Ostermärsche und -aktionen 2009

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09.04.2009


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Ostermärsche und -aktionen 2009

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag beim Ostermarsch 2009 in Biberach am 10. April

Brücken bauen - Mahnwache für den Frieden

Gunther Wurck (in Biberach)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 10.04.2009, Redebeginn: 17 Uhr -



Brücken bauen

"Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen."

Micha 4, 3 (= Jesaja 2, 4)



Liebe Friedenfreundinnen, liebe Friedensfreunde,
liebe mithörenden Zaungäste,

Brücken bauen - das ist der Horizont unseres Zusammentreffens heute. Das klingt einfach. Man muss nur wissen, wo die Brücke stehen, wen sie mit wem verbinden soll.

Aber: Was meint das eigentlich?

Brücken bauen zum Frieden - so, als lebte er - oder - sie irgendwo im Jenseits eines ohne Brücke unerreichbaren Landes? Damit wir hinüberschreiten.

Oder: Eine Brücke für den Frieden von da nach hier? Eine Brücke, auf der der Frieden zu uns herüber - fast hätte ich gesagt: marschiert - herüber schreitet, einzieht?

Anders noch einmal der visionäre Blick von der Brücke, von oben hinab. Was soll, was muss überbrückt werden?

Ein paar Verdächtige sind schnell zur Hand:

Die Eigennützigen. Die, die am Krieg Geld verdienen.

Die Machtbesessenen. Die, die immer wissen, was richtig ist für alle anderen.

Auch die Religionen tauchen bei der Suche nach den Verdächtigen relativ schnell auf. Religion und Gewalt - das ist in der Tat ein dankbares Thema, in diesen Tagen.

Und natürlich ist nicht zu leugnen: Es gibt sie, diese lange Gewaltgeschichte; in jeder der großen Weltreligionen. Trotz aller Friedensvisionen, die auf Papier bewahrt werden, allen Bemühungen und Erfolgen um eine zumindest friedlichere Welt.

Wenn es also viele Verdächtige gibt:

Wer taugt dann eigentlich noch zur Brückenbauerin, zum Brückenbauer?

Wer ist in der Lage, eine tragfähige Brücke zu bauen?

Für mich geht es da - ein letztes Mal im Bild gesagt - um das Fundament:

Worauf gründen die Pfeiler, die Bausteine, auf dem das imposante, Menschen verbindende, den Frieden bringende Bauwerk aufliegt?

II - VISION

Taugt dazu die alte Vision: Schwerter zu Pflugscharen?

Samt der so großen Überzeugungen: So wird es sein - "in den letzten Tagen" - oder heißt es richtiger: "am Ende der Tage"?

Diese Tage, so scheint es jedenfalls mir im Blick auf die Zeiten, in denen wir leben, haben noch nicht begonnen, jedenfalls nicht sonderlich sichtbar.

Brennend, bedrängend und zutiefst beunruhigend wird mir mein Blick auf die Zeit in einem fast monumentalen zweibändigen Buch, das der amerikanische Aktivist, Autor, Farmer, Bienenzüchter und Philosoph Derrick Jensen, veröffentlicht hat. Es passt - schon vom Titel - zur Vision des Propheten Micha: "Endgame", obwohl es um nichts Spielerisches geht.

Jensen hält vielmehr der sogenannten westlich-industriell geprägten Kultur den Spiegel vor. Darin zeigt sich ein ubiquitäres, allgemeines Prinzip des Handelns: Die Gewalt.

Ein Zitat: "Unsere Lebensweise - die industrielle Zivilisation - erfordert für ihren Erhalt permanente und allumfassende Gewalt. Ohne Gewalt würde sie sehr schnell zusammenbrechen." 1 Zitatende.

Dabei zielt die eingesetzte Gewalt als Ausbeutung auf die Aneignung von Ressourcen, die anderen gehören.

III - FUNDAMENT DER BRÜCKEN

Wenn - so die Folgerung auch aus dieser düsteren Perspektive, die Jensen zeichnet - in die Zivilisation der Gewalt die Kultur des Friedens einziehen können soll, wenn Brücken hierfür entstehen sollen, dann - noch einmal - geht es wesentlich um das Fundament.

Das heißt für mich: Die Vision des Micha von hinten nach vorne - nein, nicht zu lesen, sondern zu leben:

An erster Stelle steht dann:

- den Krieg nicht mehr lernen.

Nicht zuerst den Krieg, der mit Waffengewalt geführt wird. Sondern vielmehr den Krieg mit Lügen, mit unfairen Handelsgesetzen, allem Reden und Tun, das die Einbahnstraßen der Ressourcen in die eine und die Einbahnstraßen der Warenströme in die andere Richtung sichern helfen.

Der erste und wichtigste Stein einer neuen Brücke ist der, die Gewalt der tagtäglichen Ausbeutung abzubauen. Im Bild gesagt: Jede und jeder von uns mit dem - zugegeben - oftmals viel zu klein erscheinenden Handwerkszeug!

Dazu gehört dann auch, untrennbar:

- das Schwert nicht gegeneinander erheben.

Die Kriege der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit, vor allem aber die Kriege der Zukunft werden - so die Prognose derer, die unsere Zivilisation retten wollen - Ressourcenkriege sein.

Etwas lassen, etwas nicht zu tun, das scheint dem Tatendurst des Menschen noch am Schwersten zu fallen.

Der Verzicht darauf wird, drittens, dann am leichtesten Fallen:

- wenn Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln gemacht werden.

Dass zur Würde des Menschen auch die sinnvolle Arbeit gehört ist unbestritten. Sinnvoll ist gleich lebenserhaltend. Wie töricht muss man dann sein, Waffen herzustellen? Wie töricht gar, im weltweiten Karussell der Rüstungsexporteure zu den TOP 3 oder 4 - je nach Untersuchungskriterien - zu gehören, vielleicht gar gehören zu wollen, wie es unser Land tut?

Nein, der Baustein für eine Brücke die zum Frieden führt, die den Frieden trägt, der kann nur heißen: Rüstungskonversion. Fabriken umbauen. Menschen, die heute in diesen Fabriken Waffen schmieden brauchen andere, lebensdienliche Aufgaben. Mit ein wenig Kreativität fällt da jeder und jedem etwas ein.

Damit das geschehen kann, nicht von heute auf morgen - aber doch nicht erst in den letzten Tagen, sondern heute:

Mein Baustein - zu einem tragfähigen Brückenfundament!



Gunther Wurck ist Gemeindepfarrer der Ev. Kirchengemeinde Ersingen

E-Mail: KGErsingen (at) t-online (Punkt) de
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