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22.04.2011


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Ostermärsche und -aktionen 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Ansbach am 23. April

"Lautstark für den Frieden!"

Jürgen Rose (in Ansbach)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 23. April, Redebeginn: ca 16 Uhr -



Sehr geehrte Versammelte, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Es stimmt froh und zuversichtlich, daß es Menschen gibt wie Sie, die ungeachtet solch deprimierender Zeiten des Krieges, in denen wir leben, nicht resignieren, sondern unbeirrt aufstehen, um die Tradition der Ostermärsche fortzusetzen und ihre Stimme für den Frieden zu erheben. Diese Beharrlichkeit ist bitter nötig, wollen wir den Kriegstreibern und Friedensverrätern auf dieser Welt nicht vollständig das Feld überlassen. Denn ohnehin dröhnt deren hirnvernebelnde Propaganda permanent in aller Ohren. Bedeutungsschwer dozieren sie von "humanitärer Intervention", von der "Responsibility to Protect", der sogenannten "Schutzverantwortung", die Kriegsherren in den Regierungskanzleien und deren willfährige militärische Schlachtendirektoren, flankiert von pseudowissenschaftlichen Politikberatern, schneidigen Militärexperten sowie den notorischen Volksverdummern in den Sendeanstalten und den Schreibstubenbellizisten in den Zeitungsredaktionen dieser Republik, wenn sie uns wieder einmal weismachen wollen, daß keine andere Wahl bliebe, als die Bomber aufsteigen und die Raketen fliegen zu lassen. Denn nichts Geringeres gelte es schließlich zu verhindern, als - horribile dictu - den Völkermord. Von einer "Operation am offenen Herzen des Völkerrechts" war diesbezüglich jüngst gar die Rede - so euphemistisch läßt sich blanker Völkerrechtsbruch freilich auch bemänteln. Bomben also für die Menschenrechte und Frieden schaffen mit aller Gewalt, so lauten die aberwitzigen Parolen.

Sicherlich wird manch einer unter Ihnen sich fragen, was ein ehemaliger Soldat der Bundeswehr zu einem Ostermarsch für den Frieden beizutragen hat, handelt es sich nach weitverbreiteter Vorstellung doch bei Soldaten um bloße Handwerker des Krieges und bei dem Terminus Soldat um eine Abkürzung, die ausbuchstabiert bedeutet: Soll ohne langes Denken alles tun. Nimmt man freilich den beharrlich erhobenen Anspruch der Bundeswehr ernst, ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein, dann ist es doch ganz selbstverständlich, daß auch Bundeswehrsoldaten als Teil dieser Gesellschaft sich um den Frieden sorgen und dies auch öffentlich kundtun. Ganz besonders verpflichtet fühlen sich diesem Anspruch diejenigen Bundeswehrangehörigen, die sich im "Arbeitskreis Darmstädter Signal" engagieren, dem "kritischen Forum für Staatsbürger und Staatsbürgerinnen in Uniform", das sich 1983 im Zuge der erbittert geführten Kontroverse um die nukleare Hochrüstungspolitik der NATO gegründet hat. Bis heute setzen wir, ich selbst seit einigen Jahren als eines der Vorstandsmitglieder, uns immer wieder kritisch mit der Militär-, der Rüstungs- und der Kriegspolitik in unserem Lande auseinander, geben öffentlich unsere Stellungnahmen dazu ab und nehmen dabei bewußt in Kauf, daß unser Tun auf den höheren Etagen der Macht nicht eben eitel Freude auslöst. Aber wir "Staatsbürger und Staatsbürgerinnen in Uniform" verstehen uns als überzeugte Demokraten. Und als solche sind wir, wie viele andere hierzulande, angesichts der Tatsache, daß regelmäßig zwei Drittel des deutschen Bundestages gegen den erklärten Willen von drei Vierteln der deutschen Bevölkerung den von der Bundesregierung geforderten Kriegseinsätzen der Bundeswehr zustimmen, beunruhigt über den Zustand unserer Demokratie, und fragen uns, wen diese Volksvertreter eigentlich noch zu repräsentieren beanspruchen.

Zudem habe ich selbst vor mehr als dreißig Jahren meinen Diensteid unter anderem auf das Recht des deutschen Volkes abgelegt. Was bedeutet, dieses tapfer zu verteidigen, nicht aber es auf höheren Befehl hin in den Staub zu treten. Fatalerweise erteilten indes gerade diejenigen, die stets am emphatischsten beansprucht hatten, das neue, friedfertige Deutschland zu repräsentieren - nämlich Sozialdemokraten und Bündnisgrüne - derartige, sowohl das Völkerrecht als auch das Grundgesetz verachtende Direktiven, als sie die Bundeswehr unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mehrfach für Angriffskriege mißbrauch ten.

Den Präzedenz- und Sündenfall bildete der im März 1999 von der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien - immerhin ein souveränes Mitglied der Vereinten Nationen - geführte, aus völkerrechtlicher Sicht höchst zweifelhafte Luftkrieg, der, Sie ahnen es, auch schon als "humanitäre Intervention" deklariert worden war.

Im zweiten Fall wurde nach den, wie Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt formulierte, "Mammutverbrechen" von New York und Washington im September 2001 der einzig verbliebenen Weltmacht USA vom damals amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder "uneingeschränkte Solidarität" zugesichert und danach die Bundeswehr mit einer äußerst knappen Mehrheit des Deutschen Bundestages in den Kampfeinsatz nach Afghanistan entsandt. Die Art und Weise, wie dieser Beschluß dem Parlament vom Bundeskanzler abgepreßt worden war, bedeutete tendenziell ein Unterlaufen des vom Bundesverfassungsgericht mit Bedacht verfügten Parlamentsvorbehaltes für den Einsatz der Bundeswehr jenseits der Landesgrenzen. Zugleich ist spätestens seit diesem Zeitpunkt bei der politischen Kontrolle des deutschen Militärs eine klare, fortdauernde Machtverschiebung weg von der Legislative, hin zur Exekutive zu konstatieren, die besorgt machen muß.

Den dritten Fall bildete - entgegen der von Kanzler Schröder und seinem Außenminister Fischer bis heutzutage aufrechterhaltenen Lüge von der deutschen Nichtbeteiligung - die massive und umfassende Unterstützung des angloamerikanischen Völkerrechtsverbrechens gegen den Irak und seine Menschen in den Jahren 2002 und 2003, die sich, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, unter anderem darin manifestierte, daß die Bundeswehr mit vielen Tausend ihrer Soldaten die hiesigen Kasernen der Aggressoren - auch die in Katterbach und hier in Ansbach gelegenen - bewachten, wobei sie "legitime Ziele im Sinne des Völkerrechts" bildeten, wie der Verfasser eines in der hauseigenen Rechtsabteilung des Bundesministeriums der Verteidigung erstellten Rechtsgutachtens zutreffend zum Ausdruck brachte.

Seit vielen Jahren also sterben und töten deutsche Soldaten nun schon für das Bündnis mit den USA, für den Fortbestand der NATO, für mehr politisches Gewicht Deutschlands auf der Weltbühne und nicht zuletzt für die Wirtschaftsinteressen multinationaler Großkonzerne.

Diesbezüglich gab Deutschlands ehemaliger Kriegsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Ende Januar 2010 am Rande des Weltwirtschaftsgipfels im schweizerischen Davos völlig unverhohlen zu verstehen, worum es bei dem Bundeswehreinsatz am Hindukusch in Wahrheit geht, als er anmerkte [ZITAT]: "Auch das Thema Afghanistan muß man im energiepolitischen Kontext sehen. Die Stabilität dieses Landes hat große Auswirkungen auf die gesamte Region, die für die Gewinnung und die Weiterleitung von Energierohstoffen eine große Rolle spielt."

Daß darüber hinaus die gerade im Afghanistankontext so häufig beschworene Menschenrechtsfrage lediglich etwas für die Galerie ist, bekannte unser forscher Freiherr wenig später, als er "selbstkritisch" zu Protokoll gab [ZITAT]: ". haben wir nicht Gründe nachgeschoben, um in schwierigen Momenten auch mal eine Anerkennung unserer Bevölkerung zu bekommen? Natürlich ist es unbestreitbar wichtig, daß man Kindern hilft, daß man Frauen hilft in ihren Rechten und all jenem. . Aber das waren Gründe, die nachgeschoben wurden . ."

Nichts als Lug und Trug also, mit dem uns die Kriegsverkäufer ein ums andre Mal versuchen einzulullen, um uns ihre Wahnsinnsidee vom "Bomben und Schießen für Frieden und Menschenrechte" anzudrehen. Hinter dem Nebel solcherlei Kriegspropaganda hat sich unter der Federführung der Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrer gigantischen Militärmaschinerie die NATO seit dem Ende des Kalten Krieges zur dramatischsten Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit entwickelt. Geradezu wie ein Menetekel an der Wand liest sich das in dem Strategiedokument, das diese Allianz der nordatlantischen Kriegstreiber neulich in Lissabon verlautbart hat [ZITAT]:

"Wir werden .

die Fähigkeit wahren, gleichzeitig große gemeinsame Operationen und mehrere kleinere Operationen für die kollektive Verteidigung und Krisenreaktion durchzuhalten, auch in strategischer Entfernung;

robuste, mobile und dislozierbare konventionelle Kräfte entwickeln und erhalten, die sowohl unsere Verantwortlichkeiten nach Artikel 5 erfüllen als auch die Expeditionsoperationen des Bündnisses durchführen sollen, auch mit den Reaktionskräften der NATO;

die Fähigkeit ausbauen, den internationalen Terrorismus aufzuspüren und uns dagegen zu verteidigen,

die Fähigkeit entwickeln, zur Energiesicherheit beizutragen, auch durch den Schutz kritischer Energieinfrastruktur und von Transitgebieten und -routen, denn ... alle Länder sind zunehmend auf die lebenswichtigen Kommunikations-, Transport- und Transitwege angewiesen, auf die sich der Welthandel, die Energiesicherheit und der Wohlstand stützen."

Die Zeichen stehen demnach weiterhin auf Krieg, genauer: auf die Durchsetzung der Globalisierung mit militärischen Gewaltmitteln und das heißt immer auch: Krieg der Reichen gegen die Armen.

Als Instrumente für diesen Zweck dienen auch die hier in Franken stationierten US-Kampftruppen. In Katterbach handelt es sich um die sogenannte "Demon Brigade", zu Deutsch "Dämonenbrigade", deren Kampfhubschrauber-Bataillone wertvolle Dienste beim Angriffskrieg gegen Jugoslawien leisteten und auch anläßlich des völkerrechtlichen Verbrechens gegen den Irak und seine Menschen zum Einsatz kamen. Wie solche Einsätze in der Realität ablaufen, hat uns nicht zuletzt das aus nur zu begreiflichen Gründen geheimgehaltene, berühmt-berüchtigte "Collateral Murder Video" gezeigt, das eine weltweite Öffentlichkeit dank Wikileaks zu Gesicht bekommen hat. In allen grausamen Einzelheiten läßt sich darin beobachten, wie die uniformierten Mörder aus den Cockpits ihrer APACHEKampfhubschrauber sich einen Spaß daraus machen, eine Gruppe von unbewaffneten Zivilisten, darunter auch Reporter, abzuknallen und anschließend auch noch einen Vater mit zwei Kindern unter Beschuß zu nehmen, der sein Fahrzeug angehalten hatte, um einem hilflos auf der Straße liegenden Schwerverwundeten zu helfen. Wenn es zutreffen sollte, daß es tatsächlich der momentan im US-Militärgefängnis Quantico, Virginia tagtäglich auf unmenschliche Weise gefolterte US-Obergefreite Bradley Manning war, der dieses Verbrechen aufgedeckt hat, so gebührt ihm - und nicht seinem Präsidenten, dem Betreiber des KZs von Guantánamo, Barack Obama, - allein dafür schon der Friedensnobelpreis.

