Ostermärsche und -aktionen 2010

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04.04.2010


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Ostermärsche und -aktionen 2010

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2010 in der Kyritz-Ruppiner Heide

Von der Heide soll Frieden ausgehen!

Ulrike Laubenthal



- Sperrfrist: 4. April 2010, Redebeginn: ca. 15 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -



Liebe Freundinnen und Freunde,

ich bin sehr froh, heute hier an diesem Ort stehen und zu euch reden zu können.

Ich bin nicht zum ersten Mal hier. Im Jahr 2007 haben wir diesen Platz hier einen Tag und eine Nacht besetzt, mit 500 Menschen. Wir haben den Turm pink angemalt und mit Transparenten geschmückt, und wir haben rosa Pyramiden aufgestellt, die der Zielpyramide der Bundeswehr nachgebaut waren, um zu sagen: Jedes Ziel ist ein Zuhause! Jeder, der Bomben wirft, trifft damit Orte, an denen Menschen zu Hause sind.

Damals, 2007, war es verboten hier zu sein. Damals plante die Bundeswehr, hier einen Luft-Boden-Schießplatz einzurichten. Heute können wir uns ganz legal hier versammeln, auf einem Gelände, dessen Zukunft ungewiss ist. Ich hoffe, wenn wir uns das nächste Mal hier treffen, müssen wir nicht mehr die Bundeswehr um eine Genehmigung bitten.

Wir haben eine Menge erreicht mit unserem Protest und Widerstand. Dass der Luft-Boden-Schießplatz hier in der Heide verhindert werden konnte, ist ein riesengroßer Erfolg. Es ist ein Erfolg für alle, die 17 Jahre lang für die Erhaltung der Heide, für einen natur- und menschenfreundlichen Lebensraum ohne Lärm und Gift gekämpft haben. Und es ist ein Erfolg für die Friedensbewegung, die 17 Jahre lang dafür gekämpft hat, dass in der Heide kein Bombenkrieg geübt wird. Diese beiden Bewegungen - die regionale Bewegung für eine freie Heide und die bundesweite und internationale Friedensbewegung - sind nicht deckungsgleich, aber sie haben eine große Schnittmenge. Auf die Behauptung unserer Gegner, die Bundeswehr müsse aber doch schließlich irgendwo üben, haben viele von uns - viele auch hier aus der Region - immer schon gesagt: "Nein, das Bombenwerfen, das muss und das darf niemand üben. Hier nicht und nirgendwo."

Von 1992 bis 2009 wollten alle Bundesregierungen das ehemalige Bombodrom zu einem modernen Luft-Boden-Schießplatz machen. Warum eigentlich? Was wollten sie hier üben? Und wozu?

Geübt werden sollte hier der moderne Luftkrieg; das Zusammenwirken von Luft- und Bodentruppen; das gemeinsame Operieren multinationaler Streitkräfte; sogar das Verfahren zum Abwerfen von Atombomben. Geübt werden sollte hier alles, was man braucht, um im 21. Jahrhundert andere Länder anzugreifen, zu besetzen, zu beherrschen. Das nennt sich heute nicht mehr Krieg, sondern Stabilisierungseinsatz, humanitärer Einsatz, oder - welch eine wunderschöne orwellsche Sprachschöpfung - friedenserzwingende Maßnahmen mit erhöhter Kampfintensität. Es geht dabei nicht um Menschenrechte und Demokratie, sondern es geht darum, die Privilegien der reichen Nationen der Welt zu erhalten und die armen Länder dazu zu zwingen, uns auch weiterhin Rohstoffe und Märkte zu unseren Bedingungen zur Verfügung zu stellen. So werden unsere Interessen verteidigt - mit der Waffe in der Hand. Das ist die sogenannte Verteidigungspolitik unseres Landes. Lassen wir uns nichts vormachen: Jeder Mensch und jedes Land hat natürlich das Recht, die eigenen Interessen zu verteidigen- mit friedlichen Mitteln. Aber wer die eigenen Interessen in anderen Ländern mit Waffengewalt vertritt, der führt Krieg.

Die Bundeswehr führt Krieg in Afghanistan. Mit ihren militärischen Operationen behindern die Bundeswehr und die NATO die Friedensprozesse in Afghanistan, zerstören mühsam aufgebautes Vertrauen, verpulvern Geld für Waffen und Munition, das viel besser in wirkliche zivile Hilfsprojekte gesteckt würde. Und sie töten; sie töten und sie sterben. Krieg löst keine Probleme, er schafft aber viele neue. Deshalb fordern wir heute hier, wie auf den anderen Ostermärschen im ganzen Land: Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Und genau das, was heute in Afghanistan passiert, wollten Bundeswehr, EU-Truppen und NATO hier auf dem ehemaligen sowjetischen Bombodrom üben: Das Kriegführen.

