeswehr-Pontonbrücke neben der Kollerfähre bei Brühl und die Brückenköpfe nördlich vom Scharhof existieren nicht mehr.

Auf dem Gelände der ehemaligen Ludwig-Frank-Kaserne steht inzwischen der 2. Bauabschnitt zur Diskussion

Der ehemalige sog. Nato-Bunker und das umliegende Gelände sind in privater Hand; es werden Wohnungen und ein Bürogebäude errichtet.

Die US-Kaserne - Rheinau modert vor sich hin.

Das US-Kohlelager auf der Rheinau ist vom Großkraftwerk übernommen und soll industriell genutzt werden (liegt z. Z. brach)

Aktuell steht die Turley- Barracks leer, d.h., die Amerikaner haben Ende September 2007 die Gebäude geräumt und das Gelände der Bundesrepublik zurückgegeben.

Derzeit läuft die Bestandsaufnahme, alles wird vermessen und geprüft. Von Altlasten im Boden oder Asbest in den Gebäuden ist weder positives noch negatives bekannt, muss geprüft werden. Ein so genanntes Kontaminationsgutachten muss erstellt werden. Außerdem sind die Abstimmungswege der verschiedenen Verwaltungsabteilungen zeitaufwendig. Die Turley-Kaserne wurde im Jahr 1901 als "Kaiser-Wilhelm-Kaserne" in Betrieb genommen. Der vordere Kasernenteil mit der ursprünglichen Bebauung und steht heute unter Denkmalschutz. Dies macht die Sache nicht einfacher. Am 26. 02. 2008 war die letzte Begehung durch Politiker und Behördenvertreter.

"Kontaminationsgutachten", was heißt das denn?

Es geht darum, zu untersuchen und zu begutachten, ob Schadstoffe oder Altlasten den Boden verseucht haben.

Welche Altlasten gibt es eigentlich und was passiert dann mit den Schadstoffen?

Das Militär schädigt die Umwelt u. a. durch verschüttetes Benzin und abgelassenes Motoröl.

Kasernen in der Nähe der Wasserwerke Käfertal und Rheinau liegen in der Nähe von Wasserschutzzonen und gefährden das Grundwasser

Ökologische Schaden entsteht auch dadurch das wertvolle Biotope geschädigt werden und Militäranlagen Freiluftschneisen blockieren, Kasernen zerschneiden Grünzüge und beeinträchtigen Natur und Mikroklima. Früher haben die Panzernutzung und heute die Militärübungen dem Käfertaler Wald Schäden zugefügt.

Wer beseitigt die Altlasten und wer trägt die Kosten?

Wenn man vom Verursacherprinzip ausgeht, sollte eigentlich das Militär für die Kosten der Entseuchung aufkommen. Ein Großteil der Kosten trägt allerdings der Steuerzahler, weil der Bund diese Kosten übernimmt. Der würde sie zwar gerne auf private Käufer/Investoren abwälzen, die dazu aber nicht bereit sind.

Was geschieht, wenn ein Militärgebiet zurückgegeben wird? Wie läuft der Prozess der Konversion ab?

Wenn die die US-Armee abziehen, geht die Fläche mit Gebäude zuerst mal an den Eigentümer zurück. Der Eigentümer aller Bundeswehreinrichtungen und der Kasernen der ausländischen Stationierungsarmeen ist die Bundesrepublik Deutschland. Für die weitere Nutzung und v. a. den Verkauf von Kasernen und Gelände ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIma) zuständig.

Viele verschiedene Möglichkeiten der Nutzung sind denkbar, je nach baulicher Art der Militäreinrichtung z.B. als ziviler (privat betriebener Flughafen, wie etwa der Flughafen Hahn; oder als lebendiger Treffpunkt für Menschen im Stadtteil wie die vorher erwähnte Panzerhalle in Tübingen.

Was kann man sich für die Turley-Kaserne vorstellen?

In der Turley ist zum Beispiel eine Turnhalle, die von den umlegenden Schulen oder Vereinen sowie Jugendgruppen genutzt werden könnte. Die Turley ist in zwei Bereiche gegliedert: einen denkmalgeschützten und einen technischen Bereich. Im technischen Bereich wäre Wohnungsbau evtl. in Verbindung mit Gewerbe denkbar. Im denkmalgeschützten Bereich bietet sich an der verkehrsreichen Friedrich-Ebertstr. eher die gewerbliche Nutzung an. Der andere denkmalgeschützte Bereich ist für Wohnungen oder Mischnutzung prädestiniert. Was dann letztendlich aus dem Militärgebiet entsteht, entscheidet die Kommune. Das ehemalige Offiziers-Casino der Turley wurde von der US Army bereits vor etlichen Jahren zurückgegeben. Es wurde von einem Investor erworben und ist heute an Biotopia vermietet.

