2011
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21.04.2011


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Ostermärsche und -aktionen 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Kassel am 25. April

Liebe Ostermarschiererinnen und Marschierer in Kassel!

Erika Mohs (in Kassel)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 25. April, Redebeginn: ca 12 Uhr -



Ich spreche hier für die Initiative "Frauen nach Tschernobyl".

Ich spreche hier aber auch für alle Frauen und Kinder in der Welt, die unter Krieg, Bomben Terror, oder radioaktiver Strahlung leiden. Immer sind es die Wehrlosen, die Frauen, Kinder und die Alten, die am meisten betroffen sind. Ich spreche hier heute aus tiefstem Herzen für die Kinder nach Tschernobyl, für die Kinder nach Hiroschima, für die Kinder nach Fukushima.

Aber:Ich spreche hier heute mit aller Kraft gegen die Atomenergie.

Die zivile Nutzung der Atomenergie soll friedlich sein? Welch ein Hohn!

Die zivile Atomnutzung ist der Schlüssel für die militärische Nutzung. Plutonium wird künstlich bei der zivilen Wiederaufarbeitung von Brennstäben gewonnen und Plutonium ist das Ausgangsmaterial für die Atombombe. 5kg Plutonium reichen für eine Atombombe und etwa 100 kg Plutonium fallen pro Jahr in einem AKW an. Das reicht für 20 Atombomben . Atomenergie " egal ob zivil oder militärisch genutzt, bedeutet höchste Gefahr für die Zukunft der Menschheit.

Tschernobyl, Hiroschima und Nagasaki, Fukuschima - Namen des Schreckens.

August 1945 : Die 2 Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki sollten das Ende des Pazifikkrieges beschleunigen . Und das taten sie. 140.000 Tote zwangen Japan in die Knie.

26. April 1986 Tschernobyl: 8 Tonnen Kernbrennstoff aus Reaktor 4 des AKW Tschernobyl wurden in die Luft geschleudert. Das entspricht 100 Hiroschimabomben. Morgen jährt sich diese Katastrophe zum 25. Mal. Mitten im Frieden Flucht, Vertreibung, Zerstörung, mitten im Frieden Tausende toter Soldaten durch radioaktive Strahlen.

März 2011 Fukuschima: Ein völlig anderes Szenario: 2, 3, 4, Reaktorblöcke geraten außer Kontrolle, in den Pazifik fließt verseuchtes Wasser, wieder kämpfen Feuerwehrleute gegen die Kernschmelze, wieder fliehen Menschen vor dem unsichtbaren Strahlenfeind.

Ganz Verschiedene Szenarien - aber eines ist allen gemeinsam: Das Verschweigen, Vertuschen, Verharmlosen, das Lügen der Mächtigen. Was stirbt im Krieg zuerst? Die Wahrheit. Was stirbt bei ziviler oder militärischer Nutzung von Atomenergie zuerst? Die Wahrheit.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, Hiroschima, Tschernobyl, Fukushima geht uns alle an. Es sind Warnungen, die wir ernst nehmen müssen.

Seit Mai 1986 gibt es uns Frauen nach Tschernobyl hier in Kassel.

Seit 25 Jahren warnen wir vor dem Vergessen.

Seit 24 Jahren demonstrieren wir am 26. April hier auf der Rathaustreppe und schreien: Seht hin! Kehrt um! Macht nicht mit. Wir wissen, wovon wir reden!



Wir Frauen nach Tschernobyl fühlten uns und unsere Familien angegriffen und wir mussten uns wehren. Wir haben in all den Jahren stellvertretend für viele gesprochen, wir haben uns für alle Menschen, aber besonders für die Kinder, verantwortlich gefühlt.

Darum haben wir nach dem Fall des eisernen Vorhangs Tschernobylkinder nach Kassel eingeladen - 12 Jahre lang nach Kassel, dann ins Kinderzentrum Nadeshda. Nein, das war keine nette, humanitäre Einladung, Das war eine verzweifelte, hoch politische Sache. Mit jeder Einladung schrieen wir wieder: Seht hin! Kehrt um, macht nicht mit. So geht es euren Kindern, wenn Biblis explodiert.

30 Kinder luden wir ein, aber alle Kinder der Zone haben wir gemeint.

Wir sind in die verstrahlte Zone gefahren, vor allem in den Oblast Gomel in Weißrussland. Dieses Gebiet bekam 70 % des radioaktiven Regens ab.

Die großen Hilfswerke sind nicht in die Tschernobyl - Zone gefahren, denn sie wurde offiziell nicht zum Katastrophengebiet erklärt. Die Internationale Atomenergiebehörde, sie redete von nur 50 Toten und meinte, Tschernobyl sei keine Katastrophe.

Aber es kamen andere Helfer in die Zone - viele hundert Bürger-Initiativen wie wir - aus Deutschland, aus ganz Europa, ja, aus Kanada und Japan. Freundschaften, Partnerschaften, Projekte entstanden .In den letzten 20 Jahren wurden Menschenbrücken gebaut, stabile Friedensbrücken von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Die blassen Tschernobylkinder wurden zu wunderbaren Botschaftern ihres Landes und sie öffneten uns die Augen für ihr Land " für ihr Leid, für ihre wunderbare Gastfreundschaft.)

24 mal war ich in der sogenannten schmutzigen Zone, in den Dörfern, bei den Umsiedlern, in Schulen " Familien, Krankenhäusern.

Eltern, Lehrer und Ärzte klagen über den schlechten Gesundheitszustand der Kinder.

94 % der Kinder nicht richtig gesund. Die meisten Kinder haben Tschernobyl - Aids. Das ist eine Immunschwäche, hervorgerufen durch 25 Jahre Niedrigstrahlung in der Nahrung. Die Kinder sind anfällig, geschwächt, haben Kopfweh und Nasenbluten. Leichte Infekte werden oft zu schweren Krankheiten, kleine Verletzungen zu Wunden, die nicht heilen. Die Kinder haben auch Schilddrüsenkrebs, Kinder-Diabetes, Herzinfarkte mit 12 Jahren, Bronchitis, Hautkrankheiten, Augen - und Zahnanomalien. Ich könnte von Wladimir erzählen, dem die 2. Zähne nicht wachsen, von Irina, die fast ihr ganzes Leben im Krankenhaus verbringt, von Nastja mit der Schilddrüsenoperation und von Dimitri. Als ich Dimitri fragte, was willst du denn werden? antwortete er:" Ich will erwachsen werden."

Liebe Ostermarschierer!

In all diesem Elend suche ich immer wieder nach Orten der Hoffnung. Ohne Hoffnung können wir alle nicht leben. Ein Ort der Hoffnung ist zum Beispiel das Kinderzentrum Nadeshda in Weißrussland. Nadeshda heißt Hoffnung. Nadeshda ist ein Spezialsanatorium für Tschernobylkinder und wurde in deutsch- weißrussischer Zusammenarbeit gebaut. Als es fertig war, haben wir unsere Kinder nach Nadeshda eingeladen.

Dieses Kinderzentrum in Weißrussland hat viel mit Kassel zu tun: Kasseler Handwerker von der christlichen Handwerkerschaft und vom christlichen Männerwerk haben jahrelang in ihrem Urlaub Nadeshda mit aufgebaut. Die Fliesen in Nadeshda wurden von Kasselern verlegt und die Wände von Kasseler Malern fröhlich angemalt. Das ist echte Friedensarbeit.

Und unser Land? Hat Deutschland die letzte große Warnung von Fukushima wirklich begriffen ?Könnte es wirklich auch zu einem Ort der Hoffnung werden? Geht jetzt der berühmte Ruck durchs Land?

Ja, möchten wir schreien, legt los mit der Energiewende!

Wir wissen schon lange, dass es geht! Wir wissen, dass es anders geht, - fehlerfreundlicher, menschlicher, dezentraler, friedlicher, offener und ehrlicher - und dass es sich auch noch rechnet. Alternative Energien kurbeln die Wirtschaft an. Alternative Energien haben 340.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen! Hier in Kassel bei SMA arbeiten 5.400 Menschen in der Solarbranche. Es geht 100-prozentig.

Lasst euch nicht bange machen! Und wenn es schwierig wird mit der Energiewende, wenn es dauert, wenn mit höheren Preisen gedroht wird: Denkt immer daran: Alles ist besser als Jod 131 im Trinkwasser, Plutonium in der Nordsee und durch Cäsium 137 verstrahlte Nahrung. Denkt an eure Kinder und Enkelkinder. Es reicht, dass sie den Atommüll erben.

Und liebe Kasseler,

lasst uns die Energiewende nicht erdulden, sondern lasst sie uns aktiv und kreativ gestalten! Sie ist ein spannender, gesellschaftlicher Prozess. .Bürgersinn, Bürgerwissen ist gefragt. Informiert Euch. Knipst das Licht aus. Lasst euer eigenes Licht leuchten! Wir können verändern. Wir können verändern. Wir können uns verändern, wir können umdenken und umschwenken.

Wir sind keine blöden Verbraucher, sondern verantwortliche Verwalter unserer kostbaren, erneuerbaren Energien. Dann macht die Energiewende auch Spaß und dann ist sie eine Friedenswende. Dezentrale Energien schaffen Gerechtigkeit, Frieden und bewahren die Schöpfung. Darum gehören sie heute hierher zu uns auf den Ostermarsch.

Liebe Bürgerinnen und Bürger von Kassel,

für all das brauchen wir viel Kraft: Überzeugungskraft, Widerstandskraft, Denkkraft, Tatkraft, vor allem Durchhaltekraft -

Aber für all das brauchen wir gar keine, überhaupt keine Atomkraft.

Im Namen der Kinder von Tschernobyl, Hiroschima und Fokushima fordere ich:

Abschaffung der Atomwaffen!

Abschalten der Atomkraftwerke!

Jetzt und weltweit und zu 100%!

Vielen Dank.



Erika Mohs ist aktiv bei der Initiative "Frauen nach Tschernobyl".

E-Mail: Mohs-Kassel (at) t-online (Punkt) de
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