Ostermärsche und -aktionen 2010

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03.04.2010


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Ostermärsche und -aktionen 2010

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2010 in Augsburg am 3. April

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Jost Eschenburg (in Augsburg)



- Sperrfrist: 3. April 2010, Redebeginn: ca. 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -



"Ohne wahre Feinde keine wahren Freunde! Wenn wir nicht hassen, was wir nicht sind, können wir nicht lieben, was wir sind," schrieb Samuel Huntington in seinem Buch "Kampf der Kulturen" von 1996. Welch ein Aberwitz. Ist Liebe nicht gerade die Zuwendung zu dem, was wir nicht sind, zum anderen Menschen, zum anderen Geschlecht? Und doch ist der Kampf der Kulturen längst die offizielle westliche Politik geworden.

Deutschland wird am Hindukush verteidigt - ob das den Leuten am Hindukush nun gefällt oder nicht! Böse Worte wie Imperialismus oder Kolonialismus sind da nicht am Platze. Auf der einschl ägigen Webseite "Politically Incorrect" heißt es, diejenigen, "die den Islam beschwichtigen, verstehen oder gar fördern", zögen "den im Feld verdienten Offizier [Oberst Klein] durch den Dreck, weil er erfolgreich die Drecksarbeit für uns alle erledigt hat." Die Drecksarbeit, das war der Mord an 140 Menschen in Kundus. Wären alle diese Menschen Taliban gewesen, so wäre das erklärte Ziel des Einsatzes erreicht worden: die Vernichtung, die Ausmerzung eines Feindes, der doch eigentlich nichts anderes tut, als sein Land und seine Kultur, wie er sie versteht, gegen ausländische Truppen zu verteidigen, seit sie 2001 erneut gewaltsam in seine Heimat eingedrungen sind.

Liebe Freundinnen und Freunde, dieser widersinnigen und tödlichen Denkungsart setzen wir unser klares Nein entgegen. Erinnern wir uns an eine früher oft gebrauchte Parole der Friedensbewegung: "Sollte der Staat, in dem ich arbeite, einem anderen Staat, in dem andere Menschen arbeiten, den Krieg erklären, so erkläre ich diesen Menschen schon heute den Frieden!" Wir werden niemals Mitläufer oder klammheimliche Billiger des "Kriegs gegen den Terror" sein. Wir werden nicht aufhören zu sagen und zu schreiben, dass die Menschen, die vom sicheren Computer per Mausklick Drohnen schicken und Bomben ausl ösen, noch weit schlimmere Terroristen sind als die ihr Leben hinwerfen, um viele andere mit in den Tod zu nehmen: diese können es nur einmal tun. Und wir werden Menschen anderer kultureller Herkunft mit Offenheit und Freundlichkeit begegnen:

Solidarität der Kulturen statt Kampf der Kulturen.

Das hört sich gut an. Wir könnten auf diesem Platz fast einen Moment lang vergessen, wie diejenigen darüber reden, die bei uns das Sagen haben. Hören wir Präsident Obama zu bei seiner beeindruckenden Nobelpreisrede: "Vielleicht das schwierigste Problem beim Empfang dieses Preises ist die Tatsache, dass ich Oberbefehlshaber einer Nation inmitten zweier Kriege bin. [...] Ich sehe die Welt, wie sie ist, und ich kann nicht müßig stehen angesichts von Bedrohungen des amerikanischen Volkes. Denn täuschen Sie sich nicht: Das Böse existiert in der Welt. [...] Verhandlungen können Al-Qaidas Anführer nicht dazu bringen, die Waffen niederzulegen. Die Behauptung, dass Gewalt manchmal notwendig ist, ist keineswegs Zynismus, sondern eine Erkenntnis aus der Geschichte, den Unvollkommenheiten des Menschen und den Grenzen der Vernunft." Es ist schwer, etwas dagegen zu sagen, solange man nicht wahrnimmt, dass alles ganz einseitig aus amerikanischer Perspektive gesprochen ist.

Von dieser Einseitigkeit sind wir umgeben; sie spricht aus jeder Politikerrede und jeder Zeitungsmeldung, und wir nehmen sie kaum noch wahr. Aber die Leute von Al-Qaida könnten ganz genau dieselbe Rede halten, nur dass "wir" die Bösen sind! Wir kommen aus dem Kriegsdenken nicht heraus, solange wir bewusst oder unbewusst parteiisch bleiben, solange wir nicht der anderen Seite die gleichen Rechte zubilligen wie uns. Der erste Schritt dazu wäre, den Gegner nicht länger zu verteufeln.

Das Böse gibt es in der Tat, aber es ist nicht in den Feinden verkörpert; es lauert vielmehr darauf, ins Herz jedes Menschen einzudringen, und durch Krieg und Gewalt breitet es sich epidemieartig aus. Der nächste Schritt wäre, dem Gegner zu sagen: Unsere Rechte enden da, wo deine Rechte anfangen; du brauchst uns nicht zu bekämpfen, weil wir deine Rechte anerkennen.

In Ländern wie Afghanistan, Irak, Jemen oder Pakistan haben wir nichts zu bestimmen. Das könnte sogar ein amerikanischer Präsident sagen, aber er tut es nicht. Deshalb muss Amerika mehr Geld für Rüstung, für den Tod ausgeben als alle anderen Länder der Erde zusammengenommen.

Unser Friedensengagement hat mit dem Aufstand des Lebens gegen den Tod zu tun, mit Ostern. Die Ostermärsche, die in Deutschland genau vor 50 Jahren begannen, standen von Anfang an in Verbindung zum christlichen Osterfest. Immer ging es darum, das Leben gegen den industriell produzierten Tod durch Krieg und immer furchtbarere Waffen zu verteidigen.

Wir Christen könnten damit anfangen, die Angst abzulegen:

"Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende" (Mt. 28, 20). Aber die Atomwaffen sind bis heute nicht aus unserem Land verschwunden, trotz der Absichtserklärungen Obamas und unserer Regierung, und die deutschen Rüstungsexporte haben sich in fünf Jahren verdoppelt. Die Friedensbewegung hat noch einen sehr weiten Weg vor sich. Wir fordern heute von der Bundesregierung:



Atomwaffen abschaffen, in Deutschland sofort!



Einschränkung statt Förderung von Rüstungsexporten!



Bundeswehr raus aus Afghanistan!



Hände weg vom Iran!


Vielen Dank!



Jost Eschenburg ist aktiv bei Pax Christi Augsburg. Vita siehe hier

E-Mail: eschenburg (at) math (Punkt) uni-augsburg (Punkt) de
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