Zur Info: BIOTOPIA hat das Ziel, arbeitslosen Menschen neue berufliche Perspektiven zu ermöglichen. Als Arbeitsmarktdienstleister realisiert BIOTOPIA eine Vielzahl an Maßnahmen und Projekten, die Beschäftigung und Qualifizierung miteinander verbinden. Im Mittelpunkt steht die (Re-)Integration arbeitsloser Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Ein Appell an dieser Stelle ist:

Es ist wichtig an soziale Einrichtungen wie Kindergarten oder "alternatives Wohnen für Jung und alt", oder Schulungs- oder Seminarhäuser zu denken, ebenso wichtig ist es viel Platz für Grünflächen zu lassen.

Wie lange dauert eigentlich so ein Prozess der Konversion?

Am Beispiel der Ludwig Frank-Kaserne, die vor mehr als 10 Jahren an die Stadt übertragen wurde, kann man erleben, dass sich so ein Vorhaben lange hinziehen kann. Als 1997 der 1. Bauabschnitt im Gemeinderat verabschiedet wurde, war nicht abzusehen, wie lange der Prozess dauert. Zwischenzeitlich wurde 70 000 t Erde von Altlasten gereinigt, und ein Teil des Geländes mit Wohnhäusern bebaut. Heute, im Jahr 2008, steht der 2. Bauabschnitt als Vorentwurf zur Diskussion. Bis alles fertig ist, werden noch einige Jahre vergehen.

Wenn das so lange dauert, werden Konversionsprozesse blockiert?

Durchaus! Manchmal kommt auch keine Konversion zustande, wie beim folgenden Beispiel:

Das Unternehmen "Vögele" muss seinen bisherigen Standort aufgeben und an einen ausbaufähigen Standort mit entsprechenden Reserveflächen wechseln. Anlass für den Ortswechsel ist den Angaben zufolge das rasante Wachstum des Unternehmens. Der Maschinenbauer "Vögele" hat mittlerweile entschieden seinen Unternehmenssitz von Mannheim nach Ludwigshafen zu verlegen. Das Unternehmen mit seinen mehr als 1000 Mitarbeitern will nun 70 Millionen Euro in den Neubau eines Werks in Ludwigshafen investieren.

Nun, was hat das mit Konversion zu tun? wirst du fragen. Als neuer Standort für Vögele war ein Gelände in Friedrichsfeld in der Diskussion. Auf einem Teil des Geländes befindet sich das Quartermaster Service-Center - eine Art zentrales Möbellager mit angeschlossenem Kaufhaus der US Armee. Darüber berichtete der Mannheimer Morgen am 5.12.2007 und der Kommentartor schrieb der US Army noch ins Stammbuch, das sie ihren Worten (die Bereitschaft zur Räumung) bald Taten lassen solle und die Amerikaner "trotz ihrer mitunter schwerfälligen Militärbürokratie Friedrichsfeld zügig räumen." Ob die Alternative Friedrichsfeld daran scheiterte oder ob es das lukrativere Angebot der Ludwigshafener war ist unklar. Einen Schluss kann man allerdings auf jeden Fall aus der Sache ziehen. Konversionen müssen von langer Hand geplant werden und öffentlicher Druck ist nötig um das Militär zu bewegen. Viel Platz wäre übrigens auch hier in der Spinelli-Kaserne vorhanden. Ein Skandal ist es jedenfalls, wenn unbebautes Land in Rheingönnheim bebaut wird, anderseits aber US-Kasernen leer stehen, oder in absehbarer Zeit geräumt werden.

Kann man absehen, wie lange noch Kasernen in Mannheim, Heidelberg und Umgebung genutzt werden?

Bis zum Jahr 2015 soll es laut US Armee keine Kasernen mehr in der Rhein-Neckar-Region geben. Denn im Zuge ihrer sog. Strategischen Transformierung plant die US-Armee ihre in Mannheim und Heidelberg vorhandenen Militäreinrichtungen nach Wiesbaden zu verlagern. Durch die strategische Transfomierung werden einige Standorte geschlossen, anderen hingegen ausgebaut. Ein Beispiel für einen derartigen Ausbau ist in unserer Nähe Ramstein mit seiner riesigen Air Base.

Was wollen wir:

Auflösung aller Kasernen ist unser Ziel!

Konversion darf nicht verzögert oder blockiert werden!

So wie Turley, soll bald auch Spinelli und, und, und ... freigegeben werden!

Konversion ist nur mit sozial orientiertem Wohnungsbau, Freizeiteinrichtungen, Grün- und Freiflächen denkbar!

Im Interesse von mehr Lebensqualität fordern wir daher den baldigen und vollständigen Abzug der US-Armee!



Website: www.frieden-mannheim.de
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