2011
Inhalt

update:
24.04.2011


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Augsburg am 23. April

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Jost Eschenburg (in Augsburg)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Der Krieg in Libyen bewegt uns tief und spaltet uns bis in die Reihen der Friedensbewegung hinein. War es nicht richtig, den von Gaddafis Armee bedrängten Menschen zu Hilfe zu kommen? Den Menschen, die nach Jahrzehnten der Diktatur endlich Freiheit erlangen wollten? Viel zu lange schon habe die internationale Gemeinschaft tatenlos zugesehen; das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten gehöre gänzlich abgeschafft, sagt selbst ein lebenslanger Friedenskämpfer wie Uri Avneri.

"An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen" (Mt. 7, 16). Es hätte viele Möglichkeiten der Einflussnahme, der De-Eskalation in Libyen gegeben, aber UNO, EU und NATO sind einen anderen Weg gegangen. Der NATO-Luftkrieg hat es geschafft, dass aus einem begrenzten Problem eine unabsehbare Katastrophe wurde. Die Zahl der Toten geht nun nicht mehr in die Hunderte und Tausende, sondern in die Zehntausende. Bravo, Herr Sarkozy!

Verschiedene Friedensvorschläge wurden abgelehnt, nicht von Gaddafi, sondern von den Führern der Regierungsgegner. Durch unsere militärische Ermutigung fühlen sie sich viel stärker, als sie wirklich sind. Und was wird passieren, wenn sie am Ende tatsächlich Erfolg haben, dank immer weitergehender Unterstützung durch die NATO? Wenn die libysche Regierung samt der Integrationsfigur Gaddafi mit Gewalt beseitigt worden ist? Versinkt danach auch Libyen in Terrorismus und Chaos, so wie der Irak nach Saddam Hussein? Oder wird das Land zerteilt wie Jugoslawien, und "wir" bekommen die " Olfelder im Osten des Landes?

Zum Kriegsgeschrei gehört die Lüge. Gaddafi wolle sein eigenes Volk massakrieren, davon müsse man ihn abhalten. Ja, er führt Krieg gegen einen Teil seines Volkes, aber führt dieser Teil seines Volkes nicht auch Krieg gegen ihn, mit allen zur Verfügung stehenden Waffen und mit NATO-Unterstützung? Gaddafis Flugzeuge hätten die Zivilbevölkerung bombardiert, wurde behauptet und damit das Flugverbot begründet. Die Tatsachenbehauptung ließ sich nicht verifizieren, war also gelogen. Letzte Woche hieß es, Libyen würde in Misrata die seit 2010 verbotene Streumunition einsetzen. Die libysche Regierung hat das bestritten. Vielleicht stimmt es dennoch. Wenn aber nicht, werden unsere Zeitungen die Meldung gewiss nicht auf der ersten Seite zurücknehmen.

Jede und jeder von uns weiß in seinem Innersten, dass "wir", d.h. der Westen, dort in Libyen etwas sehr Schlimmes tun. Wir töten Menschen und brechen damit Gottes Gebot, wir führen Krieg gegen eine Regierung, von der wir eben noch profitiert haben, und wir tragen dazu bei, dass die Auseinandersetzung immer blutiger und eine Versöhnung der Kriegsparteien immer schwieriger wird. Zur Rechtfertigung unserer bösen Taten muss unser Feind der Teufel persönlich sein, der unvorstellbar Schlimmes tun wird, wenn wir ihn nicht davon abhalten. Wir müssen laut lügen, um die Stimme unseres Gewissens zu überschreien.

Im vorigen Jahrhundert hat Mahatma Gandhi eine epochale Entdeckung gemacht, vergleichbar mit Kopernikus, Newton und Einstein. Seine Entdeckung war: Wir sind für unseren Feind mitverantwortlich!

Wir sind mitverantwortlich für sein Seelenheil, dass er sein Herz nicht verhärtet, dass er nicht im Zorn furchtbare Dinge tut, dass er zum Frieden fähig bleibt oder wird. Das ist nicht nur ein Gebot der Moral, sondern auch der Klugheit. Gandhi hat sich selbst nicht als Christ verstanden, aber er hatte die Botschaft Jesu verstanden. Ihre Neuheit ist nicht die Nächstenliebe - die gehört zu unserem alttestamentlichen Erbe - es ist die Feindesliebe. Nicht umsonst hat die Friedensbewegung die Zeit vor und nach Ostern für ihre Aktionen gewählt. Ostern ist nicht das Fest des Friedens wie Weihnachten; im Zentrum der Osterbotschaft steht der Kampf zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit. Als Jesus verhaftet wird, am frühen Morgen des Karfreitags, wollen seine Jünger dies mit Gewalt verhindern, aber Jesus lässt es nicht zu: "Steck dein Schwert in die Scheide, denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen" (Mt. 26, 53).



Liebe Freundinnnen und Freunde,

lassen wir uns nicht täuschen von jenen, die schon immer gewaltbereit waren. Kämpfen wir gerade jetzt unseren Kampf mit Mut und Ausdauer weiter, für zivile Konfliktbearbeitung, gegen Militär. Der Libyen-Konflikt zeigt zum tausendsten Mal, dass Krieg kein einziges Problem löst, aber viele neue schafft. Melden wir uns zu Wort, schreiben wir Briefe an unsere Regierung, an Politiker und Redaktionen, treffen wir uns zu Kundgebungen gegen den Krieg. Bekämpfen wir auch die Gewaltbereitschaft in unseren eigenen Herzen, damit wir zu Menschen werden, die in unserer unfriedlichen Welt Frieden und Versöhnung leben und weitergeben können. Für das auch mit unserer Hilfe geschundene Land Libyen fordern wir an die Adresse unserer deutschen und europäischen Politiker:

Setzen Sie sich für einen sofortigen Waffenstillstand ein!

Nutzen Sie noch vorhandene Kanäle zur libyschen Regierung!

Unterstützen Sie den Friedensplan der Afrikanischen Union!

Gießen Sie nicht weiterhin " Ol ins Feuer durch Luftangriffe!

Keine Waffenlieferungen an die Kriegsparteien!

Keine Soldaten aus NATO-Ländern nach Libyen!

Vielen Dank!



Jost Eschenburg ist aktiv bei Pax Christi. Vita siehe hier

E-Mail: eschenburg (at) math (Punkt) uni-augsburg (Punkt) de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome