Ostermärsche und -aktionen 2010

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05.04.2010


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Ostermärsche und -aktionen 2010

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Ostermarsch München am 3. April 2009 auf dem Orleansplatz (Auftakt)

50 Jahre Ostermarsch, ein runder und denkwürdiger Geburtstag!

Walter Listl (in München)

Genaugenommen beginnt die Geschichte des OM schon vor 60 Jahren, 1950 als unter dem Eindruck des Atombombeneinsatzes in Hiroschima und Nagasaki durch die USA der Stockholmer Appell die Ächtung aller Atomwaffen forderte.

Darin hieß es:

"Wir sind der Ansicht, dass die Regierung, die als erste Atomwaffen gegen irgend ein Land einsetzt ein Verbrechen gegen die Menschheit begeht und als Kriegsverbrecher zu behandeln ist"

In der Folgezeit haben weltweit 500 Millionen Menschen diesem Stockholmer Appell zugestimmt.

1957 erklärte der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer in einem Interview, die neue Generation von taktischen Nuklearwaffen sei

"... nur die Weiterentwicklung der Artillerie. Selbstverständlich können wir nicht darauf verzichten, dass unsere Truppen auch in der normalen Bewaffnung die neueste Entwicklung mitmachen."

Am 17. April 1958 fanden Demonstrationen in Bremen, Kiel, München, Mannheim, Dortmund Essen und Hamburg statt. In der Hansestadt standen die meisten städtischen Verkehrsmittel fast eine Stunde still, um ihren Mitarbeitern die Teilnahme zu ermöglichen.

Getragen wurden diese Aktionen von den Kirchen, den Gewerkschaften, der SPD, der Internationale der Kriegsdienstgegner (heute DFG/VK), den Kommunisten (KPD war schon verboten) Wissenschaftlern und Kulturschaffenden.

Es gibt einen Brief von Robert Scholl, dem Vater von Hans und Sophie Scholl an die Teilnehmer der ersten OM`sche1960, darin schreibt er:

"Ich sehe in den Plänen zu einem Atomkrieg eine schwere Verschuldung der Menschen, die ihn vorbereiten, fördern und befürworten, ja sogar derjenigen, die gleichgültig und unbeteiligt zusehen. Die Verschuldung kommt derjenigen nahe, die dem unmenschlichen Geschehen der Nationalsozialisten ungerührt oder gar billigend gegenüberstanden".

Soweit das harte Urteil von Robert Scholl, dem Vater der Geschwister Scholl.

Der Theologe Eugen Drewermann sagte auf der Kundgebung am 2o. Februar dieses Jahres in Berlin:

"Wir hatten Leute an der Macht, die ausrechneten, dass bei einem atomaren Erstschlag je nach Windrichtung zwischen 5o Millionen und 15o Millionen Menschen sterben würden.

Diese Leute nennen sich heute Gewinner des Kalten Krieges.

Wir sollten uns allen Ernstes fragen, ob sie nicht einen Sprung in der Schüssel haben und ganz woanders hingehören, als in irgendein Parlament oder auf eine Regierungsbank"

Einer der Mitbegründer der OM-Bewegung, Pastor Martin Niemöller begleitete diese Bewegung mit der Erkenntnis:

"... heute ist die Ausbildung zum Soldaten die hohe Schule für Berufsverbrecher. Mütter und Väter sollen wissen, was sie tun, wenn sie ihren Sohn Soldat werden lassen. Sie lassen ihn zum Verbrecher ausbilden".

Soweit der damalige Kirchenpräsident Pastor Martin Niemöller.

Ich weiß sehr wohl, dass es verboten ist, Soldaten der Bundeswehr als Mörder zu bezeichnen.

Ich darf also auch die wirkliche Bezeichnung des Bundeswehroberst Klein, der den Massenmord von Kundus befohlen hat, nicht nennen.

Er darf nicht als Mörder bezeichnet werden.

Diese korrekte Nennung unterläge jener Strafverfolgung, der dieser Oberst offensichtlich nicht unterliegt.

Auf dem Weg der Bundeswehr-Auslandseinsätze,

von der Bombardierung Belgrads über die klammheimliche Komplizenschaft beim Krieg gegen den Irak

bis zur Bombardierung des Tanklasters bei Kundus ist unser Land dort angekommen, wo die Soldaten der Naziwehrmacht dereinst aufhörten - Im Krieg gegen andere Länder.

Deshalb ist unser Ostermarsch noch immer wichtig - damit es auch nicht einmal zu wenig gesagt wird:

Bundeswehr und alle fremden Truppen - raus aus Afghanistan.

Afghanistan hat in seiner dreitausendjährigen Geschichte nie ein anderes Land angegriffen aber die Menschen dort erleben den inzwischen fünften Krieg westlicher Staaten gegen ihr Land.

Traumatisierte Kinder, die heute mit schreckgeweiteten Augen durch die Straßen afghanischer Dörfer und Städte laufen, haben noch keinen Tag ihres Lebens ohne Krieg und Bombenterror erlebt.

Die europäischen Staaten haben dort eine Vergangenheit die so blutbeschmiert ist, dass sich dieses Blut kaum von den Wänden der Geschichte abwaschen lässt.

Diese Länder wie - auch die USA - sind die Letzten, die den Afghanen zu sagen hätten, wie sie zuleben haben.

Der Krieg gegen Afghanistan kostet täglich rund eine Milliarde Dollar.

Das heißt, jedem der 15 Millione

n Afghanen könnte man täglich 70.ooo Dollar geben. Können wir uns vorstellen, was man auch nur mit einem Bruchteil dieses Geldes machen könnte, wenn es den Menschen dort zugute käme?

Aber es ist nicht die Unvernunft, die Uneinsichtigkeit oder Unbelehrbarkeit der Militärs oder Politiker, die zum Krieg führt, sondern der Rohstoffimperialismus der kapitalistischen Elitemächte, es ist die militärische Durchsetzung der Kapitalverwertung im globalen Maßstab.

Eugen Drewermann fand dafür drastische Worte:

"Was wir in Afghanistan sehen ist, dass Neokolonialismus, Imperialismus und Militarismus ein und die selben Worte sind für eine internationale Aggression rund um den Globus". (Rede Februardemo in Berlin)

Und es ist diese Aggression, die Armut, Verzweiflung und Terror hervorbringt einen Terror, für den die indische Literaturnobelpreisträgerin Arundati Roy ein eindrucksvolles Bild gefunden hat: "Der Terror ist aus der Rippe einer Welt gemacht, die vom Imperialismus verwüstet wurde"

Deshalb sagen wir, die NATO ist aufzulösen wie jede andere kriminelle Vereinigung!

Dafür demonstrieren wir heute zum fünfzigsten mal.

Denn - noch einmal 50 Jahre werden die Menschen dieses Planeten nicht unbeschadet überstehen, wenn die Probleme nicht gelöst werden, gegen die wir seit fünf Jahrzehnten auf die Straße gehen.

Der Krieg heute hat viele Gesichter und er findet nicht nur in Afghanistan oder in Palästina statt.

Unser Land belegt einen traurigen dritten Platz der waffenexportierenden Länder und Waffenexporte sind nichts anderes als Beihilfe zum Massenmord.

Und wie man am Beispiel Griechenland leicht erkennen kann, auch ein Beitrag, um Staaten in den Staatsbankrott zu führen.

Oder ist es nicht pervers, dass von Griechenland ein drastisches Sparprogramm im Sozialbereich gefordert, aber gleichzeitig hinter den Kulissen darauf gedrängt wird, Milliardensummen für deutsche Waffensysteme auszugeben?

Griechenland ist der zweitgrößte Abnehmer deutscher Waffenexporte.

Und ist es etwa kein Krieg, wenn die USA im vergangenen Jahr 138 Millionen Tonnen Reis und etwa noch mal so viel Getreide verbrennen um sog. Bio-Sprit herzustellen, während im selben Zeitraum alle 5 Sekunden ein Kind verhungert und täglich 100.000 Menschen an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen sterben?

Ist die Androhung von Sanktionen gegen den Iran etwa keine Kriegserklärung und erinnern wir uns noch daran, dass durch die UNO-Sanktionen gegen den Irak 1,5 Millionen Iraker starben, ein Drittel davon Kinder?

Diese Kinder sind nicht gestorben, sie wurden ermordet.

Der ehemalige UNO-Beauftragte für Ernährung, der schweizer Soziologe Jean Ziegler stellte fest:

"Um die großen Milleniumsziele der UN zu erreichen, also die schlimmsten Plagen der Menschheit von Hunger über mangelnde medizinische Versorgung bis unzureichender Bildung zu besiegen und die ganze sog. Dritte Welt aus ihrer materiellen Not zu führen, bräuchte es laut UNO-Berechnungen einen Betrag von 85 Milliarden Dollar fünf Jahre lang?"

