Ostermärsche und -aktionen 2010

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03.04.2010


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Ostermärsche und -aktionen 2010

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2010 in Biberach am 2. April

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ralph Lange (in Biberach)



- Es gilt das gesprochene Wort! -



im Namen des Biberacher Friedensbündnisses begrüße ich Sie herzlich zu unserer inzwischen traditionellen Karfreitagsmahnwache. Sie alle kennen das Zitat aus der römischen Antike: "Si vis pacem para bellum" - "Wenn du den Frieden willst, dann rüste zum Krieg." Unter dieser Losung wurden in der Geschichte der Menschheit nicht nur unzählige Kriege vorbereitet, sondern auch geführt. Der Leitsatz führte sich so fast immer ad absurdum. Das Motto unserer heutigen Mahnwache "Frieden kommt nicht durch Gewalt" ist die Umkehrung dieses Satzes. Auch hier gilt, dass keine Weisheit Allgemeingültigkeit erheben kann - als Leitsatz für eine vernünftige Friedenspolitik ist unser Motto aber allemal tauglicher. "Frieden kommt nicht durch Gewalt" verdeutlicht in einigen aktuellen Schlaglichtern:

Schlaglicht eins: Der Konflikt in Afghanistan

2009 fanden weltweit 16 größere bewaffnete Konflikte statt. Einer davon ist der Krieg in Afghanistan. Das Kontingent der ISAF an dem sich auch unsere Bundeswehr beteiligt umfasst 85.000 Soldaten. Verfolgt man die Analysen in den Medien, bekommt man den Eindruck, dass Experten diesen Krieg nicht mehr für gewinnbar halten - es aber kein Verantwortlicher wagt, dies offen zuzugeben. Leidtragende sind indessen neben den beteiligten Soldaten auch zunehmend zivile Opfer - ich erinnere hier an den tragischen Angriff in Kundus. Die angekündigte "neue Strategie" für Afghanistan ist längst überfällig. Mehr Waffen, mehr Truppen = mehr Frieden. Diese Rechnung geht nicht auf, wie die Erfahrung der letzten acht Jahre zeigt. Inzwischen stieg die Rate der Analphabeten, Armut und Hunger haben erschreckende Ausmaße angenommen, fast jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos, unzählige der neu ausgebildeten Soldaten und Polizisten der Regierung wechseln die Seiten. Einzig die Korruption und die Mohnfelder blühen. Die Welthungerhilfe, die sich seit 1980 in Afghanistan engagiert, schrieb im Januar sachlich und nüchtern: "(...) trotz der Milliardenbeträge, die in Afghanistan investiert werden, fällt die Bilanz des Wiederaufbaus gemessen an den selbst gesetzten Zielen dürftig aus. (...) Afghanistan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt." Besonders negativ beurteilt die Welthungerhilfe die Entwicklungsmaßnahmen, die von Seiten der Militärs durchgeführt wurden, um die "Herzen und Köpfe" der Bevölkerung zu gewinnen.

Schlaglicht zwei: Verdiene an Rüstung und Krieg, vernachlässige Probleme wie Hunger und Not

Selbst in Zeiten der Weltwirtschaftskrise gibt es noch kräftiges Wachstum: Die Staaten der Erde geben geschätzte 12 Mal mehr für Rüstung aus als für die Bekämpfung von Hunger und Armut. Pro Kopf der Weltbevölkerung sind das 217 Dollar jährlich. Und auch das Geschäft mit der Rüstung boomt. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI errechnete für die letzten fünf Jahre eine Steigerung des Rüstungsgeschäftes um elf Prozent. An Rüstung und Rüstungsexport lässt sich freilich gut verdienen. Die Bundesrepublik Deutschland holte sich 2008 die Bronzemedaille als drittgrößter Exporteur konventioneller Waffen - Gold gab es für die USA, Silber für Russland. Eine traurige Bilanz. Einer unserer größten Kunden ist übrigens das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland, das wir gerne - wie seinen potenziellen Gegner Türkei - mit Waffen beliefern. Dem nicht genug: NATO-Generalsekretär Rasmussen sprach sich indessen für eine Ausweitung der Verteidigungsanstrengungen in Europa aus und fordert einen Raketenschutzschild für Europa - das SDI der 80er Jahre 2.0. Falls Europa nicht zu höheren Ausgaben bereit sei, so Rasmussen vor wenigen Tagen, bliebe die EU in militärischer Hinsicht ein Papiertiger. Welch schreckliche Vorstellung. Stell dir vor, alle reden von Abrüstung und keiner tut es.

Schlaglicht drei: Unser Ziel einer atomwaffenfreien Welt

Zum Glück gibt es aber auch Ausnahmen. Erst vor einigen Tagen verständigten sich Russland und die USA auf eine Reduzierung ihrer Atomwaffen. Beide Seiten einigten sich auf die Obergrenze von 1.550 Atomsprengköpfen.

Ein Grund zur Freude und zum begrenzten Optimismus, ohne Zweifel. Obama zeigt damit, dass ihm das Ziel einer atomwaffenfreien Welt wichtig ist. Ein Grund zum beruhigten Zurücklehnen keinesfalls. 700 zukünftige Trägerraketen reichen immer noch unseren Planeten unbewohnbar zu machen. Wussten Sie, dass allein in Deutschland noch immer ca. 150 US-amerikanische Atomwaffen lagern? Wussten Sie, dass die Bundeswehr regelmäßig den Abwurf von Atombomben übt?

Wenn wir uns in diesen Tagen Sorgen um die Endlagerung von Atombrennstäben machen, wie viel mehr Sorgen müssen wir uns machen, dass ein winzig kleiner Teil des militärischen Potenzials an atomaren, biologischen oder chemischen Waffen in die Hände unberechenbarer Gruppen oder Staaten kommt. Übrigens stellten Experten aus Washington fest, dass die meisten Lagerstätten für Atomwaffen in Europa, die Sicherheitsanforderungen des Pentagon nicht mehr erfüllen.

Der Kampf für eine ABC-Waffen-freie Welt muss dringend auch von unten unterstützt werden - denn von hier ging er auch aus, seit dem die Atombombe erfunden wurde. Als Teil der internationalen Friedensbewegung wird das Biberacher Friedensbündnis diese Forderung nicht aus den Augen verlieren. 1982 gründete der Bürgermeister von Hiroshima die Initiative "Bürgermeister für den Frieden". Inzwischen sind in der Bundesrepublik 320 Bürgermeister Mitglied dieser Initiative. Die Bürgermeister für den Frieden haben 2005 eine Kampagne für einen Stufenplan zur Abschaffung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2020 gestartet. Auch der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner und der CSU-Bürgermeister von Neu-Ulm, Gerold Noerenberg, traten im Februar 2010 bei. So schrieb Noerenberg vor einigen Wochen: "In Anbetracht der vielen Opfer und der verheerenden Spätfolgen des Einsatzes von Atomwaffen (...) kann unsere Forderung nur lauten, die in Deutschland noch vorhandenen Atomwaffen zu beseitigen. Dafür setze ich mich nach Kräften ein." Als Bürger Biberachs würde ich mich sehr über einen Beitritt unseres Bürgermeisters Thomas Fettback freuen. Aus Gesprächen weiß ich, dass er den Anliegen der Friedensbewegung schon immer sehr nahe stand und steht. "Si vis pacem, para pacem." Wenn du den Frieden willst, engagiere dich für den Frieden. Das gilt freilich für uns alle.

Schlaglicht vier: Historische Aussage versus Visitenkarten

Lassen Sie mich am Ende meines Beitrags noch auf eine aktuelle lokalpolitische Diskussion eingehen. Sie steht freilich nicht auf einer Dringlichkeitsebene mit den weltpolitischen Dingen oben. Als Ausdruck der politischen Kultur ist sie allemal wichtig. Ich spreche von der Diskussion um die Umbenennung der Hindenburgstraße in Erzberger-Straße. Dieser Schritt ist längst überfällig. Dass er nicht schon längst getan wurde, hängt sicher mit dem schwierigen Umgang mit der eigenen Geschichte zusammen. Der Name Horst-Wessel-Oberschule wurde in Biberach ebenso schnell getilgt wie der Adolf-Hitler-Platz. Das musste reichen. Mit Paul von Hindenburg tat man sich offenbar schwerer, war er doch kein Nazi. Ein Vorbild für ein freiheitlich-demokratisches Land war er aber gleichfalls noch nie. Hindenburg, der Sieger von Tannenberg. Hindenburg, der Miterfinder der Dolchstoßlegende. Der monarchistische Hindenburg, der sämtliche undemokratischen Präsidialkabinette am Ende der Weimarer Republik stützte. Hindenburg, der Hitler zum Reichskanzler ernannte. Hindenburg, der Unterzeichner des Ermächtigungsgesetzes. Umso mehr überrascht es mich, dass sich offenbar viele Anwohner der Hindenburgstraße nicht für die dringende Namensänderung erwärmen können - nicht aus historischen, sondern aus finanziellen Gründen oder Gewohnheit. Der Name Hindenburg in der eigenen Geschäftsadresse schreckt offensichtlich weniger als der Neudruck von Visitenkarten. Eigentlich, so dachte ich, hätte die Initiative von den Anwohnern selbst und insbesondere den Geschäftseigentümern ausgehen müssen. Den Bürgern von Biberach sollte es wichtig sein, Straßennamen auch auf ihre historische Aussage zu prüfen. Der in Biberach begrabene Matthias Erzberger wäre eine gute Wahl. Er wurde wegen seiner Überzeugung und seines Eintretens für den Frieden von Rechtsradikalen ermordet. Ich werde daher gerne den Aufruf der Initiative für eine Namensänderung unterschreiben und freue mich, wenn Sie sich anschließen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.



Ralph Lange ist aktiv im Biberacher Friedensbündnis.

E-Mail: kontakt (at) ralph-lange (Punkt) de

Website: www.ralph-lange.de
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