2011
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23.04.2011


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Ostermärsche und -aktionen 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Bremerhaven am 23. April

Liebe Friedensfreunde, meine Damen und Herren,

Werner Begoihn (in Bremerhaven)



- Es gilt das gesprochene Wort -



ich begrüße Sie zum diesjährigen Ostermarsch in Bremerhaven.

Als ich in Vorbereitung auf diese Rede nachgesehen habe, wozu ich im letzten Jahr etwas gesagt habe, musste ich feststellen, dass leider alles aktuell geblieben ist und nur noch Neues dazugekommen ist.

Ich schloss mit den Worten Hugo Spohlers:

"Ich habe Zeit, sagte der Krieg. Ihr seid ja so vergesslich."

Sehen wir uns an, was wir nicht vergessen sollten:

1. Guantanamo

In Guantanomo sitzen juristisch gesehen unschuldige Menschen. Unschuldig allein deshalb, weil ihnen nicht in einem rechtsstaatlichen Prozess eine Schuld nachgewiesen wurde.

Nach deutschem Recht stünde jedem Häftling eine Haftentschädigung zu, die sich bereits der 100 000-Euro-Marke nähert.

Das Versprechen, Guantanomo aufzulösen, hat Barack Obama nicht gehalten.

2. Afghanistan

Im letzten Jahr hatte ich zu Kundus festgestellt:

Bei diesem Angriff starben mehr Menschen als bei jedem von der Bundeswehr zuvor geführten oder angeordneten Angriff.

Aber das Sterben ist damit nicht vorbei:

Nach den Quellen, auf die die Tagesschau zurückgreift, wurden 2010 getötet:

- 2700 Zivilisten

- 711 NATO-Soldaten

- 9 Soldaten gehörten der Bundeswehr an.

Vergessen gemacht wurde auch die Begründung, mit der Afghanistan 2001 überfallen wurde: In einer begrenzten Polizeiaktion sollte Osama bin Laden gefangen und Al-Caida zerschlagen werden.

Von einer begrenzten Polizeiaktion kann nach mehrmaliger Aufstockung auch des Kontingents der Bundeswehr sicher nicht mehr die Rede sein. Auch die nachgeschobenen Ziele konnten nicht verwirklicht werden und an die zweckoptimistischen Äußerungen zum baldigen militärischen Durchbruch will heute keiner der für den Krieg verantwortlichen erinnert werden.

Wenn die Argumente ausgehen, wird Stimmung gemacht:

Die Toten der Bundeswehr werden gegen die Lebenden in Stellung gebracht nach dem Motto: "Ihr Tod soll doch nicht vergebens gewesen sein."

Ich denke, wir sind es unserer Selbstachtung schuldig, dass wir nicht jeden Mist glauben, der uns zu Afghanistan erzählt wird, und dass wir darauf bestehen, dass sich die Bundeswehr aus Afghanistan zurückzieht.

3. Rüstungsexporte

Ich habe im letzten Jahr gesagt, dass deutsche Firmen 10 % des weltweiten Waffenexports bestreiten und damit nach den USA und Russland auf dem 3. Platz einer zweifelhaften Weltrangliste stehen.

Es gibt einen eingängigen Spruch, der den Rüstungsfirmen in den Mund geschoben wird. Er lautet:

"Wir liefern nicht in Krisengebiete, das sind sie erst hinterher."

Zum Beispiel bewahrheitet sich dieser Spruch gerade in Bezug auf Libyen. Der live-Ticker von dpa meldet erst am 23. Februar 2011, dass die EU Rüstungsexporte nach Libyen eingestellt habe und benennt den Umfang der erlaubten Waffenexporte aus der EU von 2009 mit 344 Millionen Euro, von denen 53 Millionen auf Deutschland entfielen - allein 2009.

Zu Libyen später mehr.

4. Kosovo

Die Gründung des Staates Kosovo war eine der Folgen des angeblich aus humanitären Gründen begangenen Überfalls der NATO auf Jugoslawien.

Im Internet findet man viele Hinweise darauf, dass das Kosovo Drehscheibe für Drogen- und Menschenhandel ist und Serben, Juden und Roma Diskriminierungen und Angriffen ausgesetzt sind.

Damit wird deutlich, wer eine humanitäre Katastrophe im Kosovo herbeigeführt hat.