Wir haben das verhindert. Wir haben gezeigt: Wir sind aufmerksam für das, was hier geschieht. Wir lassen nicht alles zu. Wir lassen die Militärs nicht machen was sie wollen. Die Rolle des Militärs in unserer Gesellschaft hat sich geändert. Hatte früher, insbesondere in der Nazi-Zeit, alles militärische höchste Priorität und folgte nur seinen eigenen Gesetzen, so konnten wir mit unserem Kampf für eine freie Heide zeigen, dass sich in einem demokratischen Staat auch das Militär an die Gesetze zu halten hat. Wir waren aufmerksam, wir waren entschlossen, wir hatten einen langen Atem - und wir haben es tatsächlich geschafft. Der Luft-Boden-Schießplatz ist Geschichte.

Ich wünschte sehr, dass einige Menschen heute hier mit uns stehen könnten, ohne die dieser Erfolg nicht zustande gekommen wären und die nicht lange genug gelebt haben, um ihn zu sehen: Helmut Schönberg. Hans-Dieter Horn. Und Annemarie Friedrich, die immer davon geträumt hat, an einem Ostersonntag mit ihren Enkelkindern mit einem Picknickkorb in die Heide zu wandern.

Dass wir diesen großen Erfolg hier errungen haben, hat eine Bedeutung über diese Region hinaus. Nach der Entscheidung vom 9. Juli gingen bei uns in der Sichelschmiede Glückwünsche aus aller Welt ein; Glückwünsche von Menschen, die durch unsere Berichte jahrelang Anteil genommen hatten an der Auseinandersetzung hier und die sich jetzt mit uns freuen. Bedeutung hat unser Erfolg für sie deshalb, weil sie mit ganz ähnlichen Problemen kämpfen. Denn vielerorts in der Welt frisst der Moloch Militär den Lebensraum der Menschen. Vielerorts verlieren die Menschen ihr Land, müssen Lärm und Gift hinnehmen, weil immer mehr, immer größere Militärbasen gebaut werden. Für diese Menschen bedeutet unser Erfolg Hoffnung. Die Hoffnung, dass der Moloch Militär überwunden werden kann - mit ausdauerndem, friedlichen Protest und Widerstand.

Insofern nimmt uns unser Erfolg auch in die Pflicht. Wir werden der Generation unser Kinder und Enkel nicht sagen können, wir hätten nichts gewusst. Wir werden auch nicht sagen können, wir seien machtlos gewesen. Wir wissen, was derzeit geschieht, wie unser Land weltweit in Kriege um Rohstoffe und Märkte verwickelt ist. Und wir wissen: Wir können etwas bewirken.

Das Motto unserer heutigen Veranstaltung ist: "Von der Heide soll Frieden ausgehen". Dieses Motto könnte in zweifacher Weise Wirklichkeit werden. Zum einen indem wir unser Rezept des erfolgreichen Widerstands an andere Orte der Kriegsvorbereitung exportieren. Ich denke da ganz konkret an Orte, wo jetzt das geübt wird, was hier nicht geübt werden darf. Die Anwohner der Luft-Boden-Schießplätze in Siegenburg und Nordhorn leiden unter dem, was wir hier erfolgreich abgewendet haben. Wir haben diesen Sieg nicht gegen die Menschen in Siegenburg und Nordhorn errungen, sondern wir sollten mit ihnen für einen noch größeren Sieg kämpfen: dass nirgendwo in unserem Land mehr das Bombenwerfen geübt wird! Dafür brauchen sie unsere Solidarität. Aber es ist auch nicht besser, wenn die Luftwaffe mit ihren Übungen auf andere Länder ausweicht. In Alaska, Louisiana und Nevada, in Kanada, in Südafrika, in Schweden, in Polen, auf Sardinien, auf Kreta, in den Vereinigten Arabischen Emiraten - überall gibt es gute Gründe gegen das Einüben von Bombenkrieg, und vermutlich gibt es überall auch Menschen, die unter den Übungen leiden. Deshalb schlage ich vor: Lassen wir Frieden von der Heide ausgehen! Machen wir den Widerstand gegen das Bombodrom zu einem Exportschlager!

Die zweite Weise, in der von der Heide Frieden ausgehen soll, liegt wieder näher hier bei uns. Bisher hat die Bundeswehr nur den Verzicht auf die Einrichtung eines Luft-Boden-Schießplatzes verkündet. Wir müssen weiter damit rechnen, dass hier in anderer Weise für Kriege geübt werden könnte. Aber das werden wir nicht zulassen. Von der Heide soll Frieden ausgehen, nicht Krieg! Wenn die Bundesregierung über andere Arten der militärischen Nutzung dieses Stücks Erde nachdenkt, dann soll sie wissen: Auch die Friedensbewegung wird dann wieder da sein und ihren Teil dazu beitragen, dass die Kyritz-Ruppiner Heide nie wieder militärisch genutzt wird.

Wir bleiben dabei: Hier nicht - und nirgendwo!



E-Mail: ul (at) gewaltfreiheitstrainings (Punkt) de

Website: www.gewaltfreiheitstrainings.de
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