Ostermärsche und -aktionen 2009

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10.04.2009


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Ostermärsche und -aktionen 2009

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag zum Ostermarschauftakt ades Ostermarsches Ruhr am Karsamstag, 11. April 2009

Liebe Freundinnen und Freunde,

Christian Uliczka (in Duisburg)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 11.04., Redebeginn: 13 Uhr -



seit ich politisches Geschehen wahrnehme, und das tu` ich, Jahrgang 1931, schon ziemlich lange, gibt es den Palästinakonflikt. Ja, es gab ihn schon vor Theodor Herzls Manifest "Der Judenstaat" von 1 896, zu einer Zeit, als die Juden in Palästina noch eine verschwindend kleine Minderheit waren. Und seither, in dieser langen Zeit, ist er viele Male aufgeflammt. So gesehen, könnte mein Thema

Israel, die Palästinenser und die deutsche Staatsräson

Erwartungen wecken, die sich mit einer kurzen Ansprache nicht erfüllen lassen. Im Interesse nötiger Begrenzung blende ich die Zeit vor dem vom U S -Präsidenten Carter initiierten Abkommen von Camp David (1978/79) weitgehend aus und richte den Blick auf das Konfliktfeld Gazastreifen während der letzten drei Jahre, vor allem aber auf dasjenige, das als deutsche Staatsräson gilt.

Dabei stütze ich mich u.a. auf die im Lamuv- Verlag veröffentlichten Bücher der seit einiger Zeit in Tübingen lebenden israelischen Rechtsanwältin Felicia Langer und vor allem auf das jüngst im PapyRössa Verlag in zweiter, erweiterter, Auflage erschienene Buch "Israels Irrweg - eine jüdische Sicht" von Dr. Rolf Verleger, Professor in Lübeck, dem Anreger der Ende September 2006 entstandenen Aktion

Schalom 5767: Berliner Erklärung,

die die seit 1967 andauernde israelische Besetzung palästinensischen Gebiets als das "Grundübel" benennt und einer dauerhaften Friedenslösung den Weg bereiten will, indem sie für Verständigung zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Volk über Fragen des Rückkehrrechts der 1948 vertriebenen Palästinenser, über die Vertreibung als von Israel einzugestehendes Unrecht und über den Status Jerusalems als Doppelhauptstadt eintritt.

In der Tat ist das Besetzthalten palästinensischen Landes das Grundübel. Annektieren will Israel nicht; denn dann müßte man den dort wohnenden Arabern Staatsbürgerrechte zugestehen und würde die jüdische Mehrheit in Israel verlieren. Statt dessen gründet man dort gegen das Völkerrecht eine jüdische Siedlung nach der anderen, um das Land Jüdisch" werden zu lassen, schafft man hunderte Kontrollposten, an denen man die Araber nach Belieben schikaniert, baut man eine Mauer quer durch arabisches Land und tut überhaupt alles, um den Palästinensern das Bleiben zu verleiden. Schreckliches Unrecht an ungezählten Menschen ist das Tag für Tag.

drei Jahren ist der im Zuge des Camp-David-Abkommens von Israel an Ägypten zurückgegebene und von Ägypten an einen noch zu gründenden palästinensischen Staat abgetretene Gazastreifen Hauptbrennpunkt des Konflikts geworden. Auslöser war offenkundig der Umstand, daß die Hamas im Januar 2006 in übrigens fairen demokratischen Wahlen die Mehrheit erhielt und die Leitung der Autonomiebehörde in Gaza und in der Westbank übernahm.

Damit mutierte die Hamas, die ursprünglich von Israel als Gegengewicht gegen die PLO Arafats bzw. die Fatah in Stellung gebracht und gefördert worden war, zur Gefahr, die bekämpft werden mußte, und die Menschen im Gazastreifen hatten das auszubaden. Dazu hat Amnesty International im Jahresbericht für 2006 unter der Überschrift "Kriegsverbrechen" festgehalten, daß die unverhältnismäßigen und willkürlichen Beschränkungen, die die israelische Armee über den Waren- und Personenverkehr in den Gazastreifen hinein und von dort hinaus verhänge, eine gegen die Vierte Genfer Konvention verstoßende Kollektivbestrafung der Bewohner seien.

