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24.04.2011


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Ostermärsche und -aktionen 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Büchel am 25. April

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Clemens Ronnefeldt (in Büchel)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 25. April, Redebeginn: ca 13 Uhr -



für die Einladung danke ich Euch - und freue mich, meiner alten Heimat Hunsrück wieder einmal ganz nahe zu sein.

Von 1986 bis 2003 habe ich in der Nähe von Hasselbach im Hunsrück die Friedensarbeit gegen die dortigen Atomraketen unterstützt. Unser Engagement über viele Jahre war erfolgreich - die Cruise Missile Transportfahrzeuge wurden verschrottet - die Atombomben in den USA eingelagert.

Seit vielen Jahren beobachte ich euer Engagement hier in Büchel und bewundere euren langen Atem. Und ich bin fest überzeugt: Auch hier in Büchel wird das weiche Wasser des langjährigen gewaltfreien Widerstandes auch diese letzten in Deutschland verbliebenen Atomraketen eines Tages hinweg spülen!

Ihr habt mich eingeladen, um über den Brennpunkt Nahost zu sprechen.

Vor 10 Tagen bin ich aus Ägypten zurück gekehrt und bringe Grüße von der dortigen Demokratiebewegung auf dem Tahrir-Platz in Kairo mit nach Deutschland.

Das in westlichen Staaten weit verbreitete Vorurteil, arabische oder generell islamische Staaten seien nicht oder kaum demokratiefähig, wird nach den Erfahrungen in Tunesien und Ägypten nun hoffentlich revidiert.

Der Tahrir-Platz von Kairo zeigte einen demokratischen Reifegrad und eine Fähigkeit der Selbstorganisation des ägyptischen Volkes, die allergrößte Wertschätzung verdienen. Über zweieinhalb Wochen fanden auf mehreren Bühnen gleichzeitig politische Kundgebungen statt, zu denen berufliche Gruppen und Delegierte aus den Provinzen aufgerufen hatten.

Der Übergang zur Demokratie ist noch nicht geschafft.

Die neue Militärregierung hat wesentliche Forderungen der Demonstrierenden erfüllt: Die Verfassung wurde aufgehoben, freie Wahlen innerhalb von sechs Monaten zugesichert. Nicht erfüllt wurde die Forderung nach Aufhebung der Notstandsgesetzgebung sowie nach der Freilassung politischer Gefangener. Die Demonstrierenden haben angekündigt, weitere Großdemonstrationen einmal pro Woche organisieren zu wollen, um den Druck hoch zu halten, tatsächliche Reformschritte umzusetzen.

Inzwischen wurde die gesamte Führungsriege des Regimes Mubarak - mit Ausnahme des ehemaligen Verteidigungsministers Tantawi - verhaftet und wartet auf ihren Prozess.

Bürgerkrieg in Libyen - warum gab es keine Mediationsansätze?

In Libyen sind wir derzeit Zeuge eines weiteren NATO-Krieges - nach Afghanistan und Irak - in einem islamischen Land.

Warum wurde der logische Ansatz, im Falle eines blutigen Bürgerkrieges eine Gruppe von internationalen neutralen MediatorInnen einzusetzen, die zunächst einen Waffenstillstand aushandeln, nicht vom Westen unterstützt? Einige Erfahrungen mit zivilem Konfliktmanagment haben MitarbeiterInnen der OSZE. Der Friedenforscher Professor Johan Galtung hat in mehreren bewaffneten internationalen Konflikten bereits erfolgreich deeskaliert. Die in Rom ansässige Organisation "St. Egidio" hatte den äußerst blutigen Bürgerkrieg in Mosambik zu einem Ende gebracht. Eine Gruppe von "elder statesmen" ist immer wieder im Einsatz, wo sich internationale Brandherde zeigen, um diese zu löschen.

Aus den Kreisen der Friedensbewegung gibt es erste erfolgreiche Ergebnisse mit Deeskalationsmaßnahmen im Bürgerkrieg in Sri Lanka durch eine "nonviolent peace force".

Warum wurde im Vorfeld der Spannungen in Libyen zwischen Gaddafi und Rebellen keine dieser neutralen Mediations- und Vermittlungsinstitutionen für einen Libyen-Einsatz von westlichen Regierungen angefragt?

Einen hoffnungsvollen türkischen Friedensplan ließ Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

zerbomben. Dem Regime Mubarak sollte ein gesichtswahrender Abgang ermöglicht werden, freie Wahlen hätten einen demokratischen Übergang ermöglichen können. Statt dessen droht das Land nun in einem blutigen Bürgerkrieg unterzugehen. Wieder einmal dienen die NATO-Bombardierungen nicht "humanitären" Zwecken, sondern sollen die Energieversorgung vor allem Europas mit Öl und Gas auch in Zukunft sicher stellen.

Tunesien und Ägypten haben Auswirkungen in der gesamten Region.

In Bahrein, wo die schiitische Mehrheit von Sunniten unterdrückt wird, sind saudische Truppen zur Niederschlagung des Aufstands einmarschiert. In Jordanien bildete der ebenfalls unter Druck stehende König eine neue Regierung, in Jemen sagte der bisherige Potentat zu, nicht seinen Sohn als Nachfolger durchsetzen zu wollen. Im Iran gehen wieder verstärkt Anhänger von Oppositionsführer Mussawi auf die Straße. Auch in Syrien steht das Assad-Regime unter gewaltigem Druck.

Die israelische Regierung setzte bis zuletzt alle Hebel in Bewegung, die US-Regierung und auch die europäischen Staaten davon zu überzeugen, Mubarak im Amt zu halten.

Für Aufmerksamkeit in Israel sorgte ein Artikel der New York Times des israelfreundlichen Kolumnisten Thomas Friedman, der schrieb:

"Netanjahu läuft Gefahr, der Mubarak des Friedensprozesses zu werden". Friedman verwies auf die wachsende Ungeduld in Washington darüber, dass Israel nicht mit den Palästinensern verhandelt, obwohl es in Ramallah einen verantwortungsvollen Partner gebe.

Die US-Regierung wie auch die europäischen Staatsführungen hielten solange zum ägyptischen Diktator, bis ihnen nichts mehr anderes übrig blieb, als ihn fallen zu lassen.

Noch immer werden zahlreiche diktatorisch regierte Länder der Region wie z.B. Saudi Arabien von westlichen Staaten mit Waffen und Geldströmen unterstützt, wodurch die Durchsetzung von Demokratie, Menschenrechten, Meinungs- und Pressefreiheit für die jeweiligen Zivilgesellschaften erschwert bis unmöglich gemacht wird.

Dies stellt eine Anfrage an unsere westlichen Gesellschaften: Was sind wir bereit zu riskieren, um diese Missstände bei uns abzustellen?

Deutschland steht international auf dem 3. Platz der weltweiten Rüstungsexporteure. Obwohl nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz nicht in Spannungsgebiete geliefert werden darf, sollen im nächsten Jahr zwei weitere U-Boote der Dolfin-Klasse an Israel ausgeliefert werden. Diese können in Israel mit Atomwaffen ausgestattet werden - und werden somit erheblich zur Verschärfung der Lage im Nahen und Mittleren Osten beitragen.

Der iranische Atomstreit ist nach wie vor ungelöst. Schon allein aus Sicherheitsgründen wäre die iranische Führung in ihrem erdbebengefährdeten Land gut beraten, auf die Inbetriebnahme des Reaktors in Bushir zu verzichten.

Wenn die westliche Staatengemeinschaft die iranische Führung in Verhandlungen zur Aufgabe aller Pläne für eine Hochanreicherung von Uran und die damit verbundene Möglichkeit der Herstellung von Atomwaffen bewegen möchte, wird dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nur gelingen, wenn gleichzeitig auch die israelischen Atomwaffen in Abrüstungsverhandlungen thematisiert werden.

Die Friedensaufgabe besteht darin, in einem Prozess für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten die gesamte Region in eine ABC-waffenfreie Zone umzuwandeln.

Fangen wir vor unserer eigenen Haustüre mit einer atomwaffenfreien Zone hier in Büchel an: Lassen wir nicht nach, den Abzug der letzten Atombomben auf deutschem Boden zu fordern.

Dazu wünsche ich uns langen Atem!



Clemens Ronnefeldt ist Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes. Vita siehe hier.

E-Mail: C (Punkt) Ronnefeldt (at) t-online (Punkt) de

Website: www.versoehnungsbund.de/paid/arb_cr.html
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