Und weiter - "Wenn ich sehe, dass in New York in einem Monat 3000 Milliarden Dollar versenkt werden

und der amerikanische Finanzminister 700 Milliarden Dollar mobilisiert, um diese Bankhalunken freizukaufen, dann sehe ich weiße Rassisten, die sich nur um sich selber kümmern"

Für 20 Milliarden Dollar könnte nach UNO-Schätzungen allen Menschen der Zugang zu sauberem Wasser geschaffen werden.

Ebenso viel wäre nötig um die Slums rund um die Megastädte der Welt zu beseitigen.

Das ist weniger als ein Dreißigstel des Militärhaushaltes der USA.

Stattdessen schützen wir uns militärisch vor den Menschen, die ihrem Elend entfliehen wollen. 6000 von ihnen haben schon heute das Mittelmeer zu einem Massengrab gemacht.

Und sie haben keine bessere Antwort als Frontex zur militärischen Abwehr der Flüchtlinge.

Und machen wir uns nichts vor:

Auch das Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen war eine Kriegserklärung der reichen kapitalistischen Staaten an die Lebensinteressen der Menschheit und künftiger Generationen.

Sie führen Krieg gegen die Natur, die sie ausbeuten, gegen die Hungernden, die sie ins Elend treiben.

Und für alle die Katastrophen die damit angerichtet werden, haben sie nur eine Antwort: Krieg

Nein, es ist nicht die Gier einzelner, die diesen Planeten ruiniert.

Es ist die Wachstumslogik einer kapitalistischen Produktionsweise, die für den Profit über Leichen geht.

Die Erfahrungen zeigen: Es gibt auch Kriege, in denen kein Schuss fällt.

Auch mit dem Bau von illegalen Siedlungen oder dem Bau einer Mauer auf palästinensischen Territorium und der systematischen Zerstörung der Lebensgrundlagen eines Volkes kann man Krieg führen.

Unserer Erfahrung, dass die Hoffnung zuletzt stirbt folgte die Erkenntnis, dass im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt.

In der unappetitlichen Zeitung mit den großen Überschriften - Boulevardblatt wäre geschmeichelt, es ist eher ein Depperlblatt -

in den Schlagzeilen dieser Zeitung folgte dem "Irren von Bagdad" jetzt der "Irre von Teheran" der die Welt mit Atomwaffen bedrohe und Israel auslöschen wolle.

Alles Lüge, damals wie heute!

Letzteres eine nachgewiesene Falschübersetzung, ersteres vom ehemaligen Chef der internationalen Atomenergiebehörde Muhammad El Baradei kommentiert: dass "niemand im Iran Nuklearwaffen entwickelt.

Teheran hat kein laufendes Atomwaffenprogramm aber jeder im Westen spricht davon, dass Irans Atomwaffenprogramm die größte Bedrohung der Welt sei" (Bulletin of the Atomic Scientists vom September 2009)

Ich weiß nicht ob der Iran an Atomwaffen bastelt, aber es gäbe eine einfache Lösung dieses Problems. Eine atomwaffenfreie Zone im nahen und mittleren Osten entsprechend den Zielen des Atomwaffensperrvertrages, den der Iran übrigens unterzeichnet hat im Gegensatz zu den meisten seiner Nachbarstaaten.

Die Abschaffung der Atomwaffen darf man nicht den Politikern überlassen, egal wie sie heißen, egal aus welchem Land sie kommen.

Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann, heute in einem obskuren Gremium zur Atomwaffen-Null-Lösung zusammen mit dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Ischinger und anderen bewährten Friedenskämpfern riet in einer Studie noch 2008 zum Ersteinsatz von taktischen Atomwaffen.

Nein - wir werden das auch weiterhin schon selber machen müssen.

Die Chance, Atomwaffen zu beseitigen und Kriege aus der Welt zu schaffen ist verzweifelt gering, aber es ist die einzige die wir haben, wenn wir am Leben bleiben wollen.

Danke, dass ihr zu diesem Ostermarsch gekommen seid, dass ihr mitmacht auf unserem langen Weg zu einer pazifistischen Revolution, für eine Welt ohne Rüstung und Krieg.



E-Mail: son (Punkt) schmid (at) t-online (Punkt) de
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