In Wahrheit war es noch weit schlimmer. Vor ihrem Krieg gegen die libanesische Hisbollah, im ersten Halbjahr 2006, hat die israelische Armee zahlreiche Gewaltakte verübt in Gaza. Israelisches Militär hat unter dem Stichwort "Terrorbekämpfung" hunderte Einwohner entweder gezielt getötet, d.i. staatlicher Mord, oder, sozusagen kollateral, mitumgebracht, die Elektrizitätsversorgung absichtlich lahmgelegt, Fabriken demoliert, Straßen und Brücken unpassierbar gemacht, Steuern und Zölle einbehalten, die der palästinensischen Autonomiebehörde zustehen, und Mitglieder dieser Behörde und des Parlaments gefangengesetzt.

Was danach noch übrig war in Gaza, wurde dann vom 27. Dezember an systematisch zerstört. Das ist uns allen noch frisch im Gedächtnis.

Der Kriegsgrund war erlogen. Zwischen dem 19. Juni und den ersten Novembertagen war die Zahl der Einschläge von "Qassam"-Raketen und Mörsergeschossen nahe Null und hat die Hamas vorgefühlt, ob Israel zu einer Verlängerung der Ende Dezember auslaufenden Waffenruhe bereit sei. Die Antwort war -mit Radikalislamisten verhandelt man bekanntlich nicht - ein Angriff auf Gaza zur Zerstörung eines Verteidigungstunnels. Erst von da an stieg die Anzahl der Einschläge wieder. Kann dann jemand, wie allerdings Gregor Gysi laut Frankfurter Rundschau vom 7. Januar getan hat, wirklich sagen

"Der Krieg Israels erfolgte als Reaktion auf den fortwährenden Raketenbeschuss der ... Hamas auf israelische Städte und Dörfer"

und sich nicht schämen?

Und wie kann man, fragt Rolf Verleger mit Recht, angesichts der von Israel seit Jahren betriebenen Abschnürung und Aushungerung Gazas und seiner anderthalb Millionen Bewohner die Schuld an der neuerlichen Verwüstung allein und "ausschließlich" (so die Kanzlerin!!) der Hamas geben? Prominente und Halbprominente aller Bundestagsparteien haben sich so oder ähnlich geäußert, und sie alle sind entweder ahnungslos oder verlogen und sollten sich `was schämen.

Wieso ist, fragt Verleger weiter, todeswürdig, Mitglied der Hamas-Verwaltung zu sein? Inwiefern, ergänze ich, soll verwerflich sein, daß die Hamas mit der durchaus von ihr in Aussicht gestellten Anerkennung des Existenzrechts Israels zurückhält? Sie würde doch sonst nichts mehr in der Hand haben, Israel substantielle Zugeständnisse abzuhandeln.

Sollte solch` geballte Unredlichkeit wirklich ein Gebot deutscher Staatsräson sein? Müssen wir uns den USA als der Schutzmacht Israels zuliebe so verbiegen oder wegen des unter Führung von Deutschen begangenen Massenmords an den Juden Europas oder einfach aus Furcht vor der unbegreiflich wirkungsvollen Keule des Antisemitismus-Vorwurfs? Müssen wir deshalb die unendliche Kette aus Mißachtung von UN-Resolutionen und Verstößen gegen Völkerrecht und Menschenrechte, wenn nicht gutheißen, so doch totschweigen, jedenfalls nur ja unkritisiert lassen? Felicia Langer meint das nicht. Sie rät uns im Gegenteil gerade deshalb dazu, Israels Rechtsbrüche Rechtsbrüche zu nennen und Israel so möglicherweise vom Begehen weiteren Unrechts abzuhalten.

Felicia Langer hat recht: wir sollten alle die Politiker, die sich so viel auf ihre Freundschaft mit Israel zugutehalten, zumal die LINKEn-Promis, die dem untadeligen Hermann Dierkes in der Medienkampagne wegen seiner Boykottäußerung in den Rücken gefallen sind, fragen, ob sie wirklich meinen, sie täten Israel etwas Gutes, wenn sie es weiter seinem Irrweg folgen lassen. Zu überlegen ist doch, ob nicht, wer Israel sehenden Auges in den Abgrund rennen und so das Heimstätte-Projekt zum Scheitern bringen läßt, sich im Ergebnis "antisemitisch" verhält.

Unsere Staatsräson, die richtige, die wahre, steht im Grundgesetz. Sie verpflichtet uns zu Wahrhaftigkeit, zu Gerechtigkeit und zum Frieden. Und dabei soll es bleiben ...

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