Ostermärsche und -aktionen 2009

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11.04.2009


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Ostermärsche und -aktionen 2009

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Ostermarschrede 2009 in Bremerhaven am 11. April

Guten Tag, meine Damen und Herren, liebe Friedensfreunde, ich begrüße

Werner Begoihn (in Bremerhaven)

Sie zur Abschlusskundgebung des diesjährigen Ostermarschs in Bremerhaven.

60 Jahre NATO

Vor wenigen Tagen wurde feierlich der 60. Jahrestag der Nato-Gründung begangen.

Dazu einige Anmerkungen:

1.

Dass es Kritik an der NATO und ihrer Politik gibt, hat sich an der überzeugenden Zahl von Demonstranten gezeigt, die in Strassbourg und Kehl gegen die NATO demonstrierten. Die verschwindende Minderheit von militanten Demonstranten wurde als willkommener Anlass dafür genommen, die Protestbewegung gegen die NATO zu diskreditieren.

2.

Es war die NATO, die 1999 die Bundesrepublik Jugoslawien angriff, obwohl sich die NATO in ihrer Gründungscharta auf die UNO beruft, die die Androhung und Ausübung von Gewalt zwischen Staaten nur zulässt im Falle der Verteidigung und wenn sie selbst den Beschluss dazu fasst. Weder hatte Jugoslawien ein anderes Land angegriffen noch hatte die UNO aus anderen Gründen einen Angriff auf Jugoslawien befürwortet.

Damit haben die NATO-Staaten und unter ihnen Deutschland gegen das Völkerrecht verstoßen.

Inzwischen kann jeder, der es wissen will, herausbekommen, dass auch die Gründe, mit denen wir als Bevölkerung Deutschlands auf diesen Krieg eingestimmt werden sollten, nicht stichhaltig waren:



Es gab keine KZs.



Es gab keinen Hufeisenplan.



Es gab keine ethnischen Säuberungen.


Was sich auf dem Balkan weiter vollzog ist auch keine Erfolgsgeschichte für die NATO:

Bei der Gründung eines Staates namens Kosovo griff man auf Personal zurück, das durch seine Verwicklung in den Drogen- und Menschenhandel belastet ist, für den das Kosovo inzwischen eine Drehscheibe geworden ist.

Der Überfall auf Jugoslawien jährte sich vor wenigen Wochen zum 10. Mal. Ein Jubiläum, auf das die NATO nicht stolz sein kann.

3.

Es war auch die NATO, die 2001 Afghanistan überfiel. Und wieder war Deutschland dabei.

Für die Menschen mit schlechtem Gedächtnis:

In den USA waren an jenem berühmten 11. September 2001 Attentate verübt worden, bei denen zwei Flugzeuge in das World-Trade-Center rasten und eines in das Pentagon, ein viertes war abgestürzt. Wenige Tage später offerierte die US-Regierung die Namen von 19 arabischen Personen, die es gewesen sein sollen. Obwohl kein Staatsbürger Afghanistans dabei war (die meisten der 19 kamen aus Saudi- Arabien), wurde Afghanistan mit einem Trick ins Visier genommen: Es beherbergte Osama bin Laden, dem die Planung der Attentate unterstellt wurde, und hatte zugelassen, dass Al-Kaida, die Terrororganisation, die bin Laden leitete, in Afghanistan Ausbildungsund Trainingscamps für ihre Mitglieder unterhielt.

Als die damals in Afghanistan regierenden Taliban Osama bin Laden nicht sofort auslieferten, sondern erst Gründe erfahren und prüfen wollten, überfiel die NATO Afghanistan mit dem erklärten Ziel, die Organisation Al-Kaida zu zerschlagen und Osama bin Laden festzunehmen - die NATO-Armeen sollten gewissermaßen polizeiliche Aufgaben wahrnehmen.

Wer die Afghanistan-Diskussion dieser Tage verfolgt, wird von diesem Ziel nichts mehr hören. Es wird so getan, als sei es darum gegangen, die Afghanen vom Joch der Taliban zu befreien und Frauen und Mädchen Schulbildung zu ermöglichen.

Ich halte nichts davon, wenn man nicht zu den Gründen steht, die man einmal hatte - und nur diese Gründe versuchen überhaupt den Anschein zu erwecken, als hätten sie etwas mit Verteidigung zu tun. Aber auch wenn man das Afghanistan-Abenteuer an den nachgeschobenen Gründen misst, ist es keine Erfolgsgeschichte:



Die Taliban erstarken wieder und man sieht sich genötigt, mit Teilen von ihnen zu verhandeln.



Vor wenigen Tagen konnte man in der Financial Times Deutschland lesen: "Mindestens alle vier Tage Sex, das Haus verlassen nur nach Zustimmung des Ehemanns: Dieses afghanische Gesetz kommt vorerst nicht. Vor der Entscheidung hatte Kanzlerin Merkel mit dem afghanischen Präsidenten gesprochen." Soviel zu den Rechten der Frau - und wie gut sie bei der afghanischen Regierung aufgehoben sind.


Im letzten Jahr sagte ich Kritisches zur Entsendung von Tornados durch Deutschland - wie wir wissen, haben sie den entscheidenden Durchbruch nicht gebracht.

