Ostermärsche und -aktionen 2009

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16.04.2009


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Ostermärsche und -aktionen 2009

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag zum Ostermarsch 2009 in Würzburg am 11. April

"Nein zum Geschäft mit dem Tod"

Uta Deitert (in Würzburg)

Seit Jahren hören wir, dass wir unsere Rüstungsanstrengungen in einem Fort verstärken müssen, weil nur die Drohung mit Waffengewalt und atomarem Erstschlag unsere Konkurrenten und Feinde in Schach halten kann, als da sind Russland, China, Iran und wem sonst noch alles nicht zu trauen ist.

Wer aber glaubt, dass nur die militärische Übermacht der NATO Frieden, Sicherheit und Stabilität auf unserem Globus garantieren kann, der muss wissen, dass dieser Glaube Konsequenzen hat, die den meisten Menschen auf dieser Welt Unsicherheit, Armut und Tod bringen. Erstens, weil sich zwangsläufig alle Staaten diese Denkweise zueigen machen, erst recht alle, die sich in möglicher Gegnerschaft zur NATO sehen. So kommt es, dass Jahr für Jahr die weltweiten Rüstungsausgaben steigen, momentan sind es ca. 1.200 Milliarden Dollar. 45% davon fallen allein auf die USA, mehr als 70% auf die NATO insgesamt. Zweitens sind natürlich nur die Industriestaaten technologisch und finanziell in der Lage modernste High-Tech Waffen zu entwickeln. Darum sind die NATO Staaten auch die größten und gefragtesten Exporteure von Kriegsgerät. Auch hier stehen die USA mit 31% ganz vorne, gefolgt von der EU mit 29%, vor Russland mit 25%. In der Rangfolge der Einzelstaaten liegt Deutschland auf Platz 3 mit einem stolzen 10% Anteil und einem -Volumen von 8,7 Mrd., 1 Mrd. mehr als im Vorjahr.

Die Bundesregierung, die jetzige aber auch die rot-grüne Vorgängerin, ist und war dabei nicht besonders von Skrupeln geplagt - schließlich hat man ja alles auf rechtsstaatliche Grundlagen gestellt, sprich Kriegswaffenkontrollgesetz, Außenwirtschaftsgesetz, und EU-Verhaltenskodex. Letzterer hält die EU-Länder in Rüstungsexportfragen zu gegenseitiger Information und Konsultation an und dazu Exporte nur dann zu erlauben, wenn der Empfänger die Menschenrechte beachtet. Auch sollte die Situation im Land stabil sein und die Lieferung entwicklungsverträglich.

Aber: Der EU-Kodex ist nicht rechtsverbindlich, sondern verpflichtet nur zur "Berücksichtigung" der genannten Kriterien. Das Kriegswaffenkontrollgesetz erfasst nur einen Bruchteil der deutschen Ausfuhren, gerade über brisante Anfragen befindet der geheim tagende Bundessicherheitsrat, der im Wesentlichen aus dem Bundeskabinett besteht. Er entscheidet mit Mehrheitsbeschluss, was meist "Ja" bedeutet, weil nämlich im Zweifelsfall die wirtschaftlichen Eigeninteressen den Ausschlag geben. Der Bundestag hat seit Jahren nichts mehr zu melden, ihm werden nur noch ohne Debatte, mit langer Zeitverzögerung regierungsamtliche Rüstungsexportberichte zur Kenntnisnahme präsentiert.

Was bedeutet das alles? Es bedeutet: gute 60% der Ausfuhrgenehmigungen erfolgen ohne jede Information und Kontrolle. Das sind hauptsächlich die sog. Sammelausfuhren, Teile und Produkte die in Kooperationen mit anderen EU - oder NATO-Staaten einfließen. Hier wird endgültig nichts mehr über Umfang, Empfänger und Produkt bekannt. Dieser Anteil der Exporte steigt jährlich, weil auch die Kooperationen kontinuierlich zunehmen. Natürlich weiß in diesen Fällen niemand, ob der Empfänger seine Importe behält oder weiter verkauft, was im Übrigen auch für die Einzelgenehmigungen gilt, die im Rüstungsexportbericht erscheinen.

