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23.04.2011


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Ostermärsche und -aktionen 2011

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Rede beim Ostermarsch 2011 in Frankfurt am 25. April

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

Mechthild Gunkel (in Frankfurt)



- Sperrfrist: 25. April 2011, Redebeginn: 13 Uhr! -

- Es gilt das gesprochene Wort! -



dass, was mich und andere Menschen aus den Kirchen für die Friedensarbeit motiviert ist die große prophetische Vision aus der Bibel: "Schwerter zu Pflugscharen":

"Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken" (Micha 4, 3+4)

Aussteigen aus den Gewaltspiralen - das ist heute dran, das war vor wenigen Wochen dran, als der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1973 verabschiedet hat, das war dran, als man meinte, in Afghanistan und im Irak nur mit Militär Frieden schaffen zu können. Aussteigen aus den Gewaltspiralen - seit Jahren, seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten das einzig vernünftige Gebot. Aber das, was wir erleben, zieht uns immer mehr hinein in die Eskalation, in die tödliche Spirale von Gewalt und Gegengewalt. Als ob wir nicht aus der Geschichte lernen könnten. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Und Gewalt - oftmals militärische Gewalt - scheint für viele das einzige Mittel zu sein, Konflikte zu lösen. Wann lernen wir endlich, wie Konflikte gewaltfrei ausgetragen werden können? Deeskalationsstrategien sind gefragt.

Von den Menschen auf dem Tahrirplatz in Kairo - und zu aller erst von Asmaa Mahfouz und den anderen Frauen, von denen die Bewegung ausging - von den Menschen in Tunesien und in anderen arabischen Staaten können wir lernen, wie gewaltfreie Veränderungen möglich sind, von ihnen können wir lernen, was Gewaltfreiheit heißt. Und wie es gelingen kann, sich nicht aufspalten zu lassen in unterschiedliche religiöse Gruppen. Gemeinsam haben Muslime, Christen, Andersgläubige und Säkulare auf dem Tahrirplatz für die großen Veränderungen ausgeharrt - gemeinsam und miteinander, nicht gegeneinander. Das soll uns zu denken geben, wenn hier islamfeindliche Stimmungen aufkommen. Wir lassen uns nicht aufspalten und gegeneinander hetzen, wenn wir als religiöse oder säkulare Menschen, als Christen, Juden und Muslime, als Menschen mit anderen religiösen Zugehörigkeiten oder als Atheisten und Agnostiker für eine friedliche Welt und gewaltfreie Konfliktlösungen eintreten.

Wir brauchen friedliche Konfliktbewältigungsstrategien. Wir müssen aussteigen aus den Gewaltspiralen - aber wie?

"Schwerter zu Pflugscharen!" Die gegenwärtige Situation in Libyen ist ein trauriges Beispiel dafür, wie notwendig ein radikales Umdenken in unserer Politik ist. Langfristig ist ein völliges Verbot von Waffenexporten nötig. Das gehört dringend ins Grundgesetz und muss im Parlament überprüft werden können. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus.

Deutschland ist Europameister im Rüstungsexport - und das schon seit Jahren. Und wir, wir Steuerzahler, unterstützen die Rüstungsexporte durch staatliche Ausfallbürgschaften. Wenn die Empfängerländer unserer Rüstungsgüter ihre Rechnungen nicht bezahlen können, trägt unser Staat und damit seine Bürgerinnen und Bürger das Risiko: die Rüstungshersteller übertragen das Ausfallrisiko auf den Staat - die sogenannten Hermesbürgschaften.

An Libyen haben vor allem andere europäische Staaten und Russland Waffen geliefert. Aber die Kommunikations- und Radarsysteme, die man braucht, um militärische Operationen durchführen zu können, die stammen aus Deutschland.

"Etwas anders sieht die Situation in Ägypten aus. Hier hat Deutschland Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Gewehre und Munition geliefert. Die Waffen und militärischen Fahrzeuge waren auch auf den Bildern in den Medien zu identifizieren" - so der Frankfurter Friedensforscher Bernhard Moltmann, der den jährlichen Rüstungsexportbericht der GKKE, der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, erstellt.

Im letzten Bericht war zu lesen, dass 44 Staaten mit sehr bedenklicher Menschenrechtssituation Rüstungsgüter aus Deutschland erhielten. Ein besonderer Exportschlager sind die G 3 -/ G 36 - Gewehre von Heckler&Koch aus der Waffenschmiede in Oberndorf, sie gehören - und da zitiere ich den Friedensjournalisten Andreas Zumach - "zu den weltweit erfolgreichsten Mordinstrumenten seit Ende des Zweiten Weltkrieges." In Libyen posierten Mitglieder des Gaddafi-Clans öffentlich mit diesen Gewehren.