Ich zitierte den alten und neuen us-amerikanischen Verteidigungsminister Gates. Er sagte im Februar 2008:

"Es ist so, wie die NATO-Bündnispartner erst in Sevilla diskutierten: Wenn wir jetzt die notwendigen Schritte ergreifen, wird die Frühlingsoffensive in Afghanistan unsere Offensive - und sie wird dem Feind der gewählten Regierung, die von der überwältigenden Mehrheit der Afghanen gestützt wird, eine heftige Niederlage bereiten."

Jetzt haben diese Wunschdenker vor, die militärische Präsenz in Afghanistan noch weiter zu erhöhen, das deutsche Kontingent soll von 3600 auf 4400 Bundeswehrsoldaten aufgestockt werden - mit absehbarem Misserfolg. Wir fordern deshalb heute wieder den Abzug der Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan.

4.

Die NATO betont immer wieder sie sei eine Wertegemeinschaft. Ich z. B. halte Rechtsstaatlichkeit für einen hohen Wert. Wie sieht es damit in Bezug auf Guantanamo aus? Die USA sind immerhin führende NATOMacht und haben dieses Lager eingerichtet - von einem ernsthaften Protest der anderen NATO-Mitglieder in dieser Frage ist mir nichts bekannt, das Problem wird eher totgeschwiegen.

Wie könnte nun ein rechtsstaatliches Verhalten in Bezug auf die Guantanamo-Häftlinge aussehen?

Kein Mensch darf allein aus staatlicher Willkür festgehalten werden. Es muss ein Gerichtsverfahren geben, in dem eine erhobene Anklage juristisch überprüft wird. Im Falle der Guantanamo-Häftlinge gibt es keine Anklagen, es sollen offenbar auch keine erhoben werden. Diese Menschen sitzen also seit etwa sieben Jahren unschuldig im Gefängnis.

Wenn hierzulande festgestellt wird, dass jemand, der im Gefängnis sitzt, unschuldig ist, wird er umgehend freigelassen und er erhält eine Haftentschädigung.

Warum ist das im Bereich der NATO nicht möglich?

Aus dem Gesagten wird vielleicht deutlich, weshalb ich denke, dass ein neuer Präsident Obama eine Politik machen wird, die sich in den angesprochenen Fragen nicht wesentlich von der seines Vorgängers Bush unterscheiden wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich sein Charisma abgenutzt haben wird.

Im Falle des Irak ist nicht die ganze NATO beteiligt - jedenfalls nicht bei den Soldaten im Irak selbst. Deutschland leistet aber Beihilfe. Wir haben sie in den Aufrufen zu den Ostermärschen der letzten Jahre benannt: z. B. Überflugrechte oder Beteiligung deutscher Soldaten in AWACS-Flugzeugen und Spürpanzern.

Wir als Initiative "Mut zum Frieden" haben im Januar zu einer Demonstration aufgerufen, die einen gerechten Frieden für den Nahen Osten forderte und an Israel und die HAMAS appellierte, ihre Kriegshandlungen einzustellen.

Die im Einklang mit der UN-Resolution 1860 von uns erhobenen Forderungen haben sich teilweise mit dem Ende der Kampfhandlungen erledigt, unerledigt sind die Forderung nach Beendigung der Blockade des Gaza-Streifens, die Forderung nach Beendigung jeglicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und aller Akte des Terrorismus, die Forderung, dass es keine illegalen Waffentransporte in den Gaza-Streifen geben soll und keine legalen Waffenlieferungen an Israel und die Forderung nach Einsetzung einer unabhängigen internationalen Kommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen.

Wir vom "Mut zum Frieden" haben immer Wert darauf gelegt, dass wir Forderungen stellen, die in die Kompetenz der Bundesregierung und deutscher Stellen fallen. In diesem Sinne fordern wir die Bundesregierung auf, keine Waffenexporte in den Nahen Osten zu genehmigen und sich für die internationale Kommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen einzusetzen.

Aber ich merke, dass wir in Bezug auf Israel andere Forderungen stellen als in Bezug auf die NATO-Länder. Z. B. habe ich noch nichts von einer Forderung nach Einsetzung einer Kommission gehört, die die Kriegsverbrechen der USA im Irak untersucht, obwohl nach einer Zahl von 2008 600.000 Zivilisten seit 2003 gestorben sein sollen. Oder nach Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung der Kriegsverbrechen in Afghanistan mit zwischen 50.000 und 100.000 Toten seit 2001. Und wie sieht es mit Waffenlieferungen aus Deutschland in den Irak aus?

Ich denke, dass das Nah-Ost-Problem einer eingehenderen Erörterung bedarf, als es hier im Rahmen dieser Ostermarschrede möglich ist. Ich schließe meine diesjährige Rede mit den Forderungen, die wir in unserem Aufruf erhoben haben:



Rückzug der deutschen Truppen aus Afghanistan,



Entfernung aller Atomwaffen aus Deutschland - Abschaffung aller Atomwaffen weltweit,



Umstellung der Rüstungsproduktion auf Zivilproduktion,



Auflösung der NATO!


Damit wären dringend benötigte Gelder für Arbeit, Soziales, Bildung, Kultur, Friedensforschung und soziale Konfliktlösungen verfügbar. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Die Kundgebung ist beendet.



E-Mail: werner (Punkt) begoihn (at) t-online (Punkt) de
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