So konnte es passieren, dass die georgische Armee im August 2008 im Krieg gegen Russland das Schnellfeuergewehr G 36 der Firma Heckler & Koch einsetzte, obwohl die Bundesregierung die Lieferung abgelehnt hatte. Auch Mercedes LKWs, bestückt mit israelischen Streumunitionswerfern wurden gesichtet.

So konnte es auch passieren, dass die Regierung eine Anfrage Pakistans nach der Lieferung von 3 U-Booten zunächst positiv beschied und die Lieferkosten von über 1 Mrd. sogar noch mit einer Ausfallbürgschaft, auch Hermesbürgschaft genannt, absicherte. D.h., sollte Pakistan zahlungsunfähig werden, würde die Bundesregierung einspringen, also wir Bürgerinnen und Steuerzahlerinnen.

Hermesbürgschaften sind schon für zivile Güter fragwürdig, für Rüstungsgüter sind sie ein Skandal!

Abgesehen davon verstößt gerade dieser Deal, wenn er auch zur Zeit auf Eis liegt, gegen sämtliche oben genannten Richtlinien. Pakistan ist ein instabiler Staat, steht in ständigem, immer wieder von Gewaltausbrüchen gezeichneten Konflikt mit seinem Nachbarn Indien, ist Entwicklungsland, in Terrorismus verwickelt und keine Demokratie - mehr Regelverstoß geht kaum! Besonders perfide ist, dass beim zunächst positiven Bescheid ausdrücklich das Argument "Arbeitsplatzerhalt" eine Rolle spielte.

Die Liste der Brüche selbstaufgestellter Regeln ist lang, die resultiert aus dieser undurchsichtigen Gemengelage aus mangelnder parlamentarischer Kontrolle, unverhohlenem wirtschaftlichen Eigeninteresse und eigenwilligen Interpretationen schwammiger Richtlinien. Dazu gehört z.B., dass 22% der Empfänger deutscher Rüstungsgüter Entwicklungsländer sind, z.T. mit innerstaatlichen Gewaltkonflikten - Mexiko, Indien, Ägypten, Indonesien und Angola, um nur einige zu nennnen. Abgesehen von deren Status: Entwicklungs- land kennzeichnet die meisten von ihnen auch eine schlechte bis sehr schlechte Menschenrechtssituation - alles eigentlich Ausschlusskriterien für Waffenlieferungen.

Mehr als fragwürdig ist auch, dass über 10.000 MP und 20.000 Sturmgewehre in über 40 Staaten gingen, eben auch das besagte G 36, das auf wundersame Weise seinen Weg in die georgische Armee fand. Dessen Vorgänger " das G 3, findet sich inzwischen wie seine Schwester die Kalaschnikow auf allen Kriegsschauplätzen der Welt, und man schätzt, dass 90% der Toten dort solchen Klein-und Leichtwaffen zum Opfer fallen. Ebenso fragwürdig ist auch die Vergabe von Lizenzen und Fertigungsanlagen an z.B. Afghanistan und Irak, wo an Kontrolle von Weiterverbreitung und Endverbleib gar nicht mehr zu denken ist.

Ich denke, auch diese unvollständige Aufzählung zeigt:

Rüstungsexport ist Treibsatz von Gewalt

Rüstungsexport behindert Entwicklung, weil er Mittel für dringend nötige Investitionen in zivile Projekte wie Gesundheit, Bildung, Umweltschutz abzieht.

Rüstungsexport begünstigt Unterdrückung und behindert Demokratisierung

Rüstungsexport ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte

Darum fordern wir: Mindestens eine anständige parlamentarische Kontrolle und öffentliche Debatte über dieses Dunkelfeld, und letztlich:

Schluss mit diesem "Geschäft mit dem Tod"!



E-Mail: joachim-uta (Punkt) deitert (at) t-online (Punkt) de

Website: www.oekopax.de
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