Soweit die Themen, die im letzten Jahr eine Rolle spielten.

Was hat ein Erdbeben in Japan mit dem Ostermarsch zu tun?

In Japan ist wie 25 Jahre davor in Tschernobyl deutlich geworden, dass Unfälle in Kernkraftwerken nicht auszuschließen sind - Unfälle mit jeweils lang andauernden, verheerenden Folgen auch auf die weitere Umgebung.

Mit dem Ostermarsch haben Kernkraftwerke insofern zu tun, als die zivile Nutzung gerade in ihrer Anfangszeit nicht nur zivil war. Die Atombombe auf Nagasaki, abgeworfen am 9. August 1945, war eine Plutoniumbombe. Da Plutonium in der Natur praktisch nicht vorkommt, musste es in einem Forschungsreaktor erbrütet werden.

Auch das Bestreben, Kernkraftwerke in Deutschland zu bauen, ging einher mit dem Wunsch der Adenauer-Regierung, über Atombomben zu verfügen. Der immense Forschungsaufwand, der über Atombomben bis zu Kernkraftwerken führte, wurde öffentlich finanziert. Auch damit relativiert sich die Billigkeit des Atomstroms.

Ich gehe davon aus, dass Deutschland als hochindustrialisiertes Land keine technischen Probleme hätte, innerhalb kürzester Zeit Atombomben herzustellen.

Sorgen wir dafür, dass diese Situation nie eintritt und fordern wir die Abschaffung aller Atomwaffen weltweit.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass am Ostermontag das Kernkraftwerk Esenshamm demonstrativ umzingelt werden soll. Nähere Hinweise dazu finden sich sicher im Internet.

Stichwort Libyen

Nach einem Index der UNO ist Libyen das am besten entwickelte Land Afrikas mit dem höchsten Lebensstandard.

Noch im Februar 2008 schrieb die Zeit "Alle wollen Libyens Öl", um dann auszuführen, welche Zugeständnisse die Ölfirmen zu machen bereit sind, um da ranzukommen.

Nun hat die Uno beschlossen in die innerlibyschen Auseinandersetzungen einzugreifen durch das Einrichten einer Flugverbotszone.

Das ist höchst problematisch, weil die Uno nach eigenen Grundsätzen militärische Einsätze gegen ein Land nur beschließen darf, wenn es ein anderes angreift oder wenn ein Völkermord droht - beides war nicht der Fall.

Nun zeigt sich wieder, dass die NATO bereit war, in einen Krieg einzugreifen, ohne dass die Bedingungen genau geprüft wurden und ohne zu wissen, wie man da wieder rauskommt. Etwas zynisch könnte ich nun sagen: Sie mussten doch wissen, wozu Gaddafi militärisch fähig ist, sie haben ihn doch selbst ausgerüstet.

Unsere Medien können uns nicht sagen, welche Leute mit welchen Zielen Gaddafi bekämpfen. Und sie verraten uns auch nicht, welche Überlegungen es zu den Kriegszielen gibt. Wird womöglich eine Teilung des Landes angestrebt, bei der die jetzt Aufständischen über die Ölquellen verfügen und kulantere Bedingungen für die Ölmultis gewähren?

Bleiben wir misstrauisch, wenn humanitäre Gründe bemüht werden, fordern wir, dass Deutschland bei seiner Ablehnung der Sicherheitsratsresolution bleibt. Fordern wir darüber hinaus, dass keine militärischen "Entlastungen" durch Deutschland vorgenommen werden, wie sie uns aus dem Irakkrieg bekannt sind.

Durch die Ereignisse im Nahen Osten und in Nordafrika hat der Begriff "Nah-Ost-Konflikt" einen gewissen Bedeutungswandel erfahren. Ich denke, dass es für den Konflikt zwischen Israel und den Palestinensern nichts Gutes verheißt. Trotzdem bleibe ich bei meiner Überzeugung, dass kein Weg an Verhandlungen vorbeiführt.

Damit möchte ich schließen.

Die Kundgebung ist beendet.



Werner Begoihn ist Mitinitiator der Bremerhavener Initiative "Mut zum Frieden". Vita siehe hier

E-Mail: werner (Punkt) begoihn (at) t-online (Punkt) de
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