2011
Inhalt

update:
23.04.2011


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Gronau am 25. April

Liebe Atomkraftgegnerinnen und -gegner, liebe Friedenfreundinnen und -freunde,

Joachim Schramm (in Gronau)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 25. April, Redebeginn: ca 15 Uhr -



ich überbringe Euch die solidarischen Grüße des Ostermarsches Rhein/Ruhr! Ich grüße Euch im Namen von mehreren tausend Menschen, die seit Ostersamstag an Rhein und Ruhr gegen Krieg und Militär, aber auch gegen Atomwaffen und Atomkraftwerke auf die Straße gegangen sind. Atomwaffen abschaffen - Atomkraftwerke abschalten" lautet genau wie hier auch in Dortmund heute das Motto der Abschlusskundgebung unseres Ostermarsches.

Ich finde es toll, dass heute hier und bundesweit bei allen anderen Demonstrationen die Anti-AKW-Bewegung und die Friedensbewegung gemeinsam aktiv sind, um gegen die beiden Seiten ein und der selben Medaille zu protestieren. Wer die Gefahren der Atomkraftwerke kennt und dagegen aktiv ist, den lassen die Schrecken der Atomwaffen doch nicht kalt und umgekehrt ist es genauso!

Wenn ich in den letzten Wochen die Bilder aus Fukushima gesehen habe, die Berichte über verstrahlte Menschen und die noch gar nicht absehbaren schrecklichen Folgen gehört und gelesen habe, dann habe ich auch immer die Bilder aus Hiroshima und Nagasaki vor Augen gehabt. Ich habe an die Erzählungen der damaligen Betroffenen gedacht: In den ersten Wochen nach dem Bombenabwurf kamen in Hiroshima 100.000 Menschen ums Leben. Bis zum Ende des Jahrs 45 waren es 130.000-150.000. Sie starben durch den Druck und die Hitze aber dann vor allem durch die damals sog. Atombombenkrankheit: Ermattung, Übelkeit, Fieber, Durchfall, Blutungen, Mangel der weißen Blutkörperchen waren die Symptome der Verstrahlungen. Noch heute sterben Menschen aus Hiroshima an Krebs, der durch die Strahlung ausgelöst wurde.

Lange Jahre hat man dann die Hoffnung auf eine zivile Nutzung gesetzt. Wir wissen heute das es eine trügerische Hoffnung war. Darüber hinaus sind zivile und militärische Nutzung nicht zu trennen. Alle Staaten, die neu in den Club der Atommächte aufsteigen wollen, haben dies mit einem zivilen Atomprogramm begonnen. Am Beispiel Iran ist das breit diskutiert worden. Mit der Technologie einer Urananreicherungsanlage wie diese hier in Gronau kann Uran auf ein niedriges Niveau angereichert werden für den Gebrauch in Atomkraftwerken,. Aber mit gewissen Änderungen kann auch hochangereichertes Uran hergestellt werden, für den Bau von Atomwaffen. Zivile Nutzung der Atomenergie ist also die Grundlage der Weiterverbreitung von Atomwaffen. Gab es zunächst die bekannten fünf Atommächte sind inzwischen trotz Atomwaffensperrvertrag weitere 4 Staaten in Besitz der Bombe: Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Weitere sind auf dem Weg dahin.

In den Zeiten des kalten Krieges war die gegenseitige atomare Bedrohung zwar hochgefährlich aber noch relativ überschaubar. Mit jedem neuen Atomwaffenstaat wird das atomarere Risiko unkalkulierbarer. Deshalb rufen inzwischen auch ehemalige Kalte Krieger wir der damalige US-Außenminister Kissinger nach einer atomwaffenfreien Welt. Doch die reale Politik spricht eine andere Sprache. Indien ist z. B. als Nichtmitglied der Atomwaffensperrvertrages in den Besitz der Atombombe gelangt. Daraufhin wurde das Land mit einem Boykott bestraft. Vor wenigen Jahren wurde dieser Boykott von den USA durchbrochen, Indien mit ziviler Atomtechnologie beliefert. Inzwischen ist auch der französische Atomkonzern Areva, der wiederum mit Urenco kooperiert, dick im Atomgeschäft mit Indien. So wird das eigentlich nicht hinnehmbare Verhalten Indiens in der Atomwaffenfrage nachträglich legitimiert und alle Bemühungen um einen Stopp der Weiterverbreitung der Atomwaffen ad absurdum geführt. Dies ist nur ein Beispiel für die Doppelzüngigkeit der internationalen Atompolitik.