Nur nebenbei sei angemerkt, daß aus der Bordkanone des APACHE-Kampfhubschraubers Munition aus »Depleted Uranium«, abgereichertem Uran, verschossen wird, das aufgrund seiner chemischen Toxizität und auch seiner Radioaktivität wegen langanhaltend extrem gefährlich für Mensch und Umwelt ist. Die Stationierung derartiger Waffensysteme hierzulande kann nur mit dem Attribut "unverantwortlich" gekennzeichnet werden. Dasselbe gilt für die politischen Kollaborateure in den Amtstuben dieser Republik, die dem US-Militär stets unterwürfig zu Diensten stehen und dabei wissentlich und leichtfertig Gesundheit und Wohlergehen der Bürger und Bürgerinnen aufs Spiel setzen sowie die Bewahrung von Natur und Umwelt gefährden.

Von der hier in Ansbach und Katterbach stationierten Brigade des "American Way of Death" nicht weit entfernt finden wir im bayerischen Vilseck das 2nd Stryker Cavalry Regiment, eine weitere US-Todesschwadron, die in den Irak und nach Afghanistan zum Menschenmord geschickt worden war und die dazu ausersehen ist, auch fürderhin von deutschem Boden aus in die weltweiten Kriege der USA entsandt zu werden - wobei sich die US-Regierungskriminellen dabei einen Teufel um unser Grundgesetz und die von uns eingegangenen völkerrechtlichen Verträge scheren, in denen wir uns verpflichtet haben, daß von Deutschland nie wieder Krieg, sondern nur Frieden ausgehen wird. Nicht Krieg aber kann den Frieden bringen, sondern allein Gerechtigkeit. In Abwandlung des altbekannten römischen Wahlspruchs muß die Devise demnach lauten: Wenn du den Frieden willst, so diene dem Frieden! Es ist deshalb an der Zeit aufzustehen und nein zu sagen, wie es Robert Bowman tat, der als Kampfpilot der amerikanischen Streitkräfte während des Vietnamkriegs einst selbst Tod und Vernichtung vom Himmel schickte. Später wirkte er als Bischof der Vereinigten Katholischen Kirche in Melbourne Beach, Florida, und geißelte die Kriegspolitik seiner Regierung: "Anstatt unsere Söhne um die Welt zu schikken, um Araber zu töten, damit wir das Öl, das unter deren Sand liegt, haben können, sollten wir sie senden, um deren Infrastruktur wieder in Stand zu setzen, reines Wasser zu liefern und hungernde Kinder füttern." Und er fährt fort mit den Worten: "Kurzum, wir sollten Gutes tun anstelle von Bösem. Wer würde versuchen, uns aufzuhalten? Wer würde uns hassen? Wer würde uns bombardieren wollen? Das ist die Wahrheit, die die amerikanischen Bürger und die Welt hören müssen." Zu diesen amerikanischen Bürgern zählen nota bene auch die hier im Frankenland stationierten Soldaten und Soldatinnen der U.S. Army.

Und denen rufen wir deshalb zu: Ihr seid hier nicht willkommen, denn wir wollen nicht, daß ihr bei uns für eure Kriege übt und von hier aus in den Kampf zieht, darum geht zurück nach Hause in die USA! Aber auch wir selbst sollten die Wahrheit Robert Bowman`s hören und danach handeln.

Unser Grundgesetz bestimmt: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt." Wohlan denn: laßt uns ganz demokratisch von der Macht unserer Wählerstimme Gebrauch machen. Hören wir schlicht und einfach auf, die Kriegsparteien zu wählen. Laßt uns dies unbeirrt solange tun, bis auch dem letzten Kriegstreiber unsere Botschaft lautstark in den Ohren klingelt: Eure Kriege sind nicht unsere Kriege! Und darum Schluß mit diesen Kriegen!

Dem Frieden eine Chance!



Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr a.D. und Vorstandsmitglied der kritischen SoldatInnenvereinigung "Darmstädter Signal". Vita siehe hier

E-Mail: j-rose (at) t-online (Punkt) de
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