"Schwerter zu Pflugscharen" - Rüstungsproduktion und Rüstungsexport lösen keine politischen Probleme, weil sie deren Ursachen nicht beseitigen. Und sie stehen oftmals einer friedlichen Entwicklung im Wege. Frieden entsteht durch die Entwicklung menschenwürdiger Lebensverhältnisse für alle Menschen - auch für zukünftige Generationen. Sicherheit lässt sich nicht durch Waffen herstellen.

Die biblische Vision fordert nicht nur auf, "Schwerter zu Pflugscharen" umzuschmieden, sie setzt darauf, dass Menschen "nicht mehr lernen, Krieg zu führen." Nun sind die letzten Wehrpflichtigen der Bundeswehr bei ihrem obligatorischen Militärdienst, die letzten Zivildienstleistenden in ihren Einsatzstellen. Dann wird die Wehrpflicht ausgesetzt. Damit ist auch der Zwang beseitigt, sich einer militärischen Waffenausbildung zu unterziehen. Dann gehört es nicht länger zur Normalität männlicher Sozialisation, die Bedienung von Tötungsinstrumenten zu lernen und zu üben. Ein Zivilisierungsfortschritt - zumindest für gesellschaftliche Männlichkeitskonstruktionen. Es gehört nicht mehr zwangsweise zur männlichen Normalbiographie, den Umgang mit Waffen zu lernen.

Andere Zivilisierungsschritte müssen folgen. Wie gehen wir damit um, dass immer mehr Soldaten in Auslandseinsätzen unterwegs sind und traumatisiert zurückkommen? Seelisch verstümmelt und zivil nicht mehr zu gebrauchen. Zurückkommen in eine Gesellschaft, die die Traumata aus den beiden Weltkriegen nicht bearbeitet hat. Was heißt das denn für unsere Gesellschaft - für die schleichende Militarisierung und die Gewöhnung daran, dass Gewalt und Krieg die scheinbar einzigen Konfliktlöser sind?

"Krieg nicht mehr lernen" fängt ganz klein an - in den Schulen. Inzwischen hat die Bundeswehr mit 8 Kultusministerien Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen, um ihre sicherheitspolitischen Konzepte in den Klassenräumen, in der Referendarsausbildung und der Lehrerfortbildung darzustellen. Auch bei uns in Hessen wurde im vergangenen Herbst eine Kooperationsvereinbarung getroffen.

Am vergangenen Montag haben sich Friedensorganisationen getroffen, um ein Netzwerk zu gründen, dass mit Friedensbildung in die Schulen geht. Mit dabei die katholische Friedensorganisation Pax Christi, die DFG-VK, die Peace Brigades International, die Evangelische Kirche und die GEW. Wir haben ein andere Verständnis von Sicherheit und Frieden. Menschliche Sicherheit - wie die UN sie 1995 definiert hat - und gerechter Frieden, wie ihn die friedensethischen Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte beschreiben - das soll künftigen Generationen vermittelt werden. Dazu wollen wir den Bildungsauftrag der Schule nutzen. Die inzwischen über 500 Friedensfachkräften, die seit 1999 im Auslandseinsatz waren, sollen von ihrer Tätigkeit berichten. Wir sehen unseren Staat in der Pflicht, die auch von ihm unterzeichnete UN-Kinderrechtskonvention umzusetzen, die in Artikel 29 die Bildungsziele so benennt:

Die Bildung des Kindes muss darauf ausgerichtet sein:

...,das Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen sowie zu Ureinwohnern vorzubereiten".

Wir brauchen Menschen, die an der Gewaltfreiheit festhalten - und dies in den Schulen vermitteln.

Wir brauchen Menschen, die sich grundsätzlich gegen die Produktion und den Export von Rüstungsgütern stark machen - bis dies im Grundgesetz und den EU-Verträgen verankert ist.

Wir brauchen Menschen, die gegen die schleichende Militarisierung unserer Gesellschaft aufbegehren - weil militärische Lösungen erst die Probleme schaffen, für die sie vorgeben, die Lösung zu sein.

Wir brauchen viel mehr Fantasie für den Frieden - und die haben wir, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, und die wollen wir überall sichtbar und hörbar machen.

Das sind wir der prophetischen Vision schuldig.





Mechthild Gunkel ist Friedenspfarrerin der Ev. Kirche Hessen-Nassau (EKHN), Vita siehe hier

E-Mail: mechthild (Punkt) gunkel (at) zoe-ekhn (Punkt) de

Website: www.zentrum-oekumene-ekhn.de
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