Neben dem Einsatz von hochangereichertem Uran als Baustoff der Bombe gibt es eine weitere bedrohliche Anwendung von Uran im Waffenbereich. Abgereichertes Uran, das bei der Anreicherung als Abfall anfällt, wird für die Herstellung gehärteter Munition für die Durchdringung von Panzerungen genutzt. Beim Aufprall wird radioaktiver Uranstaub freigesetzt, der direkt die Menschen schädigt aber auch noch lange nach dem Einsatz die Gegend kontaminiert. Die NATO-Staaten haben diese Munition m Jugoslawienkrieg eingesetzt, im Irak, in Afghanistan und wahrscheinlich auch aktuell in Libyen. Auch wenn die Militärs die Gefährlichkeit dieser sog. DU-Munition bestreiten, stellte die UNO drei Jahre nach dem Jugoslawienkrieg noch immer Spuren des Uranstaubs in der Luft auf dem Balkan fest. Dieser strahlende Staub wird von Experten für eine deutliche Zunahme von Krebserkrankungen bei den Betroffenen verantwortlich gemacht. Auch aus Gronau geht abgereichertes Uran nach Russland, man befürchtet auch dort für die Herstellung von DU-Munition

Noch immer existieren weltweit über 20.000 Atomwaffen, genug um die Menschheit mehrfach zu vernicht. Overkill nennt man dieses Phänomen. Über dreitausend von ihnen sind in ständiger Alarmbereitschaft, sind also scharf und können innerhalb kürzester Zeit gestartet werden, mit Raketen, Marschflugkörpern und Bombern. Auch wenn der Kalte Krieg mit seinem von Misstrauen und Angst geprägten Gegeneinander der beiden Supermächte vorbei ist, ist ein Krieg aus Versehen nicht auszuschließen. Ein technischer Fehler bei der Aufklärung oder ein menschliches Versagen bei der Interpretation von Bedrohungslagen können zur Anwendung von Atomwaffen führen. Und was technische Fehler und menschliches Versagen bewirken können, haben wir am Beispiel Tschernobyl und Fukushima erlebt. Doch auch politisches Kalkül kann zur Katastrophe führen. Immer wieder wird von Kriegsszenarien berichtet, in denen Militärs in konventionellen Kriegen den Einsatz von Atomwaffen empfohlen haben. Bisher ist glücklicherweise aus diesen Szenarien nicht Realität geworden, doch undenkbar sind sie offenkundig nicht.

Auch in Deutschland lagern nach wie vor Atomwaffen. Nur 150 km von hier entfernt in Büchel bei Cochem sind US-Atombomben in einem Bundeswehrstützpunkt stationiert. Sie sollen im Einsatzfall von deutschen Tornado-Bombern ins Ziel geflogen werden. Mit dieser sog. Nuklearen Teilhabe im Rahmen der NATO umgeht man die Zielsetzung des Atomwaffen-sperrvertrags, nach dem Deutschland keine Atomwaffen besitzen darf. Auch in Belgien und den Niederlanden sind solche Bomben stationiert, zusammen haben diese Waffen eine Sprengkraft von annähernd 1.000 Hiroshima-Bomben. Die Bundesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung den Abzug der Atombomben aus Büchel angekündigt. Doch inzwischen versteckt sich die Regierung hinter der NATO. Und diese hat gerade Ende letzten Jahres in ihrer neuen Strategie die Beibehaltung von Atomwaffen in ihrem Waffenarsenal festgeschrieben.

Doch das wollen wir nicht hinnehmen! Ist wirklich ein zweites Hiroshima notwendig, bevor Politiker auf die Warnungen der Experten und der Friedensbewegung hören? Bei den Atomkraftwerken mussten in Fukushima Menschen sterben und ganze Landstriche verstrahlt werden, bevor jetzt offenbar ein Umdenken zumindest in Erwägung gezogen wird. Auch die Atomwaffen gehören abgeschafft und zwar nicht in ferner Zukunft sondern jetzt! Fangen wir damit bei uns an, schaffen wir die Atombomben in Büchel ab, zeigen wir, dass wir ein souveränder Staat sind, worauf unsere Regierung doch sonst so viel Wert legt! Lasst uns mit unseren belgischen und niederländischen Freunden gemeinsam dafür sorgen, dass auch gegen die Atomwaffen in unserer Nachbarschaft wieder mehr Menschen aktiv werden, diese Bedrohung für uns und unsere Kinder nicht weiter hingenommen wird.

Hideto Sotobayashi, 82, erlebte als 16-Jähriger den Atombombenabwurf auf Hiroshima. Er sagt in diesen Tage folgendes:

"Eine zehn Meter hohe Welle, das ist Schicksal. Man muss sich damit abfinden und alles wieder aufbauen. Aber Hiroshima und Fukushima sind keine Naturkatastrophen. Daran ist der Mensch schuld."

Lasst uns in diesem Sinne gemeinsam die von Menschenhand in die Welt gesetzten Bedrohungen aus der Welt schaffen:
Atomwaffen abschaffen - Atomkraftwerke abschalten!



Joachim Schramm ist Landesgeschäftsfüher der DFG-VK NRW. Vita siehe hier

E-Mail: dfg-vk (Punkt) nrw (at) t-online (Punkt) de

Website: www.nrw.dfg-vk.de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome